Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vor dem Hintergrund der erwarteten Gegenoffensive Kiews vom Aufbau neuer Militäreinheiten berichtet.
"Wir bereiten auch aktiv neue Brigaden und Einheiten vor, die sich an der Front bewähren werden", sagte der 45-Jährige am Freitag in seiner täglichen Videoansprache. Bei seinen Besprechungen mit dem Generalstab gehe es um die Bereitstellung aller Mittel für die Befreiung der Ukraine von der russischen Besatzung.
"Wir alle in der Ukraine müssen verstehen, dass die Hauptaufgabe des Staates die Befreiung unserer Gebiete, das Zurückholen unserer Erde und unserer Menschen aus russischer Gefangenschaft ist." Die staatlichen Ressourcen würden vor allem dafür aufgewendet, sagte der Staatschef. Die Front habe oberste Priorität, betonte er.
Selenskyj dankte den westlichen Partnern
Er dankte zugleich den westlichen Partnern, die im Rahmen des Ramstein-Formats der Ukraine bei der Verteidigung helfen. "Ihre Entschlossenheit entspricht voll und ganz der tatsächlichen Situation und den Bedürfnissen auf dem Schlachtfeld", sagte Selenskyj.
Aus Ramstein gab es einige neue Zusagen an Kiew: Leopard-Panzer aus Deutschland, die im Ukraine-Krieg beschädigt wurden, sollen so künftig in Polen repariert werden und damit schneller zurück an die Front kommen. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius vereinbarte am Freitag in Ramstein mit seinen Kollegen aus Warschau und Kiew den Aufbau eines entsprechenden Instandsetzungszentrums. Zur "fairen Aufteilung" der Kosten von 150 bis 200 Millionen Euro im Jahr habe man sich auf eine Fondslösung geeinigt.
Das Zentrum nehme seine Arbeit wohl Ende Mai auf und zeige auch die Entschlossenheit der Partner der Ukraine, das Land in seinem Krieg gegen Russland weiter zu unterstützen, sagte Pistorius am Rande des Treffens der Ukraine-Kontaktgruppe auf dem deutschen US-Militärstützpunkt Ramstein. Nächste Woche werde es eine erste Arbeitssitzung geben. Pistorius kündigte zudem die Ausbildung von mehr als 100 ukrainischen Soldaten am Kampfpanzer Leopard 1 ab Samstag an.
Lettland kündigte Waffen-Lieferung für Ukraine an
Lettland kündigte unterdessen nach den Gesprächen in Ramstein über weitere westliche Militärhilfe für die Ukraine die Lieferung von Waffen an das von Russland angegriffene Land an. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums des baltischen EU- und NATO-Landes sollen alle sich noch im Bestand der lettischen Streitkräfte befindlichen Flugabwehrraketen vom Typ Stinger an Kiew übergeben werden.
Spanien will der Ukraine laut Außenminister José Manuel Albares in den kommenden Tagen sechs von insgesamt zehn zugesagten Leopard-Panzern liefern. "Danach wird es ein zweites Paket mit vier weiteren Panzern geben", sagte Albares den Zeitungen der deutschen Funke Mediengruppe (Samstag). Es handelt sich dabei um Leopard-Panzer des älteren Typs 2A4.
"Wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie sie es braucht", sagte Albares mit Blick auf den russischen Angriffskrieg. "Das umfasst humanitäre Hilfe, die Aufnahme von Flüchtlingen und die Lieferung von Defensivwaffen." Diese dienten zur Selbstverteidigung und zur Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine. "Und zwar in den international anerkannten Grenzen einschließlich der Krim. Aber die letzte Entscheidung liegt in der Hand der ukrainischen Regierung", fügte Albares hinzu.
Frage nach der Lieferung westlicher Kampfjets
Bei der Frage nach der Lieferung von westlichen Kampfjets an die Ukraine bleiben die meisten europäischen Staatschefs reserviert. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat sich jedoch für eine Fortsetzung der Gespräche über eine Abgabe von westlichen Kampfjets an die Ukraine ausgesprochen. Man müsse über Lieferungen durch Bündnispartner weiter diskutieren, sagte Stoltenberg am Freitag am Rande des Treffens in Ramstein.
Während militärisch die Vorbereitungen auf die erwartete ukrainische Gegenoffensive laufen, werden Befürchtungen über mögliche Folgen laut. So hat die Internationale Atomenergiebehörde IAEA vor einem Nuklearunfall durch die zunehmenden Kampfhandlungen rund um das Atomkraftwerk Saporischschja in der Südukraine gewarnt. "Ich habe klare Anzeichen militärischer Vorbereitungen in dem Gebiet gesehen, als ich das AKW Saporischschja vor drei Wochen besucht habe", sagte IAEA-Direktor Rafael Grossi am Freitag laut einer Mitteilung der Behörde. Seither hätten die vor Ort stationierten Atomexperten mehrfach Explosionen in unmittelbarer Nähe der Anlage registriert.
Er sei "zutiefst besorgt" wegen der aktuellen Lage. Die prekäre Situation erfordere weiteren Druck, damit die Anlage weder beschossen noch als Ausgangspunkt für Angriffe genutzt werde. Er werde diesbezüglich mit Russen und Ukrainern weiter verhandeln, sagte Grossi.