Stundenlanges Gespräch

So lief das Treffen zwischen Alt-Kanzler Schröder und Putin

12.03.2022

Gerhard Schröder soll mehrere Stunden mit dem russischen Präsidenten gesprochen haben. Danach gab es ein Treffen mit Putins Top-Berater.

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© APA/dpa/Kay Nietfeld
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Am Donnerstagabend soll der deutsche Alt-Kanzler Gerhard Schröder im Moskau stundenlang mit dem russischen Präsidenten gesprochen haben, wie "Bild" berichtet. Was genau bei dem Treffen besprochen wurde, ist unklar – über Inhalte des Gesprächs gibt es nach wie vor keine Informationen. Danach soll Schröder noch einen Top-Berater Putins getroffen haben. Am heutigen Samstagmorgen habe Schröder sich dann wieder auf den Weg in Richtung Türkei gemacht.

Bereits Montagabend hatte Schröder eine Ukraine-Delegation um Rustem Umerov (Anm.: Er gehörte zur Delegation, die mit den Russen in Belarus ergebnislos verhandelte) im Istanbuler Dolmabahce-Palast am Bosporus zusammen, wie "Bild" weiter berichtet. Am Mittwoch flog er mit einer Maschine von Istanbul nach Moskau. 

Am Samstagmorgen um kurz vor sechs soll Schröder mit seiner Frau Soyeon Moskau wieder verlassen haben – mit dem Flugzeug Richtung Istanbul. Die ukrainische Seite soll derzeit darauf warten, dass sie die Ergebnisse von Schröders Gespräch erfahre.

Schröder sei aktuell der einzige Mensch, der zum Kremlchef wie auch zur ukrainischen Spitze direkt Kontakt habe, wie eine anonyme Quelle gegenüber "Bild" sagt. 

Selenskyj will mit Putin über Kriegsende verhandeln

Sowohl Selensky als auch Putin hatten zuletzt wiederholt mit dem israelischen Regierungschef Naftali Bennett telefoniert, der vor einer Woche Putin persönlich in Moskau getroffen hatte.

Bisher hatten sich Delegationen von Russland und der Ukraine dreimal zu Verhandlungen in Belarus getroffen, zudem trafen die Außenminister der beiden Länder sich am Donnerstag im türkischen Antalya.

"Heute ist es nicht konstruktiv, sich in Russland, in der Ukraine oder in Belarus zu treffen. Das sind nicht die Orte, an denen wir ein Verständnis für die Beendigung des Krieges finden können", sagte Selenskyj am Samstag vor Journalisten mit Blick auf die enge Verbundenheit der belorussischen Führung mit Moskau. "Ob ich finde, dass Israel so ein Land sein kann und dabei besonders Jerusalem? Ich finde ja."

Der Kreml schloss grundsätzlich ein Treffen von Putin und Selenskyj nicht aus. "Aber zuerst müssen sowohl Delegationen als auch Minister ihren Teil dazu leisten, dass sich die Präsidenten nicht um des Prozesses, nicht um des Gesprächs, sondern um des Ergebnisses willen treffen", hatte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag gesagt.

In israelischen und US-amerikanischen Medien hatte es Spekulationen darüber gegeben, dass Bennett Selenskyj eine Kapitulation gegenüber Russland nahegelegt haben soll. Kiew wies diese Darstellung zurück. 

Selenskyj ortet neuen Ansatz Russlands in Gesprächen 

Russland verfolgt nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei den Gesprächen über eine Beendigung des Krieges mittlerweile einen "grundlegend anderen Ansatz". Zunächst hätten die Vertreter Moskaus nur "Ultimaten gestellt", sagte Selenskyj am Samstag bei einer Pressekonferenz. Mittlerweile habe man "angefangen zu reden". Er sei "froh", ein "Signal aus Russland erhalten" zu haben.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Freitag gesagt: "Da sind gewisse positive Veränderungen, haben mir unsere Unterhändler berichtet." Die Verhandlungen würden "nun auf fast täglicher Basis geführt".

Delegationen aus Kiew und Moskau waren in den vergangenen zwei Wochen drei Mal persönlich zu Gesprächen in Belarus zusammengekommen, zudem trafen sich die Außenminister der beiden Länder am Donnerstag im türkischen Antalya. Im Mittelpunkt vor allem der Verhandlungen in Belarus stand die Schaffung von Fluchtkorridoren für Zivilisten. Diese Verhandlungen würden per Videoschaltung fortgesetzt, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Samstag.

Selensky bedauerte, dass sich der Westen "nicht ausreichend" für diesen Ansatz engagiere. In Bezug auf Sicherheitsgarantien werde die Ukraine "nach diesem blutigen Krieg Russland nicht vertrauen können". Sicherheitsgarantien müssten von ausländischen Partnern angeboten werden.

