Ukraine-Krieg:

Selenskyj warnt vor Krieg "bis hin zur Berliner Mauer"

03.03.2022

''Wenn wir nicht mehr sind, Gott bewahre, dann werden Lettland, Litauen und Estland die nächsten sein'', sagte er und fügte hinzu: ''Bis hin zur Berliner Mauer, glauben Sie mir.''

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Kiew/Moskau. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mehr Militärhilfe von den westlichen Staaten gefordert. "Wenn Sie nicht die Macht haben, den Luftraum (über der Ukraine) zu schließen, dann geben Sie mir Flugzeuge!" sagte Selenskyj am Donnerstag. "Wenn wir nicht mehr sind, Gott bewahre, dann werden Lettland, Litauen und Estland die nächsten sein", sagte er und fügte hinzu:"Bis hin zur Berliner Mauer, glauben Sie mir."

Zugleich bekräftigte er seine Absicht, direkt mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu verhandeln. "Ich muss mit Putin sprechen (...), denn das ist der einzige Weg, diesen Krieg zu beenden", sagte Selenskyj. Er sei "offen" und "bereit, alle Fragen" mit Putin zu erörtern.

Zuvor hatten Delegationen aus Moskau und Kiew ihre Gespräche über eine Waffenruhe wieder aufgenommen. Die zweite Gesprächsrunde findet an der Grenze zwischen Belarus und Polen statt.

Russland war vor einer Woche in die Ukraine einmarschiert und hat seitdem zahlreiche Städte angegriffen. In der Nacht zum Donnerstag bestätigten ukrainische Behörden die Einnahme der ersten Großstadt durch die russische Armee, der Hafenstadt Cherson im Süden der Ukraine.

Mindestens 33 Tote bei Angriff auf Tschernihiw

Bei einem russischen Angriff auf Wohngebiete in der Stadt Tschernihiw im Norden der Ukraine wurden nach ukrainischen Angaben mindestens 33 Menschen getötet. 18 weitere Menschen seien verletzt worden, teilte der Rettungsdienst der Stadt mit. Zuvor war von 22 Todesopfern die Rede gewesen. Den Angaben zufolge wurden bei dem Angriff zwei Schulen und ein Wohnhochhaus getroffen.

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Raketen schlugen in einem Wohngebiet in Tschernihiw ein.

Die russische Armee hat am Donnerstag ihren Beschuss ukrainischer Städte fortgesetzt. Mehrere ukrainische Städte waren heftig umkämpft. Nach Angaben ukrainischer Behörden vom Donnerstag gab es Tote und Verletzte. Laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hielten die Verteidigungslinien. Allerdings gab es Berichte über die Einnahme der Hafenstadt Cherson durch die russische Armee, deren Vormarsch auf Kiew unterdessen nur langsam vorankommt.

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko bezeichnete die Lage als "schwierig, aber unter Kontrolle". Der dutzende Kilometer lange russische Militärkonvoi, der sich auf Kiew zubewegt, sei noch mehr als 30 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, schrieb das britische Verteidigungsministerium in einem Geheimdienstbericht. Er soll immer wieder durch hartnäckigen ukrainischen Widerstand, Pannen und Staus aufgehalten werden.

Hafenstadt Mariupol eingekesselt 

Der Bürgermeister der Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer hat unterdessen vor einer Belagerung "wie in Leningrad" durch russische Truppen gewarnt. "Sie versuchen, hier eine Blockade zu errichten, genau wie in Leningrad", erklärte Wadym Boitschenko am Donnerstag. Russische Soldaten würden die Stadt belagern und versuchten, Mariupol von Strom, Lebensmitteln, Wasser, Heizwärme und Infrastruktur abzuschneiden.

Mariupol ist eine wichtige Hafenstadt mit rund 400.000 Einwohnern östlich der Stadt Cherson, die am Mittwoch von der russischen Armee bei ihrem Angriff an der Südfront eingenommen worden sein dürfte. Russische "Besatzer" seien in allen Stadtteilen der südlichen Hafenstadt Cherson und "sehr gefährlich", erklärten die dortigen Behörden am Donnerstag. Es gab allerdings widersprüchliche Berichte zur Lage in der Stadt, die strategisch günstig an der Mündung des Flusses Dnipro liegt.

Prorussische Separatisten sollen nach russischen Angaben weiter vorgestoßen sein. Die strategisch wichtige südukrainische Hafenstadt Mariupol sei nun eingeschlossen, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, russischen Agenturen zufolge am Donnerstag.

 

 

Die ukrainischen Verteidigungslinien hielten, sagte Präsident Selenskyj unterdessen in einer Videobotschaft. Der Beschuss habe seit Mitternacht nicht nachgelassen, sagt er in einer weiteren Videobotschaft. Die Ukraine erhalte täglich Waffenlieferungen von internationalen Verbündeten. Zudem hätten sich bisher 16.000 Freiwillige aus dem Ausland gemeldet, um für die Ukraine zu kämpfen. "Wir haben nichts zu verlieren außer unserer eigenen Freiheit", sagte Selenskyj.

Der britische Militärgeheimdienst meldete, dass die ukrainischen Streitkräfte immer noch die Großstadt Charkiw im Nordosten und Mariupol im Südosten des Landes hielten. In Charkiw seien in den vergangenen 24 Stunden 34 Zivilisten getötet worden.

Schwere Gefechte in Charkiw

Die russische Bombardierung von Charkiw, einer Stadt mit 1,5 Millionen Einwohnern, hat deren Zentrum laut Augenzeugen bereits in eine Trümmerwüste verwandelt. Die Ukraine fordert Korridore, durch die die Menschen mit Hilfsgütern versorgt werden können. Kinder müssten in Sicherheit gebracht werden, Lebensmittel, Medikamente und Rettungswagen seien dringend nötig, sagte ein Berater des ukrainischen Präsidenten.

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Die vergangene Woche begonnene russische Invasion in dem Nachbarland soll mittlerweile Tausenden Menschen das Leben gekostet haben. Die russische Armee räumte knapp 500 getötete eigene Soldaten ein, die ukrainische Seite sprach dagegen von über 7.000 gefallenen russischen Soldaten. Angaben zu eigenen Verlusten machte die Ukraine nicht. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Mehr als eine Million Menschen sind nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) aus dem Land geflohen, seit Russlands Präsident Wladimir Putin den größten Angriff auf einen europäischen Staat seit 1945 angeordnet hat.

Während die Ukraine und westliche Länder von einer Invasion und einem Angriffskrieg mit mehr als 100.000 Soldaten sprechen, bezeichnet Russland sein Vorgehen als "Spezialoperation". Ziel sei nicht die Besetzung der Ukraine, sondern die Zerstörung der militärischen Kapazitäten der Ukraine sowie die Festnahme als gefährlich eingestufter Nationalisten.

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