"Tote und Verletzte"

Kiew: Schwerster russischer Luftangriff des gesamten Kriegs

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Der russische Luftangriff auf die Ukraine vom Montag war nach Angaben aus Kiew der schwerste des seit Februar 2022 dauernden Kriegs.

Die russischen Streitkräfte hätten mit jeweils mehr als hundert Raketen und Drohnen angegriffen, erklärt der Kommandant der ukrainischen Luftwaffe, Mykola Oleschtschuk, auf dem Kurzmitteilungsdienst Telegram. 102 der insgesamt 127 russischen Raketen seien ebenso abgefangen und zerstört worden wie 99 von 109 Drohnen.

Dieser kombinierte Angriff sei "der größte Luftangriff" gewesen. 15 der insgesamt 24 ukrainischen Regionen seien getroffen worden, so Ministerpräsident Denys Schmyhal auf Telegram. "Es gibt Tote und Verletzte." Das Hauptziel der Angriffe sei einmal mehr das Energiesystem der Ukraine gewesen. Beschädigt wurde unter anderem das Wasserkraftwerk am Kiewer Stausee.

russischer Luftangriff
© APA/AFP/UKRAINIAN EMERGENCY SERVICE/Handout
× russischer Luftangriff

Stromausfälle und Notabschaltungen

In der Hauptstadt der Ukraine und in anderen Landesteilen kam es zu Stromausfällen und Notabschaltungen. Russland habe mehr als 100 Raketen und ähnlich viele Kampfdrohnen eingesetzt, sagte Präsident Wolodymr Selenskyj. Er erneuerte die flehentliche Kiewer Bitte an Partnerländer, den Einsatz westlicher Waffen gegen Militärziele tief im Rückraum Russlands zu erlauben. "Jeder Führer, jeder Partner von uns weiß, welche starken Entscheidungen notwendig sind, um diesen Krieg zu beenden, und zwar auf faire Weise." Für die Ukraine dürfe es keine Reichweitenbeschränkung geben, weil auch Russland seine Angriffe nicht beschränke. Ähnlich appellierten Selenskyjs Stabschef Andrij Jermak und Außenminister Dmytro Kuleba an die Verbündeten. Bisher darf die ukrainische Armee viele Waffen mit höherer Reichweite gemäß der westlichen Auflagen nicht gegen Ziele in Russland einsetzen.

Weil die Angriffe den ganzen Vormittag andauerten, sammelten sich die Angaben zu Opfern und Schäden nur langsam. In ersten Behördenberichten war von 5 Toten und 17 Verletzten in verschiedenen Landesteilen die Rede. Das Bombardement traf die Ukraine, als die Menschen nach dem Wochenende mit dem Unabhängigkeitstag wieder zur Arbeit gingen.

Luftalarm erst nach fast acht Stunden vorbei

In Kiew war der Luftalarm erst nach fast acht Stunden gegen 13.45 Uhr Ortszeit (12.45 Uhr MESZ) vorbei, weil bis dahin immer noch Schwärme russischer Kampfdrohnen im Luftraum registriert wurden. Videos zeigten, wie die Menschen in der Millionenstadt dicht gedrängt die U-Bahnstationen als unterirdische Zuflucht nutzten.

russischer Luftangriff
© APA/AFP/Roman PILIPEY
× russischer Luftangriff

Der ukrainischen Luftwaffe zufolge setzte die russische Armee zeitweise elf Langstreckenbomber Tu-95 ein, die als Abschussrampen für Marschflugkörper dienen. Außerdem wurden demnach Hyperschallraketen Kinschal auf die Ukraine abgefeuert. Auch aus dem Schwarzen Meer sei die Ukraine mit Marschflugkörpern Kalibr beschossen worden. Dazu wurden nach vorläufigen Angaben Dutzende Drohnen in der Luft geortet. Angaben zu Treffern auf militärische Ziele machte die Ukraine wie üblich nicht.

Polen lässt Kampfjets aufsteigen

Wegen der Nähe der russischen Angriffe zur polnischen Grenze ließ das polnische Militär Abfangjäger aufsteigen, wie die Nachrichtenagentur PAP meldete. An dem Einsatz waren den Angaben nach auch Flugzeuge anderer Verbündeter beteiligt.

"Der Feind lässt nicht von seinen Plänen ab, den Ukrainern das Licht auszuschalten", schrieb Energieminister Herman Halutschschtenko auf Facebook. Die Lage sei schwierig. Der Stromversorger Ukrenerho und andere Energiefirmen versuchten, das Netz durch Notabschaltungen zu entlasten. Wo kein Strom ist, fällt meist auch die Versorgung mit Wasser aus.

Treffer auf Wasserkraftwerk von Kiew

Über den Treffer auf das Wasserkraftwerk von Kiew berichtete die Nachrichtenagentur Unian, nachdem in russischen Telegramkanälen ein Video der Schäden aufgetaucht war. Demnach brannte es im Turbinenraum des Wasserkraftwerks, die Straße auf der Staumauer war beschädigt. Die Militärverwaltung des Kiewer Umlands bestätigte offiziell nur Schäden an zwei nicht näher bezeichneten Anlagen der Energieinfrastruktur.

Seit dem Jahreswechsel 2023/24 hat Russland mit mehreren kombinierten Luftangriffen versucht, Kraftwerke und die Energieinfrastruktur der Ukraine auszuschalten. Bei einem Angriff am 29. Dezember setzte die russische Armee nach Kiewer Zählung 122 Raketen und Marschflugkörper sowie 36 Drohnen ein. In der Ukraine waren mehr als 30 Tote zu beklagen.

Die Ukraine wehrt seit Februar 2022 eine große russische Invasion ab. Am Samstag hatte die Europas zweitgrößtes Land den 33. Jahrestag seiner Unabhängigkeit von der Sowjetunion begangen.

Russische Flugabwehr zerstörte 20 ukrainische Drohnen

Die russische Flugabwehr zerstörte unterdessen nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau in der Nacht 20 von der Ukraine auf russisches Gebiet gerichtete Drohnen. Neun davon seien über der Region Saratow, drei über Kursk und jeweils zwei über Belgorod, Brjansk und Tula abgefangen worden. Über den Regionen Orjol und Rjasa sei jeweils eine Drohne entdeckt worden. In Saratow, etwa 900 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt, wurde der Flughafen beschädigt, wie die Behörden mitteilten, eine Frau sei verletzt worden. Am Montagmorgen wurde der Flugbetrieb wieder aufgenommen.

In der Nähe von Saratow liegt der Ort Engels, wo ein strategischer Militärstützpunkt für Bomber liegt, die häufig Einsätze gegen die Ukraine fliegen. Ob der Stützpunkt Ziel der ukrainischen Angriffe war, blieb zunächst unklar. Eine Stellungnahme der Ukraine lag zunächst nicht vor. Andrij Jermak, der Stabschef von Präsident Wolodymyr Selenskyj, schrieb aber auf Telegram: "Der Wunsch, unsere Energie zu zerstören, wird die Russen teuer zu stehen kommen: ihre Infrastruktur."

Verhandlungen mit der Ukraine über einen Waffenstillstand haben nach Ansicht Russland nahezu an Bedeutung verloren. Der Einmarsch der Ukraine in das russische Grenzgebiet Kursk könne nicht toleriert werden, sagte der Sprecher des russischen Präsidialamtes, Dmitri Peskow. Es müsse eine Reaktion geben. Gespräche über einen Waffenstillstand habe es nicht gegeben. Das Thema sei nicht länger von Relevanz.

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