Russische Armee setzt Offensive fort 

Russlands Streitkräfte haben ihre Angriffe nordwestlich von Kiew und auf andere ukrainische Städte Medienberichten und Behörden zufolge am Samstag fortgesetzt. In der umkämpften Hafenstadt Mariupol haben prorussischen Separatisten östlich gelegene Randbezirke erobert, teilte das ukrainische Militär mit. Zuvor hatte das russische Verteidigungsministerium bereits die Einnahme mehrerer Stadtteile gemeldet. Die ukrainische Regierung hatte in der Früh Fluchtkorridore angekündigt.

Besonders in Mariupol am Asowschen Meer spitzt sich die humanitäre Lage dramatisch zu. Die Stadt wird seit Tagen belagert. Nach ukrainischen Angaben wurde dort am Samstag eine Moschee beschossen, in der mehr als 80 Kinder und Erwachsene - unter anderem aus der Türkei - Zuflucht gesucht hatten. Angaben zu Opfern lagen zunächst nicht vor.

Die umkämpfte Kleinstadt Isjum im Gebiet Charkiw an der Grenze zum Donezker Gebiet soll laut ukrainischen Angaben bereits etwa zur Hälfte unter russischer Kontrolle stehen. Das ließ sich nicht überprüfen. Rund um die eroberte Stadt Wolnowacha im Donbass versuchten die russischen Truppen laut Kiewer Angaben, eine Offensive zu starten. Harte Kämpfe habe es zudem um die Ortschaft Rubischne im Luhansker Gebiet in der Ostukraine gegeben.

In der Nähe von Kiew sei in der Früh ein ukrainischer Luftwaffenstützpunkt durch russischen Raketenbeschuss zerstört worden, meldete der ukrainische Ableger der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Auch ein Munitionslager in Wassylkiw sei getroffen worden.

Luftschutzsirenen in Städten

In der Früh heulten in den meisten ukrainischen Städten Luftschutzsirenen auf, wie lokale Medien berichteten. Menschen wurden aufgefordert, Schutzräume aufzusuchen. Die umzingelten Städte Charkiw, Tschernihiw, Sumy und Mariupol stünden weiterhin unter schwerem Beschuss, erklärte das britische Verteidigungsministerium. Die Ukraine stellt sich auf eine neue Welle von Angriffen auf Kiew, Charkiw und Donbass-Gebiete ein, wie ein Berater des ukrainischen Präsidialstabschefs mitteilte. Die Ukraine gehe aber nicht davon aus, dass sich Belarus den russischen Invasionsstreitkräften anschließen werde.

Laut dem britischen Verteidigungsministerium befindet sich der Großteil der russischen Bodentruppen etwa 25 Kilometer vom Zentrum der ukrainischen Hauptstadt entfernt. Auf Satellitenbildern war zu sehen, wie die Truppen bei ihrem Vormarsch auf Kiew Artillerie abfeuerten.

© Maxar

Hunderttausende ohne Nahrung und Wasser

Die ukrainische stellvertretende Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk kündigte in einer Videobotschaft mehrere Fluchtkorridore an. Hunderttausende Menschen säßen in belagerten Städten fest. "Ich hoffe, dass der Tag gut verlaufen wird, dass alle geplanten Routen geöffnet werden und dass Russland seine Verpflichtungen zur Einhaltung der Waffenruhe erfüllt", sagte sie. Am Freitag sei etwa ein weiterer Evakuierungsversuch von Mariupol wegen fortgesetzter Angriffe gescheitert. Hunderttausende seien dort ohne Nahrung, Wasser, Heizung oder Strom eingeschlossen.

Das russische Verteidigungsministerium teilte indes mit, dass bisher rund 3.500 Objekte der militärischen Infrastruktur der Ukraine zerstört wurden, darunter auch mehr als 1.000 Panzer und andere gepanzerte Militärfahrzeuge. Russland hatte den Angriff auf die Ukraine unter anderem damit begründet, das Land entmilitarisieren zu wollen. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig prüfen.

Mehr als 12.000 gefallene russische Soldaten 

Im Gegenzug hieß es von ukrainischer Seite, dass die russischen Streitkräfte seit Beginn ihres Angriffs erhebliche Verluste erlitten hätten. "Dies ist der größte Schlag für die russische Armee seit Jahrzehnten", so der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer am Samstag veröffentlichten Videobotschaft. "Nirgendwo hat sie innerhalb so weniger Tage mehr verloren", sagte Selenskjy am 17. Tag des Krieges. Demnach wurden bisher mehr als 360 russische Panzer sowie mehr als 1.200 weitere gepanzerte Fahrzeuge zerstört, außerdem etwa 60 Kampfflugzeuge und 80 Hubschrauber. Die Armee habe mehr als 12.000 Soldaten verloren.

+++ Der oe24-LIVE-Ticker zum Nachlesen HIER +++ 

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