"Das war die erste Episode, aber nicht die letzte"

Medwedew droht mit weiteren Raketen-Angriffen

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''Die erste Episode ist vorbei. Es wird weitere geben'', schrieb Medwedew, der Vizesekretär des Sicherheitsrats ist, auf Telegram.

Kiew (Kyjiw)/Moskau. Auch Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew hat mit neuen Raketenangriffen auf ukrainische Städte gedroht. "Die erste Episode ist vorbei. Es wird weitere geben", schrieb Medwedew, der Vizesekretär des Sicherheitsrats ist, am Montag auf Telegram. Der ukrainische Staat sei in seiner jetzigen Form eine ständige Bedrohung für Russland. Deshalb müsse die politische Führung des Nachbarlands vollständig beseitigt werden, betonte Medwedew. Dies sei seine "persönliche Position".

Russland feuerte am Montag mehr als 80 Raketen auf Kiew und andere Städte in der Ukraine. Die Angriffe töteten mindestens elf Menschen landesweit, mindestens 64 wurden verletzt, wie der ukrainische Zivilschutz mitteilte. Allein in Kiew kamen nach Angaben von Bürgermeister Witali Klitschko fünf Menschen ums Leben, 52 wurden verletzt. Viele Menschen waren gerade auf dem Weg zur Arbeit.

Putin: Reaktion auf die "Terroranschläge"

Kremlchef Wladimir Putin nannte den Angriff eine Reaktion auf die "Terroranschläge" gegen russisches Gebiet. Ziele der Präzisionswaffen seien die Energieinfrastruktur, militärische Anlagen und das Fernmeldewesen gewesen, sagte Putin bei einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates und drohte mit noch härterem Vorgehen. "Daran sollte niemand irgendwelche Zweifel haben."

In Kiew schlugen die Geschosse laut Bürgermeister Klitschko im Zentrum ein. In fast allen Landesteilen gab es Luftalarm. Die Strom-und Wasserversorgung brach mancherorts zusammen. Insgesamt habe Russland 83 Raketen abgefeuert, davon seien 43 abgefangen worden, teilte das ukrainische Verteidigungsministerium mit.

Putin ordnete die Raketenangriffe an, nachdem am Samstag eine Explosion die 19 Kilometer lange Brücke erschüttert hatte, die Russland und die 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim verbindet. Russland macht den ukrainischen Geheimdienst SBU für die Explosion verantwortlich.

SBU-Zentrale liegt im Zentrum Kiews

Bestätigt hat der ukrainische Geheimdienst SBU eine Beteiligung nicht. Die SBU-Zentrale liegt im Zentrum Kiews. Moskau hatte wiederholt gedroht, Kommandostellen in der ukrainischen Hauptstadt zu beschießen, wenn der Beschuss russischen Gebiets nicht aufhöre.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba wies dies scharf zurück. "Nein, Putin wurde nicht von der Krim-Brücke zum Raketenterror "provoziert"", teilte er per Twitter mit. "Russland hatte die Ukraine auch vor der Brücke ständig mit Raketen getroffen. Putin ist verzweifelt wegen der Niederlagen auf dem Schlachtfeld und versucht mit Raketenterror, das Kriegstempo zu seinen Gunsten zu ändern."

Die Brücke zur Krim ist als Nachschubroute für den russischen Angriff wichtig. Das Bauwerk hat zudem einen hohen symbolischen Wert für die Führung in Moskau. Putin hatte den Angriff auf die Ukraine am 24. Februar befohlen. Der Krieg dauert nun bald acht Monate.

Raketenschläge Teil der russischen Kriegsführung

Die Raketenschläge sind nach russischen Angaben Teil der Kriegsführung. "Das alles geschieht im Rahmen der militärischen Spezialoperation", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge.

Russland töte "unsere Leute, die zu Hause in Saporischschja schlafen. Sie töten Menschen, die in Dnipro und Kiew zur Arbeit gehen", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Die Energieinfrastruktur der Ukraine sei ins Visier genommen worden, betonte Selenskyj in einer Videobotschaft, die ihn vor seinem Präsidialamt in Kiew zeigt. "Das zweite Ziel sind die Menschen. Dieser Zeitpunkt und diese Ziele wurden speziell ausgewählt, um so viel Schaden wie möglich anzurichten", warft er der russischen Führung vor.

