Breitbart-Interview
US-Botschafter: Wirbel nach "Rockstar"-Sager über Kurz
04.06.2018
Der neue US-Botschafter in Berlin löst bereits jetzt diplomatischen Unmut in Deutschland aus.
Der US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, hat mit einem Interview mit der rechtskonservativen US-Internetseite Breitbart scharfe Kritik in Deutschland ausgelöst. Darin betonte er nach Angaben der Internetseite, dass er andere Konservative in ganz Europa stärken wolle. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bezeichnete Grenell als "Rockstar", von dem er ein "großer Fan" sei.
"Wir haben die US-Seite um Aufklärung gebeten und ob sie tatsächlich so gefallen sind, wie sie wiedergegeben werden", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag in Berlin. Kommenden Mittwoch werde der Botschafter zu seinem Antrittsbesuch erwartet. Dann werde es Gelegenheit geben zu erörtern, wie die Äußerungen zu verstehen seien.
Keine Einmischung
Nach diplomatischen Gepflogenheiten werden Vorlieben für bestimmte politische Parteien oder Bewegungen nicht öffentlich gezeigt. Dies gilt als Einmischung in innenpolitische Angelegenheiten.
Grenell hatte der ultrakonservativen Plattform gesagt: "Ich denke, die Wahl von Donald Trump hat die Menschen befähigt zu sagen, dass sie es einfach nicht zulassen können, dass die politische Klasse (in Europa) vor einer Wahl entscheidet, wer diese gewinnt und wer kandidiert." Er fügte an, er sei von einer Reihe von Konservativen in Europa kontaktiert worden. "Ich möchte unbedingt andere Konservative in ganz Europa stärken", sagte er. Der Aufschwung konservativer Ideen sei durch ein Scheitern linker Konzepte zu erklären.
Harsche Kritik aus Deutschland
SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel twitterte: "Europas Bürgerinnen und Bürger lassen sich von einem Trump-Vasallen nicht sagen, wie sie wählen sollen. Ein US-Botschafter, der sich derart in demokratische Auseinandersetzungen einmischt, ist einfach fehl am Platz."
"Es wäre gut, rechtzeitig gegenüber dem US-Außenminister das Verhalten eines hochrangigen Entsandten anzusprechen", sagte SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich der Nachrichtenagentur Reuters. "Es ist definitiv nicht die Aufgabe des Botschafters, sich in die politischen Angelegenheiten des Gastlandes einzumischen. Das sollte er schnell lernen", sagte der außenpolitische Sprecher der FDP, Bijan Djir-Sarai zu Reuters.
"Offensichtlich versteht sich der US-Botschafter als verlängerter Arm einer rechtskonservativen Weltbewegung", sagte SPD-Politiker Mützenich. "Ein solches Amtsverständnis und Auftreten widerspricht den Vorschriften des Wiener Übereinkommens, wonach Diplomaten sich nicht in die inneren Verhältnisse eines Landes einmischen dürfen, und dem guten Benehmen." Es habe bereits vor der Bestätigung von Grenell als Botschafter in Deutschland Vorbehalte gegeben. "Diese haben sich in kurzer Zeit bewahrheitet", kritisierte der SPD-Politiker.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil twitterte auf englisch: "Ich weiß, das Sie noch neu auf Ihrem Posten sind, aber es ist nicht Teil der Jobbeschreibung als Botschafter, in die Politik des Gastlandes einzugreifen, Herr Grenell. Danke schön."
Grün-Politiker: Das ist schon sein zweiter Lapsus
Zurückhaltender äußerte sich der außenpolitische Sprecher der Union, Jürgen Hardt. "Es steht mir nicht zu, dem neuen US-Botschafter vorzuschreiben, wie er sein Amt ausübt oder mit welchen Medien er in Kontakt tritt", sagte der CDU-Politiker zu Reuters. Es gebe auf der transatlantischen Agenda wichtige Themen, die nun rasch und seriös besprochen werden müssen, etwa in der Nahost- und in der Handelspolitik. "Ich wünsche mir, dass der neue US-Botschafter seine ganze Energie dafür einsetzt, diese enge Abstimmung zu unterstützen", sagte Hardt.
Der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer twitterte, dass Grenell in Berlin nicht sehr effektiv arbeiten werde, wenn er seine Rolle missverstehe. Dies sei schon sein zweiter Lapsus. Grenell hatte bereits kurz nach seine Amtsantritt Kritik deutscher Politiker und Unternehmensvertreter ausgelöst, als er deutsche Firmen aufgefordert hatte, sich aus dem Iran-Geschäft zurückzuziehen. Hintergrund ist der transatlantische Streit über das Atomabkommen mit Iran
Merkel nimmt Aktivitäten des US-Botschafters "zur Kenntnis"
Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ausweichend darauf reagiert, dass US-Botschafter Richard Grenell den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei dessen Berlin-Besuch empfängt. "Ich habe das wie vieles andere auch zur Kenntnis genommen", sagte Merkel am Montag in Berlin. Sie werde es aber nicht kommentieren, fügte sie hinzu und verwies auf eine Prüfung des Auswärtigen Amtes.
Kurz zum Mittagessen bei Grenell
"Kanzler Kurz wird in Berlin sein, und der Botschafter wird ihn auf Bitte der österreichischen Seite treffen", sagte der Sprecher der US-Botschaft, Bill Martin, zu Reuters. Zuvor hatte Spiegel Online berichtet, dass Grenell den konservativen Politiker bei dessen Besuch am 12. Juni in Berlin zu einem Essen eingeladen habe.
Österreichs Regierungssprecher bestätigte auf APA-Anfrage das geplante Mittagessen bei Grenell in Berlin. "Es gilt insbesondere in Zeiten wie diesen mit den engsten Vertrauten des US-Präsidenten Kontakt zu halten, vor allem zu Fragen wie der Handelspolitik und der transatlantischen Beziehungen", heißt es in einer der APA übermittelten Erklärung. Das Treffen von Kurz mit Grenell finde auf beiderseitigen Wunsch statt, hieß es aus dem Bundeskanzleramt in Wien.
Auch Netanyahu traf sich mit Grenell
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu bestätigte in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel, dass Grenell ihn gebeten haben, ihn am Flughafen zu treffen. Er sei dieser Bitte nachgekommen. "Wir respektieren die Regierung der Bundesrepublik Deutschland", betonte er. Man dürfe nicht zuviel Bedeutung in sein Treffen mit dem US-Botschafter hineininterpretieren. Sowohl US-Präsident Donald Trump als auch Netanyahu lehnen das Atomabkommen mit dem Iran ab, an dem aber Deutschland und die anderen Unterzeichnerstaaten festhalten.