Ukraine-Krise

Selenskyj will Kriegsverbrechen aufklären

05.04.2022

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will eine lückenlose Aufklärung der Verbrechen gegen Zivilisten in Butscha und anderen ukrainischen Städten.

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 Dazu arbeite man unter anderem mit der EU und dem Internationalen Strafgerichtshof zusammen, sagte er. Die internationale Empörung über die Gräueltaten im Kiewer Vorort Butscha dauert an. Die UNO will die Vorfälle von eigenen Menschenrechtsexperten untersuchen lassen. Moskau bestreitet die Gräueltaten.

Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft verzeichnete nach eigenen Angaben mehr als 7.000 Meldungen über russische Kriegsverbrechen in der Region um die Hauptstadt Kiew. Die meisten Opfer habe es in Borodjanka gegeben, sagte Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa der Agentur Unian zufolge. "Ich denke, wir werden gesondert über Borodjanka sprechen."

Die Bilder aus Butscha, wo nach dem Abzug russischer Truppen zahlreiche Leichen auf den Straßen gefunden wurden, hatten am Wochenende Entsetzen ausgelöst. Die Ukraine macht für das Massaker russische Truppen verantwortlich, die die Stadt besetzt hatten. Moskau bestreitet das und sprach von einer "Inszenierung".

Videos und Satellitenbilder aus dem Kiewer Vorort Butscha widerlegen nach einer Analyse der "New York Times" Moskauer Behauptungen, dass Leichen getöteter Zivilisten dort erst nach dem Abzug des russischen Militärs platziert worden seien. Satellitenaufnahmen zeigten, dass sich die Überreste mehrerer Menschen bereits Mitte März auf der Straße befanden, schrieb die Zeitung.

Die Vereinten Nationen wollen die Tötung von mehreren Hundert Zivilisten in Butscha von eigenen Menschenrechtsexperten untersuchen lassen. Das kündigte eine Sprecherin des UNO-Menschenrechtsbüros am Dienstag in Genf an. Derzeit ist ein Team des UNO-Büros mit etwa 50 Mitarbeitern in Uschgorod im Westen der Ukraine stationiert, etwa 800 Kilometer von der Hauptstadt Kiew und dem Vorort Butscha entfernt. Ein Termin wurde nicht genannt.

Zusätzlich werde sich eine Untersuchungskommission aus unabhängigen Juristen mit dem Geschehen in Butscha beschäftigen, kündigte Sprecherin Liz Throssell an. Das Gremium soll im Auftrag des UNO-Menschenrechtsrats Beweise für mögliche Kriegsverbrechen sammeln. "Es geht auf mehreren Ebenen voran", sagte Throssell.

Die Ukraine macht russische Besatzungstruppen für die Tötungen in Butscha verantwortlich. Moskau bestreitet das und spricht - ohne Beweise vorzulegen - von einer "Inszenierung". Die UN-Sprecherin sagte dazu: "Alles deutet darauf hin, dass die Opfer direkt ins Visier genommen und getötet wurden." Es sei schwer vorstellbar, dass dies im Rahmen militärischer Kampfhandlungen geschehen sei. "Nach internationalem Recht ist das absichtliche, zielgerichtete Töten von Zivilisten ein Kriegsverbrechen."

Am Montag hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Butscha besucht und von einem "Völkermord" gesprochen. Auf Bildern aus der Stadt sind getötete Zivilisten zu sehen, deren Leichen zum Teil im Freien liegen. Bei einigen waren die Hände zusammengebunden.

Nach Erkenntnissen des US-Verteidigungsministeriums sind die russischen Streitkräfte für die Verbrechen in Butscha verantwortlich. "Ich denke, es ist ziemlich offensichtlich - nicht nur für uns, sondern für die Welt - dass russische Kräfte für die Gräueltaten in Butscha verantwortlich sind", sagte Pentagon-Sprecher John Kirby. Nach Großbritannien forderten auch die USA, Russland aus dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen auszuschließen.

Selenskyj versicherte, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden. "Die Zeit wird kommen, in der jeder Russe die ganze Wahrheit darüber erfahren wird, wer von seinen Mitbürgern (in der Ukraine) gemordet hat. Wer Befehle gegeben hat. Wer bei den Morden ein Auge zugedrückt hat", sagte der ukrainische Präsident. Er lud Journalisten aus der ganzen Welt ein, sich die zerstörten Städte anzusehen. "Lassen Sie die Welt sehen, was Russland getan hat!"

Wenige Tage nach Bekanntwerden des Massakers an Zivilisten bat unterdessen der Bürgermeister von Butscha um Hilfe. Er bitte insbesondere Ärzte und Mitarbeiter verschiedener Versorgungsunternehmen, nach Butscha zurückzukehren, sagte Anatoli Fedoruk in einer am Dienstag veröffentlichten Videobotschaft. Derzeit gebe es in dem Vorort der Hauptstadt Kiew weder Strom noch Gas, doch diese kritische Infrastruktur solle mithilfe von Spezialisten schnellstmöglich wieder hergestellt werden. "Wenn Sie können, kommen Sie zurück!"

"Meine Leute wurden aus Spaß oder aus Wut erschossen", sagte Fedoruk der italienischen Zeitung "Corriere della Sera". "Die Russen haben auf alles geschossen, was sich bewegt hat: Passanten, Leute auf Fahrrädern, Autos mit der Aufschrift "Kinder". Butscha ist die Rache der Russen für den ukrainischen Widerstand." Weil Russland militärisch nicht weitergekommen sei, "wurde eine Safari auf Zivilisten organisiert", meinte er. Teile der Stadt seien "in ein Konzentrationslager umgewandelt worden" ohne Essen und Wasser. "Wer sich da raus wagte, um Nahrung zu suchen, der wurde erschossen."

Moskau streitet das ab und behauptet, die Stadt am bereits am 30. März verlassen zu haben. Russland wirft den Ukrainern Vertuschung vor. Fedoruk etwa habe in seiner ersten Nachricht am 1. April über die Befreiung Butschas die vielen Leichen noch nicht erwähnt. "Absurd", sagte der Bürgermeister dazu dem "Corriere". "Die Stadt war über Wochen von der Außenwelt abgeschlossen. Erst als wir sie befreit hatten, konnten wir sehen, was passiert ist, und die Ausmaße des Horrors begreifen. Sobald ich das gesehen habe, hab ich es erzählt."

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko appellierte an die Politik in Europa, alle Geschäftsbeziehungen zu Russland zu kappen. "An jedem Euro, jedem Cent, den Sie aus Russland erhalten oder den Sie nach Russland schicken, klebt Blut, und dieses Blut ist ukrainisches Blut, das Blut des ukrainischen Volkes", sagt Klitschko in einer Videoschaltung zu einer Bürgermeister-Konferenz in Genf. Das, was in den Vororten Kiews wie etwa Butscha geschehen sei, sei "Völkermord an den Ukrainern". Klitschko sagt, er habe tote Zivilisten gesehen, darunter eine alte Frau, und ein Auto mit einer weißen Flagge und der Aufschrift "Kinder" auf der Außenseite. Das Auto sei zerschossen gewesen, im Inneren habe sich Blut befunden.

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