Bettina Rohrer sammelt Spenden und hilft in Nepal direkt, wo die Not am größten ist.
Langsam, viel zu langsam läuft die Hilfe für die Betroffenen der Erdbebenkatastrophe in Nepal an, erzählt die Wienerin Betty Rohrer. „Seit Samstag ist noch niemand zu uns gekommen, weder von der Regierung noch von den internationalen Hilfsorganisationen“, klagt sie im Gespräch mit ÖSTERREICH.
Dabei lebt sie nicht in einem abgelegenen Bergdorf, sondern in Patan, einem Vorort der Hauptstadt Kathmandu. „Ich lebe zwanzig Minuten von Kathmandu entfernt, es ist sehr leicht, hierherzukommen.“ Noch gebe es keine Hamsterkäufe, auch wenn Trinkwasser und Nahrungsmittel immer knapper werden. Die Bevölkerung hofft auf Besserung, die Nepalesen helfen einander, wo die Regierung versagt.
Private Spendengelder für HIV-positive Waisenkinder
Die ehemalige Verlagsmitarbeiterin Rohrer engagiert sich unermüdlich in Nepal, arbeitet mehrere Monate im Jahr in einem Waisenhaus für HIV-positive Kinder und in einem Heim für geistig und körperlich Behinderte. Auf eigene Faust hat sie ihre eigene Hilfsinitiative aufgebaut.
Privat sammelt sie in Österreich Spenden, Hilfsgüter, Medikamente. Zwei Mal im Jahr bringt sie sie nach Nepal und packt selbst mit an.
"Am Land holt keiner die Leichen aus den Trümmern"
Rohrer erlebte das Beben auf dem Weg zu einem Hilfsprogramm für Frauen. Unbeschreiblich sei der Anblick der Zerstörung gewesen. In der Region um Banskara, das unmittelbar beim Zentrum des verheerenden Bebens (Stärke 7,8) liegt, seien die Gebäude wie Kartenhäuser zusammengebrochen. „Niemand holt die Leichen und die toten Tiere aus den Trümmern“, ist Rohrer entsetzt.
Sie setzt ihre Arbeit fort, trotz und wegen des grenzenlosen Leids um sie herum: „Die Leute haben Angst, dass ihre Häuser jetzt noch einstürzen. Die meisten leben im Freien, aber es ist kalt und es wurde Regen vorhergesagt.“
Pläne
Jetzt will die Austro-Heldin dauerhaft Hilfe dorthin bringen, wohin bislang noch kaum jemand vorgedrungen ist. In den kommenden Wochen plant Rohrer, in Österreich für Nepal zu sammeln: „Ich will in eine der abgelegenen Regionen, um Decken, Nahrung und Medikamente in das Dorf Vurunga bringen“, kündigt sie an.
(küe)
Betty Rohrer: "Es gibt kein Brot mehr"
ÖSTERREICH: Frau Rohrer, wie schwierig ist Ihre Situation in Nepal derzeit?
Betty Rohrer: Seit Samstag ist noch niemand zu uns gekommen, weder von der Regierung noch von den internationalen Hilfsorganisationen. Die Einrichtungen, für die ich mich einsetze, sind zum Glück nicht eingestürzt, den Kindern geht es auch gut. Regionale Medien berichten schon über Seuchengefahr durch verschmutztes Wasser, noch ist es hier dazu aber nicht gekommen.
ÖSTERREICH: Die Versorgung ist also unsicher?
Rohrer: Man muss ganz früh in die Geschäfte gehen, um noch etwas zu bekommen. Gestern habe ich das letzte Wasser gekauft, Brot gibt es sowieso keines. Ich habe in den letzten Tagen mit vielen Menschen gesprochen, sie haben so wie ich noch keine Verteilung von Nahrung oder Ähnlichem gesehen. Die Menschen leben jetzt in improvisierten Zelten, in Schlamm und Dreck. Es ist furchtbar.
ÖSTERREICH: Haben Sie Nachrichten aus den ländlichen Gegenden Nepals?
Rohrer: Ja, es ist dramatisch. Mein Freund saß während des Bebens im Bus von seinem Heimatdorf nach Kathmandu. Weil er nicht weiterfahren konnte, musste er zwei Tage zu Fuß weiter. Ich wusste selbst zunächst nicht, wie es ihm ergangen ist. Er weiß bis jetzt noch nicht, ob sein Dorf noch steht, ob seine Mutter und Schwester noch am Leben sind.
ÖSTERREICH: Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag mit den nepalesischen Kindern aus?
Rohrer: Um 10 Uhr holen wir die Kinder mit Behinderung bei ihren Familien ab. Viele können nicht sprechen oder nicht gehen. Sie haben tagsüber Unterricht, können spielen, handwerklich arbeiten. Ich verbringe den Tag mit ihnen, trage sie, bringe sie auf die Toilette.
Interview: Erik Kühnelt
VIDEO: Erdbebenhilfe erreicht entlegene Region Gorkha