In der von russischen Truppen belagerten Hafenstadt Mariupol ist eine Rettung von Zivilisten nach ukrainischen Regierungsangaben am Mittwoch erneut gescheitert.
"Leider hat der humanitäre Korridor aus Mariupol heute nicht wie geplant funktioniert", teilte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk auf Telegram mit. Es habe keine Waffenruhe gegeben. Besonders gespannt ist die Lage um das Stahlwerk Azovstal, in dem sich nach ukrainischen Angaben auch 1000 Zivilisten aufhalten.
Die "unorganisierten Besatzer" hätten es nicht geschafft, die Menschen rechtzeitig zu dem vereinbarten Punkt zu bringen, "wo unsere Busse und Krankenwagen warteten", sagte Wereschtschuk. An diesem Donnerstag solle es einen neuen Versuch geben, Menschen aus der umkämpften Hafenstadt ins Gebiet Saporischschja in Sicherheit zu bringen.
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Das russische Verteidigungsministerium teilte am Abend mit, dass niemand über den Korridor das Stahlwerk verlassen habe. Die Kämpfer waren zuvor aufgefordert worden, die Waffen niederzulegen und sich in russische Gefangenschaft zu begeben. Das lehnen sie ab. Die prorussischen Separatisten des Gebiets Donezk sprachen unterdessen davon, dass sich knapp 130 Zivilisten aus einem Wohngebiet am Rande des umkämpften Stahlwerks in Sicherheit bringen konnten.
"Der Feind setzt den Beschuss fort, daher können unsere Zivilisten das Territorium nicht sicher verlassen", sagte der stellvertretende Kommandeur des Asow-Regiments, Swjatoslaw Palamar, in einer Videobotschaft. Er rief den Gegner auf, die versprochene Feuerpause einzuhalten.
Mariupol ist seit Anfang März komplett von russischen Truppen eingeschlossen. Von den einst 440.000 Einwohner sollen sich noch mehr als 100.000 in der weitgehend zerstörten Stadt aufhalten. Mehrere Versuche, die weitgehend zerstörte Stadt zu evakuieren, waren gescheitert.
Das russische Militär beschoss nach eigenen Angaben in der Nacht auf Mittwoch 1.053 ukrainische Militärstandorte. Dabei seien 106 Geschützstellungen zerstört worden, teilte das russische Verteidigungsministerium am Mittwoch mit.
Kiew: 500.000 Ukrainer nach Russland verschleppt
Russland hat nach Angaben eines führenden ukrainischen Abgeordneten rund 500.000 Menschen aus der Ukraine verschleppt. Mykyta Poturajew, der dem Ausschuss für humanitäre Fragen des Parlaments in Kiew vorsitzt, fordert das Rote Kreuz auf, mit diesen Menschen Kontakt aufzunehmen. "Eine halbe Million ukrainischer Bürgerinnen und Bürger sind aus der Ukraine in die Russische Föderation deportiert worden, ohne dass sie dem zugestimmt hätten", sagt Poturajew vor dem Europäischen Parlament in einer Video-Schaltung. Unglücklicherweise gebe es derzeit keine Möglichkeit, Kontakt zu ihnen herzustellen. Poturajew äußert sich besorgt über das Schicksal dieser Menschen.
Feind ist 10 zu 1 überlegen
"Der Feind ist uns 10 zu 1 überlegen", sagte der Kommandant der ukrainischen 36. Marineinfanteriebrigade, Serhij Wolyna, in einer am Mittwoch in der Früh auf Facebook veröffentlichten einminütigen Videobotschaft. "Wir appellieren an alle führenden Politiker der Welt, uns zu helfen." Russland habe Vorteile in der Luft, bei der Artillerie, den Bodentruppen, bei Ausrüstung und Panzern. Die ukrainische Seite verteidige nur ein Objekt, das Stahlwerk Asowstal, wo sich außer Militärs noch Zivilisten befänden. Die Soldaten, mehr als 500 verwundete Kämpfer und Hunderte Zivilisten sollten per Helikopter oder Schiff evakuiert werden, sagte Wolyna dem Sender CNN. "Das ist unser Appell an die Welt. Das könnte der letzte Appell unseres Lebens sein."
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