Der russische Präsident Wladimir Putin will nach Ansicht des ehemaligen deutschen Botschafters in Russland gezielt Hungerkrisen im Nahen Osten und Afrika auslösen.
Ziel sei es, Europa durch massive Flüchtlingsbewegungen zu destabilisieren, sagte der Diplomat Rüdiger von Fritsch dem "Tagesspiegel" (Sonntag). "Putins Kalkül" bestehe darin, dass nach dem Zusammenbruch der Getreidelieferungen die hungernden Menschen versuchen werden, nach Europa zu kommen.
Putins hybride Kriegsführung
Deshalb hindere Russland die Ukraine daran, Getreide zu exportieren und bombardiere Getreidesilos, sagte von Fritsch. "Mit neuen Flüchtlingsströmen will er Europa destabilisieren und politischen Druck aufbauen, damit westliche Staaten ihre harte Haltung gegen Russland aufgeben. Das ist seine neue hybride Kriegsführung", sagte von Fritsch. Unter hybrider Kriegsführung versteht man auch den Einsatz nicht-militärischer Mittel wie beispielsweise Cyberangriffe oder Desinformationskampagnen.
Die Ukraine ist einer der größten Getreideproduzenten der Welt. Der Export über die ukrainischen Seehäfen ist wegen des russischen Angriffskrieges allerdings zum Erliegen gekommen. Nach Angaben der deutschen Bundesregierung blockiert Russland in der Ukraine die Ausfuhr von 20 Millionen Tonnen Getreide vor allem nach Nordafrika und Asien, ein Großteil davon im Hafen von Odessa.
Selenskyj warnt vor Ernährungskrise
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte am Samstag der "New York Times" zufolge ebenfalls vor einer globalen Ernährungskrise, wenn Russland nicht bald an der Blockade der Weizenlieferungen gehindert werde. Er brachte dafür eine "militärische Lösung" ins Spiel.
Der US-Sender NBC News hatte Anfang Mai berichtet, dass Selenskyj in einem Gespräch mit US-Abgeordneten den Wunsch nach modernen Anti-Schiffsraketen geäußert habe, um die russische Blockade der ukrainischen Häfen zu brechen.