"Momentan keine Bereitschaft an den Verhandlungstisch zurückzukehren"
Außenminister Alexander Schallenberg geht davon aus, dass der Ukraine-Krieg noch lange andauern wird. Die Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit der Ankündigung einer Teilmobilmachung habe deutlich gemacht, "dass es momentan keine Bereitschaft gibt, von einer der beiden Seiten und insbesondere von russischer Seite zum Verhandlungstisch zurückzukehren", erklärte Schallenberg am Rande der UNO-Vollversammlung in New York. Die Lage werde "in Wirklichkeit eskalieren".
Putin habe den Zeitpunkt seiner Rede ganz bewusst gewählt, diagnostizierte Schallenberg. Durch die Koinzidenz mit der UNO-Generalversammlung habe er "einen maximalen psychologischen Effekt" erzielen können. "Natürlich war es das dominierende Thema."
"Völlig illegal"
Die von Putin geplanten Annexionen in der Ostukraine seien "völlig illegal", hielt Schallenberg fest. "Das ist etwas, was die internationale Staatengemeinschaft nicht einfach hinnehmen kann und akzeptieren kann. Und natürlich versucht man und hofft man weiterhin, dass es in irgendeiner Form doch ein Einsehen gibt. Die Lösung kann nur am Verhandlungstisch erfolgen, kann nur auf diplomatischem Weg erfolgen. Auf dem Schlachtfeld wird keine Lösung erzielt werden."
Bei der UNO-Vollversammlung habe "eine große Mehrheit der Staaten" den russischen Angriff auf die Ukraine als "eklatanten Bruch aller Grundprinzipien der UNO-Charta" bewertet, erklärte Schallenberg. "Aber man merkt schon auch, dass es hier einen Kampf der Narrative gibt, gerade auch auf dem afrikanischen Kontinent." Russland versuche einen Spin, sagte der Außenminister: "Alle eure Probleme bei der Nahrungsmittelsicherheit, im Energiebereich, bei der Teuerung hängen mit den Sanktionen zusammen, die der Westen über uns verhängt hat." Das sei aber eine "eine völlige Umkehr von Ursache und Wirkung", so Schallenberg. "Es ist völlig falsch. Es gab die Teuerung schon vor dem Krieg, aber es ist Russland, das die Nahrungsmittel exportiert oder erschwert. Es ist Russland, das mit dem Gas spielt und als Waffe einsetzt." Es sei nicht der Westen und "schon gar nicht unsere Sanktionen, die weder Nahrungsmittel, noch Gas, noch Düngemittel betreffen."
Nicht der einzige Krisenherd
Leider sei der Ukraine-Konflikt aber nicht der einzige Krisenherd, betonte der Außenminister und nannte Länder wie Afghanistan, Äthiopien oder Mali als Beispiele. "Die Welt ist momentan sehr anspruchsvoll, könnte man als Außenpolitiker sagen." Dazu kämen noch der sich dramatisch beschleunigende Klimawandel und das Migrationsthema, meinte Schallenberg. "Wir haben die größte Bewegung von Vertriebenen auf europäischem Boden und gleichzeitig auch ein Zunehmen der illegalen Migration, was natürlich auch mit der wirtschaftlichen Situation zusammenhängt. Das heißt, die Zeiten sind sehr, sehr herausfordernd. Die einzige Möglichkeit, wie wir diesen Herausforderungen begegnen können, ist durch Zusammenarbeit."
Dafür sei die UNO der geeignete Ort, hielt Schallenberg fest. "Es braucht Multilateralismus, es braucht internationale Zusammenarbeit." Die EU habe in den vergangenen Monaten Stärke und Einheit gezeigt, freute sich Schallenberg. Da gebe es "allen Grund, ein bisschen stolz zu sein". Weil: "Wenn wir uns auseinanderdividieren lassen, dann haben wir verloren." Und wir haben aber in den letzten Monaten gezeigt, dass das geht. Und ich bin zuversichtlich, dass es uns weiter gelingen wird. Allerdings sei "unser Lebensmodell, das wir zu Recht für das Attraktivste halten, das auf individuellen Rechten und Freiheiten beruht, für einige Staaten schon per se ein Akt der Aggression". Der russische Präsident Wladimir Putin sehe dieses Modell eben als "Gefahr" an und habe deshalb "losgeschlagen", so Schallenberg. "Aber ich glaube, es lohnt sich allemal, für unser Lebensmodell einzutreten und sich dafür stark zu machen. Weil es ist aus meiner Warte immer noch das Lebenswerteste und das Beste."