Während der Videokonferenz tönten die Alarmsirenen.
Ein Videogespräch der EU-Agrarminister mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Roman Leschenko ist wegen eines Bombenalarms in der Ukraine abgebrochen worden. Wie Frankreichs Agrarminister Julien Denormandie weiter mitteilte, war Leschenko zu einem Treffen der EU-Minister in Brüssel zugeschaltet, als an dessen Standort die Sirenen ertönten. Wo sich der Minister genau befand, während es zu dem Bombenalarm kam, wurde nicht mitgeteilt.
Während des Austauschs habe Leschenko um Lebensmittelhilfen und Unterstützung der ukrainischen Landwirtschaft gebeten. Es gehe etwa darum, das osteuropäische Land mit Saatgut zu unterstützen.
Frankreich hat derzeit turnusgemäß den Vorsitz unter den EU-Ländern inne. Der für Landwirtschaft zuständige EU-Kommissar Janusz Wojciechowski betonte, dass die ukrainischen Farmer jetzt besonders dringend Kraftstoff für die Frühjahrsaussaat benötigten. Die Ukraine ist ein für internationale Märkte wichtiger Erzeuger etwa von Weizen und Mais, aber auch von Sonnenblumenöl oder Raps.
Selenskyj: "Sponsert bitte nicht die Kriegsmaschine von Russland"
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Deutschen zu einem Boykott von russischem Gas und anderen Waren aufgerufen. "Ohne Handel mit Ihnen, ohne Ihre Unternehmen und Banken wird Russland kein Geld für diesen Krieg haben", sagte der 44-Jährige am Montag in einer in sozialen Netzwerken verbreiteten Videobotschaft. Niemand habe das Recht, Völker zu vernichten und Europa aufzuteilen.
"Sponsert bitte nicht die Kriegsmaschine von Russland", sagte Selenskyj weiter. Es dürfe keinen Euro für die Besatzer geben. Alle Häfen sollten für Russland geschlossen, keine Waren nach Russland geliefert und auf russische Energieressourcen verzichtet werden. Der ukrainische Präsident hatte sich erst in der Vorwoche in einer Videobotschaft an den Deutschen Bundestag gewandt. Dabei rief er den deutschen Kanzler Olaf Scholz dazu auf, im Kampf für die Ukraine eine Führungsrolle zu übernehmen und erinnerte an die Teilung Deutschlands.
Laut Angaben des Betreibers des ukrainischen Gastransportsystems sind seit Kriegsbeginn am 24. Februar knapp 2,5 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas in Richtung Westen gepumpt worden. Ähnlich wie Österreich ist auch Deutschland stark von russischen Gaslieferungen abhängig. Auch einen Ölboykott lehnt Berlin derzeit noch ab.
Mehrere Tote in Kiew, erster Angriff auf Odessa
In einem Vorort der ukrainischen Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer wird nach Angaben der Stadtverwaltung ein erster Angriff gemeldet. Ein Wohnhaus sei durch russischen Beschuss beschädigt worden. Todesopfer gebe es nicht. Beim Beschuss von mehreren Gebäuden im Westen von Kiew sind unterdessen acht Menschen getötet worden, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit. Die russische Luftwaffe beschoss eine Einrichtung des ukrainischen Militärs in der nordwestlichen Region Riwne.
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Bei dem russischen Angriff wurden nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau mehr als 80 Kämpfer getötet worden. Auf dem Truppenübungsplatz Nowa Ljubomyrka im Gebiet Riwne sei mit Raketen ein Zentrum zur Vorbereitung von Nationalisten und Söldnern zerstört worden, teilte das Ministerium am Montag mit. In einem Vorort von Kiew sei ein Stützpunkt der ukrainischen Streitkräfte eingenommen worden. Dabei hätten sich mehr als 60 Soldaten und Offiziere ergeben und in Gefangenschaft begeben. Überprüfbar waren die Angaben nicht.
Mehrere Wohnhäuser getroffen
In Kiew seien mehrere Wohnhäuser und ein Einkaufszentrum getroffen worden, erklärte Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko auf Telegram. Russische Truppen hätten Raketen eingesetzt, teilte die Generalstaatsanwaltschaft weiter mit. Bilder und Videos von der Angriffsstelle am nordwestlichen Stadtrand zeigten große Verwüstung. In dem Einkaufszentrum waren etwa herumliegende Schaufensterpuppen zu sehen und Einsatzkräfte, die den Brand löschen und Trümmerteile beseitigen. Klitschko zufolge wurden zudem sechs Wohnhäuser, zwei Schulen und ein Kindergarten beschädigt.
Klitschko kündigte für die ukrainische Hauptstadt eine weitere Ausgangssperre an - von Montag 20.00 Uhr Ortszeit bis Mittwochmorgen 07.00 Uhr. Geschäfte, Apotheken und Tankstellen würden am Dienstag geschlossen bleiben, so Klitschko.
Acht Fluchtkorridore eingerichtet
Für die umkämpften Gebiete in der Ukraine sollen am Montag acht Fluchtkorridore für Zivilisten eingerichtet werden. Die Korridore werden für Busse zur Evakuierung und zur Lieferung von Hilfsgütern genutzt, wie die ukrainische Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk am Montag sagte. Aus der Umgebung der belagerten Hafenstadt Mariupol sollen Menschen in die südostukrainische Großstadt Saporischschja gebracht werden. Aus den umkämpften Orten nördlich und östlich von Kiew ist demnach eine Evakuierung näher an die Hauptstadt geplant. Der Plan sieht zudem eine Evakuierung aus dem Großraum Sjewjerodonezk und Lyssytschansk im Luhansker Gebiet in die Stadt Bachmut in der benachbarten Region Donezk vor.
Russland wies erneut den Vorwurf der Ukraine zurück, seine Truppen würden die Evakuierung belagerter Städte verhindern. Es seien Lügen, dass die Soldaten es Zivilisten nicht erlaubten, über humanitäre Korridore ihre Städte zu verlassen, sagt der Sprecher des russischen Präsidialamtes, Dmitri Peskow. Vielmehr seien es ukrainische Nationalisten, die die Zivilisten daran hinderten.
Krieg vor dreieinhalb Wochen begonnen
Vor dreieinhalb Wochen hatte Russland einen Krieg gegen die Ukraine begonnen. UNO-Angaben nach wurden seitdem über 900 Zivilisten getötet. Mindestens 115 Kinder seien getötet und mehr als 140 Kinder verletzt worden, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit. Die meisten Opfer habe es in Kiew gegeben. Der Generalstaatsanwaltschaft zufolge wurden seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar etwa 530 Schulgebäude und Lehreinrichtungen angegriffen und beschädigt. 72 davon seien komplett zerstört worden. Diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Unterdessen wies der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj knapp 25 Tage nach Kriegsbeginn die russischen Soldaten auf vermeintlich falsche Vorstellungen vom Verlauf ihrer Invasion hin. "Sie suchen weiterhin nach den imaginären Nazis, vor denen sie angeblich unsere Leute schützen wollten und sie können noch immer keine Ukrainer finden, die sie mit Blumen empfangen", meinte Selenskyj in einer Videoansprache Montag früh.
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