Man sei für einen Ukraine-Friedensplan, aber nicht jenen Selenskyjs
Der russische Botschafter in Deutschland Sergej Netschajew hat das offene Werben des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz für einen Friedensprozess im Ukraine-Krieg grundsätzlich begrüßt. Er nehme die Worte des Kanzlers "gerne zur Kenntnis", sagte Netschajew am Dienstag im Deutschlandfunk. Im besten Falle bedeute das vielleicht, dass sich das Verständnis durchsetze, dass es einen Friedensplan brauche. Die Situation sei viel ernster als im Kalten Krieg.
Man habe allerdings den Wortlaut des Friedensplans noch nicht gesehen, sagte er weiter. "Erst dann können wir beurteilen, ob es sich lohnt, auf dieser Grundlage zu sprechen." Wenn es sich wieder einmal um eine andere Fassung der Friedensformel des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj handle, dann sei das für Russland absolut inakzeptabel. Die Friedensformel von Selenskyj setzt einen russischen Abzug vom ukrainischen Staatsgebiet voraus, was Moskau kategorisch ablehnt. Russland hat die Schwarzmeer-Halbinsel Krim von der Ukraine annektiert und hält Teile im Osten und Süden besetzt.
Scholz wirbt seit Ende August offen für einen Friedensprozess im Krieg Russlands gegen die Ukraine. Am Montag bekräftigte er bei einem Besuch in Kasachstan, dass er eine Friedenskonferenz unter Einbeziehung Russlands befürworte. Russland müsse aber einen Beitrag leisten, indem es seine Aggression einstelle. Von einem konkret ausgearbeiteten Friedensplan vonseiten des Kanzlers war bisher nicht die Rede.
Konflikt gegen Russland
Netschajew wies darauf hin, dass man auch andere Äußerungen aus westlichen Ländern höre. Er verwies auf die laufende Debatte, der Ukraine in ihrem Abwehrkampf zu erlauben, vom Westen gelieferte weitreichende Waffen tief in Russland einzusetzen. "Das wäre für uns eine absolut neue Situation", sagte Netschajew, "mit allen daraus resultierenden Folgen." Mit einer derartigen Erlaubnis wären die NATO-Länder "total im Konflikt gegen Russland" und würden klar zu Konfliktparteien.
Auf die Frage nach einem Vergleich der jetzigen Situation mit der Zeit des Kalten Krieges sagte Netschajew, die Situation sei nun "viel ernster". Damals habe es Regeln gegeben, die beide Seiten einhielten. "Jetzt sehen wir seitens unserer westlichen Partner, dass diese Regeln nicht eingehalten werden", sagte er. Die Ukraine werde "gesättigt" mit allen möglichen Waffen, es gebe einen Wettbewerb, wer am meisten gebe.
Deutschland sieht Netschajew nicht als Kriegsgegner, aber "Deutschland steht klar auf der Seite der Ukraine". Da sei es natürlich nicht einfach, über eine objektive und neutrale Vermittlung in Friedensverhandlungen zu sprechen.
Im Juni trafen sich Vertreter von 93 Staaten zu einer ersten Friedenskonferenz in der Schweiz, zu der Russland aber nicht eingeladen war. Russlands wichtigster Verbündeter China boykottiert sie. Die nächste Konferenz soll mit Russland stattfinden. Ort und Termin stehen bisher nicht fest.
Russland hat in seinem schon mehr als zweieinhalb Jahre währenden Angriffskrieg inzwischen etwa ein Fünftel der benachbarten Ukraine besetzt und erhebt Ansprüche auf weitere Teile. So hat Putin im Herbst 2022 die Gebiete Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja annektiert, obwohl das russische Militär die Regionen bis heute nur teilweise kontrolliert. Kiew fordert einen Abzug der russischen Streitkräfte auch von der schon 2014 annektierten Halbinsel Krim.