Der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, hat russischen Truppen vorgeworfen, inmitten der heftigen Kämpfe um die ukrainische Stadt Bachmut aus ihren Stellungen geflohen zu sein.
"Heute ist eine der Einheiten des Verteidigungsministeriums von einer unserer Flanken geflohen", sagte Prigoschin in einer Video-Botschaft am Dienstag, während Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau die Militärparade zum Gedenken an den Sieg über Nazi-Deutschland abnahm.
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Der Wagner-Chef prangerte an, dass die russischen Soldaten in Bachmut ihre Positionen verlassen und damit die Front ungesichert zurückgelassen hätten. Mit harschen Worten stellte Prigoschin zudem die Fähigkeit des russischen Staates in Frage, das Land zu verteidigen, während sich die Ukraine auf eine Frühjahrsoffensive vorbereite. "Warum ist der Staat nicht in der Lage, sein Land zu verteidigen?" fragte Prigoschin in dem im Online-Dienst Telegram veröffentlichten Video und fügte hinzu, dass die Ukraine russische Grenzregionen "erfolgreich" angreife. "Der Tag des Sieges ist der Tag des Sieges unserer Großväter. Wir haben diesen Sieg noch mit keinem Millimeter verdient", sagte Prigoschin mit Blick auf die Veranstaltung.
Russische Soldaten würden aus der Armee "fliehen", weil das Verteidigungsministerium "statt zu kämpfen die ganze Zeit mit Intrigen beschäftigt" sei. Ihm zufolge will die russische Militärführung Putin "täuschen". Außerdem habe man die vom russischen Verteidigungsministerium versprochenen Munitionslieferungen für die Front in der Ostukraine noch nicht erhalten. Insgesamt sei auch nur die Hälfte der angefragten Positionen bewilligt worden und davon nur ein Bruchteil der jeweils angefragten Munitionsmenge, klagte Prigoschin auf Telegram.
Offener Konflikt
Prigoschin trägt seit längerem einen offenen Konflikt mit der russischen Militärführung aus, der er auch vorwirft, seinen Männern nicht genug Munition zu liefern. Er hatte deshalb angekündigt, seine Truppen am 10. Mai aus Bachmut abzuziehen. Dies bekräftigte er im Prinzip am Dienstag, wobei er darauf verwies, dass die Wagner-Söldner bisher "nur zehn Prozent" der Munition erhalten hätten, die sie angefordert hätten. Allerdings schien er einen Rückzug um einige Tage nach hinten zu verschieben: "Wir werden noch einige Tage bleiben, wir werden trotz allem kämpfen."
In den russisch besetzten Gebieten in der Ostukraine droht nach britischen Erkenntnissen ein Wassermangel. "Wasserknappheit ist seit der russischen Invasion in der Ukraine im Jahr 2022 ein wachsendes Problem für das von Russland besetzte Donezk", teilte das britische Verteidigungsministerium am Dienstag in seinem täglichen Geheimdienstbericht mit und verwies auf Aussagen der Machthaber in der selbst ernannten Volksrepublik Donezk.
So sei der Siwerskyj-Donez-Kanal, der die Region hauptsächlich versorge, weiterhin weitgehend in ukrainischer Hand. "Russische Kräfte haben wahrscheinlich versucht, den Kanal zu sichern, um die Wasserknappheit in Donezk zu verringern", hieß es in London. Allerdings habe der massive russische Artillerieeinsatz im Kampf um die Stadt Bachmut vermutlich auch den Kanal, der durch die westlich gelegene Stadt Tschassiw Jar verläuft, und andere Wasserinfrastruktur beschädigt. Russland untergrabe damit seine eigenen Bemühungen, den selbst verursachten Wassermangel zu beheben, hieß es vom britischen Ministerium.
"Um den mangelnden Erfolg bei der Eroberung und Kontrolle des Kanals auszugleichen, baut Russland wahrscheinlich eine Wasserleitung, um die Wasserknappheit in der Stadt Donezk zu verringern", hieß es in London weiter. "Allerdings ist es höchst unwahrscheinlich, dass damit der eingeschränkte Zugang zu Wasser in den besetzten Regionen vollständig kompensiert werden kann."
Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor.
Die Ukraine hat nach eigenen Angaben eine nächtliche Angriffswelle weitgehend abgewehrt. Die Luftabwehr habe 23 von 25 Raketen zerstören können, die hauptsächlich auf Kiew gerichtet gewesen seien, teilen die Behörden mit. Es habe keine Opfer und wenig Schäden gegeben. "Wie an der Front ist der Plan des Aggressors nicht aufgegangen", schreibt der Chef der Militärverwaltung der Hauptstadt, Serhij Popko, auf Telegram. Er bringt die neue Angriffswelle in Zusammenhang mit den am Dienstag in Moskau anstehenden Feierlichkeiten zum Gedenken an den Sieg über Nazi-Deutschland 1945. Russland versuche, an diesem für das Land "heiligen" Tag "so viele Zivilisten zu töten wie möglich".
Der 9. Mai gilt Russland dieses Jahr als besonders symbolträchtig, weil Präsident Wladimir Putin die Invasion der Ukraine ursprünglich mit dem Ziel begründet hat, dort angeblich eine Art neuen Faschismus bekämpfen zu wollen. Die Regierung in Kiew und ihre Verbündeten weisen dies zurück und werfen Russland vor, einen Angriffskriegs gegen das Nachbarland zu führen.