Ukraine Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft, die Unberechenbarkeit des künftigen US-Präsidenten Donald Trump auch zu seinen Gunsten nutzen zu können.
"Ich wünschte mir sehr, dass die Unberechenbarkeit von Präsident Trump vor allem die Seite der Russischen Föderation betrifft", sagte das Staatsoberhaupt in einem vom ukrainischen Fernsehen ausgestrahlten Interview. Bei Angriffen der russischen und ukrainischen Armee wurden unterdessen am Freitag fünf Menschen getötet.
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Selenskyj geht davon aus, dass Trump an einem Friedensschluss real interessiert ist und der russische Präsident Wladimir Putin den künftigen US-Präsidenten fürchtet. "Ich halte ihn für stark und unberechenbar", erklärte er. In dem Interview versprach der Staatschef den Ukrainern erneut, dass alle von Russland seit 2014 besetzten Gebiete zurückkehren werden. Er bestand auch auf harten Sicherheitsgarantien für sein Land und erteilte einer von Moskau für einen Friedensschluss geforderten Verkleinerung der ukrainischen Armee eine Absage. "Wir verstehen, dass er (Putin) uns mit so einer Armee von 40.000 bis 50.000 vernichtet, besetzt, dass es keine unabhängige Ukraine mehr geben wird", betonte Selenskyj.
Selenskyj: "Fehlende Reserven"
Das kontinuierliche russische Vorrücken vor allem in der Ostukraine räumte Selenskyj ein und führte es vor allem auf fehlende Reserven zurück. "Wir tun alles dafür, dass es im Jänner eine Frontstabilisierung gibt", versprach er. Die Zahl der Deserteure sei seit Oktober rückgängig. Kürzlich war bekanntgeworden, dass von einer neu aufgestellten und zum Großteil in Frankreich ausgebildeten Brigade mit über 1.700 Soldaten gut ein Drittel fahnenflüchtig geworden ist. Bis Ende November hatte die ukrainische Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr fast 70.000 Verfahren wegen Desertion oder unerlaubtem Fernbleiben von der Truppe eröffnet - ein Vielfaches der beiden Vorjahre.
Die Ukraine wehrt sich mit westlicher Hilfe seit fast drei Jahren gegen eine russische Invasion. Mit dem Amtsantritt von Trump am 20. Jänner befürchtet Kiew eine Verringerung der US-amerikanischen Hilfen. Selenskyj hatte auch einen Teil seiner Neujahrsansprache der Bitte an Washington gewidmet, bei der Unterstützung des Landes nicht nachzulassen. Die russische Armee verstärkte seit Beginn des Winters ihre Luftangriffe auf die Ukraine. Am Neujahrstag waren bei einem Drohnenangriff auf das Zentrum von Kiew zwei Menschen getötet worden.
Am Freitag insgesamt fünf Tote gemeldet
Am Freitag kamen nach Behördenangabe bei Angriffen der russischen und ukrainischen Armee insgesamt fünf Menschen ums Leben. In der Region um die ukrainische Hauptstadt Kiew sei ein Lkw-Fahrer durch herabfallende Trümmer einer Drohne getötet worden, erklärte der Interims-Gouverneur der Region, Mykola Kalaschnyk, in Onlinemedien. Vier Menschen seien zudem durch Trümmerteile von Drohnen verletzt worden, unter ihnen ein 16-Jähriger.
In der südukrainischen Stadt Saporischschja wurde nach Angaben von Gouverneur Iwan Fedorow ein Pensionist bei einem russischen Raketenangriff getötet. Dessen Frau sei ins Krankenhaus eingeliefert worden.
Russischer Raketenangriff auf ukrainische Stadt Tschernihiw
Zudem wurden bei einem russischen Raketenangriff auf die nordukrainische Tschernihiw nach Angaben von Gouverneur Wjatscheslaw Tschaus ein Zivilist getötet und vier verletzt. Einwohner hörten nach Medienberichten nachmittags drei schwere Explosionen. Bürgermeister Dmytro Bryschynskyj sprach von drei Einschlägen am Stadtrand. Zwei Wohnhäuser seien beschädigt worden. Tschernihiw hatte vor dem Krieg knapp 300.000 Einwohner.
Die ukrainische Luftwaffe warnte kurz vor den Einschlägen vor anfliegenden ballistischen Raketen. Nach einer späteren Mitteilung handelte es sich um drei Boden-Boden-Raketen vom Typ Iskander-M. Wie üblich wurden keine Angaben zu möglichen Opfern unter Soldaten gemacht. In Tschernihiw, etwa 150 Kilometer nördlich von Kiew, gibt es Kasernen der ukrainischen Armee und einen kleinen Flugplatz.
Wegen der anfliegenden Raketen wurde bis in die Westukraine in die Transkarpaten Luftalarm ausgerufen. Außerdem flogen am Nachmittag russische Kampfdrohnen im ukrainischen Luftraum. 3 Lenkraketen und 19 von 32 Drohnen seien abgefangen worden, teilte die Luftwaffe mit. Die Ukraine wehrt seit fast drei Jahren eine großangelegt russische Invasion ab.
Ukrainischer Mörserbeschuss in russischer Grenzregion Brjansk
In der russischen Grenzregion Brjansk meldeten dir örtlichen Behörden ein Todesopfer durch ukrainischen Mörserbeschuss. Ein weiterer Mensch sei bei einem Drohnenangriff nahe der Front in der Region Kursk gestorben. Die Ukraine hatte dort im vergangenen August eine Offensive gestartet.
Ukraine: 86 von 93 russischen Drohnen abgeschossen
Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe griff Russland die Ukraine in der Nacht zum Freitag mit insgesamt 93 Drohnen an. 86 von ihnen konnten demnach abgeschossen werden oder "verschwanden". Teile von Drohnen fielen auch auf zwei Stadtteile von Kiew. Laut dem Bürgermeister Vitali Klitschko gab es jedoch keine Verletzten.