Die ukrainische Armee geht laut Präsident Wolodymyr Selenskyj derzeit mit Gegenangriffen entlang der Front gegen die russischen Truppen vor.
Es fänden derzeit "Gegenoffensiv- und Defensiv-Aktionen" statt, er werde dazu aber "keine Einzelheiten" nennen, sagte Selenskyj am Samstag in Kiew. Es blieb unklar, ob sich Selenskyj auf die lang erwartete Gegenoffensive bezog, die das ukrainische Militär seit Monaten geplant und angekündigt hat.
Auf die Frage nach einem Kommentar zu Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin vom Freitag, wonach die Gegenoffensive der Ukraine begonnen habe, zuckte Selenskyj mit den Schultern und zog die Augenbrauen hoch. "Es ist interessant, was Putin über unsere Gegenoffensive gesagt hat. Es ist wichtig, dass Russland immer spürt, dass es meiner Meinung nach nicht mehr viel Zeit hat." Selenskyj ergänzte, er sei "täglich" in Kontakt mit Kommandanten. "Alle sind positiv eingestellt, sagen Sie das Putin", sagte er weiter.
Stillschweigen über ihre Großoffensive verkündet
Die ukrainische Seite hatte Stillschweigen über ihre Großoffensive verkündet. Putin hatte erklärt, für den Beginn der Gegenoffensive spreche der Einsatz der strategischen Reserve. Die ukrainischen Soldaten hätten bisher aber keinen Erfolg. Das russische Verteidigungsministerium erklärte am Samstag, ukrainische Soldaten hätten in den südlichen Regionen Donezk und Saporischschja sowie in der Gegend um Bachmut im Osten vergeblich versucht, vorzustoßen.
Die Angaben aus der Ukraine unterscheiden sich. Nach Angaben des Militärs sind die ukrainischen Truppen an einigen Stellen bis zu 1,4 Kilometer vorgerückt. "Wir versuchen den Feind anzugreifen, wir machen Gegenangriffe", hatte der Sprecher des Kommandos Ost am Samstag zuvor gesagt. Die russischen Truppen starteten ebenfalls Angriffe, hätten aber keinen Erfolg gehabt. Angaben zum Kriegsverlauf lassen sich größtenteils nicht unabhängig überprüfen.
Gegenangriffe an mehreren Frontabschnitten
Nach Angaben des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) führte die Ukraine an mindestens vier Frontabschnitten Gegenangriffe durch. Gefechte haben demnach in der Nähe der Stadt Bachmut, bei der Stadt Kreminna, im Südwesten der Region Donezk sowie im Westen der Region Saporischschja stattgefunden, hieß es im jüngsten Lagebericht vom Freitag (Ortszeit) unter Berufung auf Angaben aus Kiew, Moskau und von russischen Militärbloggern.
Auch Großbritannien geht von militärischen Fortschritten der Streitkräfte des angegriffenen Landes aus. In den vergangenen 48 Stunden habe es wichtige ukrainische Militäroperationen im Osten und Süden des Landes gegeben, teilte das britische Verteidigungsministerium am Samstag mit. Während in einigen Gegenden gute Fortschritte erzielt und die erste russische Verteidigungslinie durchbrochen worden seien, gehe es für die Ukrainer anderswo langsamer voran. Auf russischer Seite hätte es wohl einige glaubwürdige Verteidigungseinsätze gegeben. Andere Einheiten hingegen hätten sich in einiger Unordnung zurückgezogen. Dabei häuften sich Berichte über Opfer unter den russischen Truppen beim Rückzug durch eigene Minenfelder.
Russischer Luftangriff auf Odessa
Außerdem berichteten die Briten in ihrem täglichen Geheimdienst-Update davon, dass die russische Luftwaffe über der Südukraine ungewöhnlich aktiv gewesen sei. Bei einem russischen Luftangriff auf die Schwarzmeer-Hafenstadt Odessa wurden nach ukrainischen Angaben drei Zivilisten getötet. Trümmer einer abgeschossenen Drohne seien in der Nacht auf Samstag auf einen Wohnblock gestürzt und hätten einen Brand ausgelöst, teilte das ukrainische Militär mit. Den Rettungskräften zufolge wurden 27 Menschen verletzt, darunter drei Kinder.
Das Feuer sei rasch gelöscht worden. Die ukrainische Luftwaffe teilte später mit, dass Russland insgesamt 35 Drohnen und acht Raketen auf Ziele in der Ukraine gelenkt habe. 20 Drohnen des iranischen Typs Shahed und zwei ballistische Raketen seien abgeschossen worden. Die russischen Angriffe richteten sich demnach neben Odessa auch gegen Ziele in der Region Poltawa und in Charkiw. Dabei sei es zu "einigen Schäden an Infrastruktur und Ausrüstung" auf dem Militärflugplatz Myrhorod gekommen, teilte Regionalgouverneur Dmytro Lunin auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit.