Ukrainische Gegenoffensive
Russische Truppen in Panik - Einkesselung droht
12.05.2023Bei den in Bachmut kämpfenden russischen Truppen läuten nach Darstellung des Kriegskorrespondenten des russischen Staatsfernsehens die Alarmglocken.
Angesichts der ukrainischen Angriffserfolge an den Flanken der in der Stadt kämpfenden Söldnertruppe Wagner drohe eine umfassende Einkesselung, schrieb Jewgeni Poddubny am Donnerstag auf Telegram. Das russische Verteidigungsministerium widersprach indes Berichten über Durchbrüche ukrainischer Truppen.
"Die Gesamtlage im Gebiet des speziellen militärischen Einsatzes ist unter Kontrolle", teilte das Ministerium unter Verwendung der von der Regierung verwendeten Bezeichnung für den Krieg in der Ukraine mit.
Drohende Einkesselung
Jewgeni Prigoschin, Chef der Wagner-Truppe, hatte zuvor mehrfach vor einem drohenden Kessel aufgrund ungesicherter Flanken gewarnt. Poddubny berichtete auch von ukrainischen Durchbrüchen bei Kämpfen in der Umgebung von Soledar, das nur wenige Kilometer nordöstlich von Bachmut liegt. Dort sei es ukrainischen Kampfgruppen gelungen, die russischen Linien zu durchbrechen. "Die Lage ist schwierig", schrieb Poddubny. Die russischen Streitkräfte hatten Soledar erst Ende Jänner nach wochenlangen schweren Kämpfen eingenommen.
Der ukrainische Armeesprecher Serhij Tscherewatyj berichtete am Abend von verzweifelten Versuchen der russischen Einheiten, das weitere Vordringen der Ukrainer mit massiven Artillerieschlägen und Luftangriffen aufzuhalten. Die Intensität der Kämpfe habe zugenommen, sagte Tscherewatyj nach Angaben der Agentur Unian. Allein am Donnerstag seien 165 russische Soldaten getötet und weitere 216 verwundet worden, behauptete er. Seine Angaben konnten ebenso wenig überprüft werden wie die der Gegenseite.
AKW Saporischschja
Das Atomkraftwerk Saporischschja könnte bei einer ukrainischen Gegenoffensive nach Ansicht des Betreibers von Gefechten verschont bleiben. Es reiche aus, die russischen Besatzungstruppen im Kraftwerk vom Hinterland abzuschneiden, sagte der Chef des ukrainischen Atomkonzerns Enerhoatom, Petro Kotin, dem US-Sender CNN. "Wir brauchen nur die Verbindung zwischen dem AKW Saporischschja und der (Schwarzmeer-Halbinsel) Krim zu kappen", so Kotin. Dies werde erreicht, sobald die ukrainischen Truppen die Großstadt Melitopol gut 90 Kilometer südöstlich des Kraftwerks in Enerhodar erobert hätten. Danach hätten die russischen Truppen nur noch die Möglichkeit zu fliehen oder sich zu ergeben. Das mit sechs Blöcken größte Atomkraftwerk Europas in Enerhodar war unmittelbar nach dem russischen Einmarsch im März vergangenen Jahres besetzt worden.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erwägt nach italienischen Medienberichten einen Besuch in Rom am Wochenende. Dort könnte er Ministerpräsidentin Giorgia Meloni treffen und auch von Papst Franziskus empfangen werden, hieß es am Donnerstagabend unter anderem bei der Nachrichtenagentur Ansa. Diese berief sich auf Quellen in der Regierung sowie innerhalb des Vatikans. Offizielle Bestätigungen gab es nicht. Zuletzt war auch erwartet worden, dass der ukrainische Präsident gegen Ende der Woche nach Berlin kommt.
Für den Weg der Ukraine in die Europäische Union hat Selenskyj einen "umfassenden strategischen Plan" zur Reform des Strafrechts und des Strafverfolgungssystems ausgearbeitet. "Vereinfacht gesagt, müssen wir ein System zur Gewährleistung von Recht und Ordnung für unser Land sicherstellen, das mit unserem Ziel eines raschen Beitritts der Ukraine zur EU im Einklang steht", sagte Selenskyj am Donnerstag in seiner allabendlichen Videoansprache. "Die Ukraine sollte ein Ort der Stärke für Europa und die gesamte freie Welt werden und ist es bereits." Der Staat müsse ein Höchstmaß an Sicherheit, Freiheit und Achtung vor dem Gesetz und vor den Menschen in der Ukraine gewährleisten, betonte Selenskyj. Die Ukraine ist seit vergangenem Sommer bereits offiziell EU-Beitrittskandidat.
Selenskyj hatte am Donnerstag Erwartungen gedämpft, dass die Gegenoffensive bald beginnen könnte. Dafür fehle nämlich noch Ausrüstung, sagte er in einem BBC-Interview. US-Außenminister Antony Blinken sicherte indes weitere Waffenlieferungen zu, "wenn es Lücken und Mängel gibt". Die ukrainische Seite solle dies mitteilen, "und wir werden alles tun, um das zu erfüllen", sagte Blinken dem US-Fernsehsender PBS am Donnerstag nach Angaben der ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform.