Schon seit 1955 sind wir offiziell neutral. Doch noch nie war die ewige Debatte darüber so emotional geführt wie jetzt. Auch die Diskussionen, ob uns die Neutralität überhaupt vor einem Krieg bewahre, wird hitziger. Bewahrt uns unser neutraler Status also vor Elend, Leid und Tod?
So lange die Schüsse im ukrainischen Kriegsgebiet erklingen, so lange werden wir darüber debattieren, ob wir Waffen dorthin liefern sollen. Österreich ist neben Ungarn(!) das einzige Land der Europäischen Union, das das kriegsgeplagte Land NICHT mit Waffen unterstützt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen verweist auf Nachfrage darauf, dass man "Neutralität nicht mit Gleichgültigkeit" verwechseln solle und "militärisch neutral, nicht wertneutral bedeutet." Doch was meint er damit?
Österreich schickt sowohl Militärausrüstungen als auch viele Hilfsgüter in die Ukraine - nur eben keine Waffen. Doch bewahrt uns das überhaupt vor einem Kriegseinbruch? Würden russische Truppen das kleine Österreich, wenn es hart auf hart kommt, verschonen? Sowohl Experten als auch Spitzenpolitiker gehen da nicht d'accord. Doch welche Persönlichkeit vertritt welche emotionale Meinung?
"Die Neutralität verhindert einen Krieg in Österreich"
Diese Meinung vertritt unter anderem der legendäre Ex-Präsident Heinz Fischer. Im Talk mit dem "Standard" meint er dazu: "Ein neutraler Staat wie Österreich ist in geringerem Maß ein Angriffsziel für Aggressoren als ein NATO-Staat."
In ein ähnliches Horn bläst auch der Sicherheitsexperte Heinz Gärtner von der Uni Wien. "Die Neutralität bietet eine an sich eine sehr gute Sicherheitsgarantie".
In allen in Österreich im Jahr 2022 durchgeführten Umfragen spricht sich auch die Mehrheit österreichische Bevölkerung für eine Beibehaltung der Neutralität aus. Selbstverständlich bedeutet das jedoch nicht, dass die Befragten auch die Meinung vertreten, die Neutralität schütze Österreich vor einem Kriegseinbruch.
"Die Neutralität verhindert KEINEN Krieg in Österreich"
Diese Meinung vertritt unter anderem NEOS-Politikern Claudia Gamon - mit Vehemenz. In der Diskussionsrunde des "Standard" gibt sie zum Besten: "Die Frage wurde in Europa so ähnlich vor 14 Monaten diskutiert, und viele haben nicht daran geglaubt, dass die Ukraine überfallen wird. Dann ist es doch passiert. Es bringt nichts, die Gefahren kleinzureden, die da sind, wenn man in Nachbarschaft eines verrückten und faschistischen Diktators wie Putin lebt."
Der Diplomat Martin Weiss beantwortet die Frage, ob uns die Neutralität vor einem Krieg in Österreich schützt, in einem Gastkommentar im "profil" mit einem "eher nicht". Dies begründet er mit einer rhetorischen Frage, die zu denken gibt: "Wäre etwa eine neutrale Ukraine nicht Opfer eines russischen Angriffskrieges geworden?"
Der Vorsitzende des Militärausschusses der Europäischen Union und ehemalige Generstabchefs des österreichischen Bundesheeres Robert Brieger beantwortet diese Frage in einem APA-Interview mit: „Die Neutralität schützt uns nicht vor Krieg, die Neutralität bedarf selbst eines militärischen Schutzes.“ Das hat gesessen.
Eva Fischer vom "Handelsblatt" vertritt die selbe Meinung wie die zuvor genannten Herrschaften. Sie verweist auf die NATO-beitrittswilligen Finnland und Schweden und auf historische Gegebenheiten: "Im Zweiten Weltkrieg waren unter anderem auch die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Norwegen neutral. Heute gehören diese Länder zu den Gründungsmitgliedern der NATO."
Schützt uns die Neutralität also vor einem Krieg?
Diese Frage kann weder mit einem klaren "Ja", noch mit eine eindeutigen "Nein" beantwortet werden, da sie rein hypothetischer Natur ist und auch kein wissenschaftlicher oder fachmännischer Konsens dazu gefunden wird- Ein Fakt, der der Neutralität Österreichs auf jeden Fall zu denken geben darf: Auch die Ukraine war zu Beginn des russischen Angriffskrieges NICHT in der NATO...
mb