Nach elf gescheiterten Bewerbungen bei der Wahl zum Vorsitzenden des US-Abgeordnetenhauses konnte McCarthy am Dreikönigstag 14 der 21 Rebellen auf seine Seite ziehen.
Washington. Im internen Machtkampf der US-Republikaner ist Parteianführer Kevin McCarthy am Dreikönigstag ein möglicherweise entscheidender Schlag gegen seine Gegner gelungen. Nach elf gescheiterten Bewerbungen bei der Wahl zum Vorsitzenden des US-Abgeordnetenhauses konnte McCarthy im zwölften Wahlgang den Großteil der bisherigen Rebellen auf seine Seite ziehen. Allerdings verpasste er auch in diesem und dem folgenden 13. Wahlgang die erforderliche absolute Mehrheit zur Wahl.
Nachdem seit Dienstag beständig rund 20 Republikaner für Gegenkandidaten votiert hatten, konnte McCarthy die Zahl der Gegenstimmen im ersten Wahlgang des Freitags auf sieben drücken. Im 13. Wahlgang wechselte ein weiterer Rebell die Seite. Weil sich McCarthy aber wegen der knappen Mehrheit der Republikaner in der großen Parlamentskammer nur vier Abweichler leisten konnte, scheiterte er neuerlich.
Um gewählt zu werden, braucht es 218 der 435 Stimmen im Abgeordnetenhaus. Im zwölften Wahlgang erreichte McCarthy 213 Stimmen, im 13. dann 214. Damit überholte er erstmals Demokraten-Chef Hakeem Jeffries, der in den elf Wahlgängen der Vortage dank der geschlossenen Unterstützung seiner 212-köpfigen Fraktion jeweils Erster geworden war.
Optimistisch in den vierten Wahltag gegangen
McCarthy war optimistisch in den vierten Wahltag gegangen. "Wir werden Fortschritte machen, wir werden Sie schockieren", sagte er vor Beginn der Sitzung. US-Medien spekulierten, dass McCarthy nun die Wahlregeln ändern lassen könnte, damit schon die relative Mehrheit für die Wahl des Parlamentspräsidenten ausreicht. Dies würde den verbliebenen Rebellen das Erpressungspotenzial nehmen. Allerdings müsste sich für eine solche Regeländerung eine Mehrheit finden.
Der 57-Jährige war seinen Gegnerinnen und Gegner immer weiter entgegen gekommen und hat sich damit auch erpressbar gemacht. Die radikalen Parteirebellen, die in weiten Teilen glühende Anhänger des ehemaligen Präsidenten Donald Trump sind, hatten die Änderung interner Verfahrensregeln im Kongress gefordert. Mit diesen Anpassung würde ihre Macht im Parlament gestärkt. "Vor allem aber scheinen McCarthys hartnäckigste Gegner darauf aus zu sein, ihn zu Fall zu bringen", urteilte die "New York Times".
Am Donnerstag stimmten trotz weiterer Zugeständnisse wie schon zuvor 20 Republikaner hartnäckig für alternative Kandidaten aus ihrer Partei. Der republikanische Fraktionschef redete die interne Revolte gegen ihn immer wieder öffentlich klein und wies Vorwürfe zurück, dass ihn der Aufstand in den eigenen Reihen schwäche. Mit Blick auf das historische Ausmaß des Dramas sagte er: "Ich mag es, Geschichte zu schreiben." Er halte schließlich auch schon den Rekord für die längste Rede im Repräsentantenhaus.
Mehr Wahlgänge gab es zuletzt nur 1859/1860
Die aktuelle Abstimmung über den Spitzenposten gehört bereits jetzt zu den längsten in der US-Geschichte. Seit dem 19. Jahrhundert haben die Abgeordneten im Repräsentantenhaus nicht mehr so viele Anläufe gebraucht, um einen neuen Vorsitzenden zu wählen wie derzeit. Mehr Wahlgänge gab es zuletzt nur 1859/1860. Damals wurde der Republikaner William Pennington erst im 44. Wahlgang zum Vorsitzenden der Kongresskammer gewählt. Das Prozedere dauerte damals mehrere Wochen.
Das Tauziehen hatte am Dienstag begonnen, als das Abgeordnetenhaus war zu seiner konstituierenden Sitzung nach der Parlamentswahl im November zusammengekommen war. Die Republikaner übernahmen wieder die Kontrolle in der Kongresskammer, wenn auch nur mit ganz knapper Mehrheit. Doch anstatt ihre neue politische Stärke zu demonstrieren, stürzte die Partei die Kammer in Chaos und brachte die Arbeit des Parlaments zum Stillstand. Denn bis der Vorsitz geklärt ist, geht im Repräsentantenhaus gar nichts: Die Kammer kann ihre Arbeit nicht aufnehmen. Nicht mal die bei neuen Abgeordneten können vereidigt werden. An gesetzgeberische Arbeit ist erst gar nicht zu denken.
Chaotische Zustände
Die chaotischen Zustände in der amerikanischen Demokratie fallen ausgerechnet in eine Zeit, in der das Land an die beispiellose Attacke auf das US-Kapitol erinnert. Der brutale Angriff auf den Parlamentssitz jährte sich am Freitag zum zweiten Mal. An einer Gedenkveranstaltung nahmen zwar führende Vertreter der Demokraten wie Ex-Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi und Fraktionschef Jeffries teil, aber keine Spitzenvertreter der Republikaner.
Anhänger Trumps hatten am 6. Jänner 2021 gewaltsam das Kongressgebäude in der Hauptstadt Washington erstürmt. Dort war der Kongress damals zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Biden bei der Präsidentenwahl formal zu bestätigen. Trump hatte seine Anhänger zuvor bei einer Rede damit aufgewiegelt, er sei durch massiven Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden. Als Folge der Krawalle kamen fünf Menschen ums Leben.