Elf wichtige Infrastruktureinrichtungen in Kiew und acht Regionen sind nach Angaben der Regierung beschädigt worden. "Einige Gebiete sind nun von der Außenwelt abgeschnitten. Man muss sich auf zeitweilige Unterbrechungen von Licht, Wasserversorgung und Kommunikation einstellen", teilte Ministerpräsident Denys Schmyhal über den Kurznachrichtendienst Telegram mit.

Stoltenberg verurteilte die Angriffe auf zivile Ziel

Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (SPD) telefonierte nach dem Angriff mit Selenskyj und sicherte die Solidarität Deutschlands und der anderen G7-Staaten zu. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, die G7-Staaten wollten am Dienstag in einer Videoschaltung mit Selenskyj beraten. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg verurteilte die Angriffe auf zivile Ziele und sicherte der Ukraine weiter Unterstützung zu.

"Die beste Antwort auf den russischen Raketenterror ist die Lieferung von Flugabwehr- und Raketenabwehrsystemen an die Ukraine", betonte der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow. Russland halte Raketenangriffe für ein wirksames Mittel zur Einschüchterung. Das seien sie nicht. "Sie sind Kriegsverbrechen."

Moldau wirft Russland Verletzung seines Luftraums vor

Die Regierung der Republik Moldau beschuldigte Russland, bei den Raketenangriffen den moldauischen Luftraum verletzt zu haben. In Belarus kündigte Machthaber Alexander Lukaschenko die Bildung einer regionalen Militäreinheit der Streitkräfte des Landes mit der russischen Armee an. Dies habe er mit Putin vereinbart, sagte Lukaschenko am Montag nach Angaben der Staatsagentur Belta.

International wurden die russischen Raketenangriffe scharf kritisiert. Der britische Außenminister James Cleverly bezeichnete diese als inakzeptabel. "Dies ist eine Demonstration der Schwäche von Putin, nicht der Stärke", schrieb Cleverly auf Twitter. "Dies ist keine Vergeltung, dies ist Terrorismus", erklärte der niederländische Premier Mark Rutte. EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola betonte am Montag, die Geschehnisse zeigten der Welt einmal mehr, mit was für einer Führung man es in Moskau zu tun habe. Diese lasse Terror und Tod auf Kinder herabregnen. "Das ist kriminell."EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen schrieb auf Twitter: "Putins Russland hat der Welt erneut gezeigt, wofür es steht: Brutalität und Terror." Ein Sprecher des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) beurteilte die Attacken als Kriegsverbrechen. China rief zu Deeskalation auf. "`Wir hoffen, dass sich die Lage bald deeskaliert", sagte Außenamtssprecherin Mao Ning in Peking.

Kritik auch aus Österreich 

Kritik kam auch aus Österreich. Putin drehe die Eskalationsspirale weiter, twitterte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP). In dieser "brandgefährlichen Situation" sei es "wichtig, wieder Schritte in Richtung Deeskalation" zu setzen. "Auch wenn es derzeit aussichtslos scheint: Das Ziel muss sein, an den Verhandlungstisch zurückzukehren." Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hatte zuvor auf Twitter geschrieben: "Der russische Beschuss von ziviler Infrastruktur in Kiew und anderen Städten der Ukraine ist abscheulich und feig. Diese Attacken müssen sofort aufhören." Der Kreml wies dies umgehend zurück: Österreich habe "wohl kaum das Recht", von Russland zu verlangen, den Raketenbeschuss der Ukraine zu beenden, erklärte Putins Sprecher Dmitri Peskow.

Unterdessen gab der Norwegische Flüchtlingsrat (NRC) bekannt, ihre Hilfseinsätze bis auf weiteres zu stoppen. Man könne gefährdeten Menschen nicht helfen, "wenn sich unsere Helfer vor einem Bombenhagel verstecken und wiederholte Angriffe fürchten", erklärte NRC-Generalsekretär Jan Egeland.

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