Mitten im NATO-Gebiet

Kaliningrad: Streit um Exklave droht zu eskalieren

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15.000 Quadratkilometer große Exklave strategisch bedeutend - Mit sensibler Geschichte behaftet - GRAFIK

Die russische Exklave Kaliningrad, das Gebiet um das ehemalige ost-preußische Königsberg, ist seit dem EU-Beitritt Polens und Litauens im Jahr 2004 von EU- bzw. NATO-Staaten umgeben. Zugleich sind seitdem erstmals russische Truppen inmitten von NATO-Gebiet stationiert. Der russischen Exklave wird im Ukraine-Krieg nun besondere Bedeutung zuteil. Denn Litauen beschränkt den Transit zwischen Russland und Kaliningrad. Moskau sieht sich als Opfer und droht unverhohlen.

Litauen verbietet unter Verweis auf EU-Sanktionen den Transitverkehr von Gütern wie Baumaterialien, Metalle und Kohle in die russische Exklave. Von dem Verbot betroffen ist auch die einzige Zugstrecke zwischen Russland und Kaliningrad. Nach Kaliningrader Darstellung betrifft das 40 bis 50 Prozent aller Transitgüter.

"Elemente einer Blockade" 

Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach zuletzt von "Elementen einer Blockade" und "illegalem" Vorgehen. Sicherheitsratschef Nikolai Patruschew wetterte bei einem Besuch in Kalinigrad: Moskau werde auf solche "feindlichen Handlungen" mit Gegenmaßnahmen antworten. "Deren Folgen werden schwere negative Auswirkungen auf die Bevölkerung Litauens haben."

Die Region mit knapp einer Million Einwohnern ist nur etwa 500 Kilometer von Berlin, aber mehr als 1.000 Kilometer von Moskau entfernt. Eine Ausweitung des Konflikts mit der NATO scheint nicht ausgeschlossen.

Die russischen Streitkräfte unterhalten in der Region Kaliningrad diverse Stützpunkte, darunter den Hauptstützpunkt der Baltischen Flotte in Baltijsk sowie Radarstationen. Außerdem sind dort Iskander-Raketensysteme stationiert. Dieses fahrzeuggebundene System kann sowohl ballistische Kurzstreckenraketen als auch Marschflugkörper abfeuern - unklar ist, ob sich Nuklearsprengköpfe in der Exklave befinden.

Historische Komponente

Neben der geopolitischen und strategischen Bedeutung der etwa 15.000 Quadratkilometer großen Exklave lädt auch die Geschichte Kalinigrads den Konflikt symbolisch auf. Die Stadt entstand um eine 1255 vom Deutschen Orden errichtete Burg. Dort hat sich der brandenburgische Kurfürst Friedrich III. 1701 als Friedrich I. selbst zum ersten König in Preußen gekrönt. An der 1544 gegründeten Albertus-Universität lehrte Immanuel Kant.

Im Ersten Weltkrieg war die Stadt Schauplatz dann heftiger Kämpfe zwischen deutschen und russischen Truppen. Nach dem Krieg wurde es Hauptstadt der deutschen Provinz Ostpreußen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt fast völlig zerstört. 1945 nahm die Rote Armee Königsberg ein. Nachdem die Potsdamer Konferenz das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zugesprochen hatte, wurde die Stadt 1946 nach Michail Kalinin, dem ersten sowjetischen Parlamentspräsidenten, in Kaliningrad umbenannt. Auf Weisung aus Moskau wurde die schwer zerstörte Königsberger Altstadt nicht wieder aufgebaut. Stattdessen entstand am Ufer des Pregel eine Stadt nach sowjetischem Muster, geprägt von Wohnblocks, breiten Straßen und riesigen Aufmarschplätzen.

Das Gebiet wurde zum strategisch wichtigen sowjetischen Vorposten im Westen und zum militärischen Sperrgebiet. Die deutsche Bevölkerung wurde fast vollständig vertrieben. Bürger aus allen Teilen der Sowjetunion siedelten sich in der Ostsee-Region an. In der gesamten Exklave leben heute etwas weniger als 1 Million Menschen, davon rund 500.000 in der Stadt Kaliningrad. Die überwiegende Mehrheit davon sind Russen.

Erst seit 1991 ist die Geburtsstadt des Philosophen Immanuel Kant wieder für Ausländer geöffnet. Ein Jahr später wurde Kaliningrad zur Freihandelszone erklärt. 1996 erhielt die Stadt ein noch weiter gehendes wirtschaftliches Sonderstatut, das ausländischen Investoren große ökonomische und steuerliche Vorteile bietet. Schiffbau, Fischerei, Elektronikindustrie und Bernsteinverarbeitung sollten ausländische Investoren anlocken. Eine große Rolle spielt vor allem die Erdölförderung.

Doch erst ein 2006 auf den Weg gebrachtes Gesetz, das die Planungssicherheit für Investoren gewährleistet, brachte zögerliche wirtschaftliche Erfolge. So ist das Gesetz unveränderlich auf 25 Jahre Laufzeit festgeschrieben und kann somit weder modifiziert noch abgeschafft werden. Trotzdem leidet die Wirtschaft unter der starken Abschottung des Gebietes, der herrschenden Bürokratie, der hohen Kriminalität und der häufig anzutreffenden Korruption.

(Redaktionelle Hinweise: GRAFIK 0903-22, 88 x 112 mm)

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