Einen Tag nach Ende des Getreideabkommens hat Russland die Sicherheitsgarantien für ukrainische Exporte aufgehoben.
Dies bedeute, dass es im Nordwesten des Schwarzen Meeres wieder "eine temporär gefährliche Zone" gebe, hieß es aus dem russischen Außenministerium am Dienstag nach einem Telefonat von Minister Sergej Lawrow mit seinem türkischen Kollegen Hakan Fidan. Das Koordinierungszentrum zur Umsetzung des Getreideabkommens erklärte Moskau für aufgelöst.
- EU kritisiert Russland wegen Stopp des Getreideabkommens
- Kiew will Getreidekorridor ohne russische Garantien betreiben
Moskau warnte gleichzeitig andere Staaten davor, das Abkommen allein wiederaufzunehmen. Eine Fortsetzung ohne russische Beteiligung wäre riskant, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge. "Es handelt sich um eine Zone, die unmittelbar an das Kampfgebiet grenzt und in der ohne entsprechende Sicherheitsgarantien gewisse Risiken entstehen." Denn die Ukraine nutze diese Gewässer für militärische Aktivitäten, erklärt Peskow. Er reagierte damit auf Vorschläge, dass die Türkei Frachter mit ukrainischem Getreide schützen könnte.
Kreml weist Kritik an Rückzug zurück
Zugleich wies der Kreml-Sprecher internationale Kritik an dem russischen Rückzug aus dem Getreideexportabkommen zurück. Russland erfülle seine Verpflichtungen und werde auch weiterhin Getreide an arme Länder liefern. Dazu sei Russland auch bereits mit afrikanischen Ländern in Kontakt.
Der Präsident der von Russland angegriffenen Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, hatte zuvor gefordert, die Exporte über das Schwarze Meer auch ohne russische Zustimmung fortzusetzen. Das solle in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und der Türkei erfolgen, unter deren Vermittlung das Abkommen im Juli 2022 geschlossen wurde. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Montag angekündigt, Russlands Präsidenten Wladimir Putin bezüglich des Abkommens umstimmen zu wollen. Die Türkei war neben den Vereinten Nationen Vermittler des Getreideabkommens.
Russland sieht eigene Forderungen nicht erfüllt
Am Montag hatte Russland die Vereinbarung auslaufen lassen, weil es eigene Forderungen zu erleichterten Exporten von Düngemittel und Agrarprodukten nicht erfüllt sieht. International löste die Entscheidung viel Kritik aus - auch, weil das ukrainische Getreide wichtig für die Versorgung anderer Länder mit Nahrungsmitteln ist.
Selbst während des Krieges blieb die Ukraine im Jahr 2022 den Angaben zufolge der größte Weizenlieferant des Welternährungsprogramms (WFP) und lieferte mehr als die Hälfte der weltweiten Weizenbeschaffung des WFP. Mit dem Auslaufen des Abkommens könnte der Druck auf Lebensmittelpreise steigen, worunter vor allem Menschen in ärmeren Ländern leiden würden. Abhilfe schaffen zumindest zum Teil eigens von der EU und der Ukraine ausgebaute Handelswege über Flüsse, Schienen und Straßen.
Über diese sogenannten Solidaritätskorridore sind nach EU-Angaben seit Kriegsbeginn bis Ende Juni 41 Millionen Tonnen Getreide, Ölsaaten und andere landwirtschaftlichen Produkte aus der Ukraine exportiert worden. Inwiefern die Solidaritätshandelswege noch weiter ausgebaut werden können, war zunächst unklar. Zudem war der Export über diesen Weg in der Vergangenheit verhältnismäßig teuer.