Wanzen in EU-Büros angebracht. Parlamentspräsident Schulz: "Riesenskandal".
Mit Empörung haben die Spitzen der EU auf Berichte über Spionage durch den US-Geheimdienst NSA reagiert und eine Erklärung von Washington verlangt. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zeigte sich am Samstagabend "zutiefst besorgt und schockiert" angesichts der "Spiegel"-Berichte über eine Ausspähung von EU-Einrichtungen und warnte vor negativen Folgen für die Beziehungen zwischen Brüssel und Washington. Die EU setzte sich mit den US-Behörden in Verbindung und forderte Aufklärung.
Abhör-Wanzen in EU-Gebäude Sollten sich die Vorwürfe als wahr herausstellen, wäre das eine "äußerst ernste Angelegenheit, die schwerwiegende Auswirkungen auf die EU-US-Beziehungen hätte", erklärte Schulz. Er fordere im Namen des Europaparlaments von den US-Behörden eine "umfassende Aufklärung und rasche weitere Informationen" zu den Vorwürfen.
Das Magazin "Der Spiegel" hatte am Samstag vorab unter Berufung auf Dokumente des flüchtigen IT-Spezialisten Edward Snowden berichtet, die NSA habe in EU-Vertretungen in Washington, New York und Brüssel unter anderem Wanzen installiert. In einem als "streng geheim" eingestuften Papier der NSA vom September 2010 wird demnach beschrieben, wie der Geheimdienst die EU-Vertretung in Washington attackiert. Dabei soll auch das interne Computernetzwerk infiltriert worden sein. Ebenso sei auch gegen die EU-Vertretung bei der UNO vorgegangen worden.
Keine Überraschung Wenig überrascht zeigte sich der sozialdemokratische Fraktionschef im Europaparlament, Hannes Swoboda. "Wenn es stimmt, dass die NSA auch die EU-Mission in Washington ausspioniert hat, dann ist das keine Überraschung, aber trotzdem empörend", teilte der SPÖ-Politiker am Samstagabend über Twitter mit.
In einem wenige Minuten später veröffentlichten Twitter-Eintrag fügte Swoboda sarkastisch hinzu: "Die EU-Kommission soll nun ihr Mandat für die EU-US-Handelsgespräche veröffentlichen, da die USA es bereits durch die NSA-Spionage kennen." Das Mandat, mit dem die EU-Kommission Freihandelsgespräche mit den USA führen soll, wurde Mitte Juni von den Regierungen der Mitgliedsstaaten beschlossen worden.
Außer Kontrolle Die EU-Kommission erklärte, die US-Behörden in Washington sowie Vertretungen in Brüssel seien umgehend nach Bekanntwerden mit dem Inhalt der Berichte konfrontiert worden. Die US-Vertreter hätten zugesagt, die veröffentlichten "Informationen zu prüfen und sich wieder an uns zu wenden". Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn erklärte, die US-Spionage sei offenbar "außer Kontrolle" geraten. Die USA seien besser damit beraten, ihre Geheimdienste zu überwachen, "statt ihre Verbündeten".
Dem "Spiegel" zufolge ist die NSA offenbar auch für einen Lauschangriff in Brüssel vor einigen Jahren verantwortlich. Dort seien EU-Sicherheitsexperten mehrere fehlgeschlagene Anrufe aufgefallen, deren Spur ins NATO-Hauptquartier im Brüsseler Vorort Evere zurückverfolgt worden sei. Sie stammten offenbar aus einem gesonderten Bereich der NATO-Einrichtung, der von NSA-Experten genutzt wird.
Jagd auf Snowden Unterdessen ging das Tauziehen um Snowden weiter, der von den US-Behörden wegen Spionage per Haftbefehl gesucht wird. Er hatte vor einigen Wochen groß angelegte Ausspähprogramme des US- und des britischen Geheimdienstes öffentlich gemacht. Der IT-Spezialist soll sich im Transitbereich eines Moskauer Flughafens aufhalten. In Ecuador hat er politisches Asyl beantragt.
Ecuadors Präsident Rafael Correa wies die Verantwortung Russland zu: Um Snowdens Asylantrag bearbeiten zu können, müsse er sich auf ecuadorianischem Boden befinden, sagte er im Fernsehen. Derzeit liege der Fall aber "in den Händen der russischen Behörden". Zuvor hatte Correa erklärt, US-Vizepräsident Joe Biden habe ihm am Freitag mitgeteilt, dass die USA von Ecuador eine Ablehnung des Asylantrags erwarteten.
Der Kreml sieht allerdings trotz wiederholter Aufforderungen aus den USA keinen akuten Handlungsbedarf. "De jure ist Snowden nicht nach Russland eingereist, er hat die Grenze nicht überquert", sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, am Sonntag dem Radiosender Echo Moskwy. Putin beschäftige sich nicht mit dem Schicksal des 30-Jährigen, der seit einer Woche im Transitbereich des Flughafens Scheremetjewo festsitzt, behauptete Peskow. Der Präsident gehe davon aus, dass sich die Geheimdienste darum kümmern.
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