Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt die Orban-Politik.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Ungarn wegen der Inhaftierung und Abschiebung von zwei Bangladeschern nach Serbien verurteilt. Budapest muss den Klägern jeweils 10.000 Euro Entschädigung zahlen, heißt es in dem Urteil vom Dienstag aus Straßburg. Ungarns Regierung bezeichnete das Urteil als "unfassbar", weil Ungarn dafür bezahlen solle, dass es "die Grenzen Europas schützt".
Freiheitsentzug
Die Asylbewerber waren im September 2015 über die Balkanroute nach Ungarn gekommen. In dem Grenzort Röszke wurden sie 23 Tage in einem bewachten Transitzentrum untergebracht, zu dem auch ihr Anwalt dem Gerichtshof zufolge keinen Zugang hatte. "Das lief faktisch auf einen Freiheitsentzug hinaus", heißt es in dem Urteil. Für diese Inhaftierung habe es an einer rechtlichen Grundlage gefehlt.
Der Gerichtshof rügte zudem, dass die ungarischen Behörden die Asylanträge nicht individuell geprüft hätten. Diese hätten lediglich schematisch auf die Liste sicherer Drittstaaten verwiesen. Warum Ungarn Serbien seit Juli 2015 als sicher betrachte, habe die Regierung nicht überzeugend erklärt. Das Asylverfahren habe die Kläger damit dem Risiko ausgesetzt, bis nach Griechenland zurückgeschoben zu werden - dort aber hätten sie "menschenverachtende und entwürdigende Aufnahmebedingungen" erwarten können.
Ungarn wehrt sich
Die ungarische Regierung lehnte das Urteil kategorisch ab. "Es ist unfassbar, dass wir dafür bezahlen sollen, dass Ungarn (...) nicht nur die eigenen, sondern auch die Grenzen Europas schützt", hieß es in einer Stellungnahme, die das Regierungspresseamt dem Internet-Portal "hvg.hu" übermittelte.
Ungarn schottet sich seit Herbst 2015 mit Stacheldrahtzäunen an den Grenzen zu Serbien und Kroatien gegen Flüchtlinge ab. Erst vergangene Woche hatte das ungarische Parlament ein Gesetz verabschiedet, wonach alle Flüchtlinge in einer Transitzone in Grenznähe festgehalten werden sollen, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist.
Das ungarische Helsinki-Komitee, das die beiden Kläger in Straßburg vertreten hatte, sieht das Urteil auch aus diesem Grund als wegweisend an. "Vielleicht erging es noch rechtzeitig, damit diese Regelung, die noch grausamer ist als alle vorherigen, doch nicht in Kraft tritt", schrieb das Komitee auf seiner Facebook-Seite. Budapest kann gegen das Urteil noch Rechtsmittel einlegen (Beschwerde-Nr. 47287/15).
Tatsächlich hat Staatspräsident Janos Ader das neue Gesetz noch nicht gegengezeichnet. Er hat unter anderen die Möglichkeit, es vom Verfassungsgericht prüfen zu lassen.