Kiew und Moskau haben sich gegenseitig die Schuld für einen mutmaßlichen Angriff auf Hunderte Zivilisten in einem Theater in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol gegeben.
Russische Soldaten hätten am Mittwoch keine Luftangriffe gegen Bodenziele in Mariupol ausgeführt, so das Moskauer Verteidigungsministerium laut Agentur Interfax. "Nach verfügbaren zuverlässigen Daten" habe das ukrainische nationalistische Regiment Asow das zuvor bereits verminte Theatergebäude attackiert.
Multiple reports that Russian forces dropped a bomb on Mariupol drama theatre where (at least until yesterday) hundreds of people were taking refuge. If confirmed refugees were still inside, this would be potentially the worst civilian harm incident and an undisputable war crime. pic.twitter.com/sDfhHULLCM
— Christo Grozev (@christogrozev) March 16, 2022
Zuvor hatte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba Russland für den Angriff verantwortlich gemacht. "Ein weiteres entsetzliches Kriegsverbrechen in Mariupol", twitterte er. "Heftiger russischer Angriff auf das Drama-Theater, wo sich Hunderte unschuldiger Zivilisten versteckt haben. Die Russen müssen gewusst haben, dass dies ein ziviler Unterschlupf war." Das Gebäude sei vollständig zerstört. Die Angaben beider Seiten ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Auch Angaben zu Opfern lagen zunächst nicht vor.
Neben dem Theater soll ukrainischen Angaben zufolge am Mittwoch noch ein weiterer Ort bombardiert worden sein, an dem sich Zivilisten aufhielten. Getroffen worden sei ein Schwimmbad, in dem Frauen mit Kindern sowie Schwangere Schutz gesucht hätten, meldete die Agentur Unian unter Berufung auf den Chef der Militärverwaltung des Gebiets Donezk, Pawlo Kyrylenko, am Mittwochabend. Menschen seien verschüttet worden, sagte Kyrylenko demnach. Auch für diesen Angriff machte die ukrainische Seite russische Soldaten verantwortlich.
Mariupol ist seit Wochen von russischen Truppen eingeschlossen und wird von mehreren Seiten aus beschossen. Hunderttausende Menschen sollen unter katastrophalen Bedingungen in der Stadt am Asowschen Meer eingeschlossen sein.
Die wichtigsten Meldungen des Tages:
Selenskyj fordert mehr Hilfe des Westens: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in einem dringlichen Appell vor beiden Kammern des US-Kongresses mehr Unterstützung der westlichen Verbündeten gefordert. Es müsse jede Woche neue Sanktionen gegen Russland geben, während die Ukraine dringend mehr Waffen und eine Flugverbotszone brauche, sagte Selenskyj am Mittwoch per Videolink aus Kiew vor US-Senatoren und Abgeordneten des Repräsentantenhauses in Washington.
UNO-Gericht: Russland muss Krieg stoppen: Der Internationale Gerichtshof hat angeordnet, dass Russland sofort die militärische Gewalt in der Ukraine beenden muss. Das höchste Gericht der Vereinten Nationen (UN) gab am Mittwoch in Den Haag einer Klage der Ukraine gegen Russland statt. Russland selbst blieb der Verlesung der Entscheidung im Friedenspalast fern. Die Gewalt müsse sofort enden, sagte die Präsidentin des Gerichtes, Joan Donoghue. Dieser Einsatz führe zu unzähligen Toten und Verletzten.
Kreml: Neutralität wie bei Österreich möglicher Kompromiss: Bei den Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew wird nach Angaben des Präsidialamts in Moskau derzeit über eine Neutralität der Ukraine nach dem Vorbild Schwedens oder Österreichs gesprochen. "Das ist die derzeit diskutierte Option", sagte am Mittwoch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Dieses Neutralitäts-Modell könne als "ein Kompromiss" betrachtet werden. Präsident Wladimir Putin selbst signalisierte Gesprächsbereitschaft darüber. Kiew wies den Vorschlag allerdings zurück.
Kreml-Chef: Wollen Ukraine nicht besetzen: Der russische Präsident Wladimir Putin hat seine Bevölkerung auf massive wirtschaftliche Auswirkungen der Sanktionen eingestimmt und diesbezüglich scharfe Kritik an den westlichen Staaten geübt. Diese würden einen "wirtschaftlichen Blitzkrieg" gegen Russland führen, sagte Putin am Mittwoch in einer Rede. Dieser Krieg werde aber nicht erfolgreich sein, so Putin, der zugleich beteuerte, dass die Ukraine-Krieg "nach Plan" verlaufe. Zugleich versicherte Putin, dass russische Truppen nahe Kiew oder anderer Städte nicht bedeute, dass sie die Ukraine besetzen wollten. "Ein solches Ziel haben wir nicht." Der Westen hatte auf den Angriffskrieg mit beispiellosen Sanktionen gegen Moskau reagiert.
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