Obama bestellt Bundesbeamte für Donnerstag zum Dienst.
Die Budgetkrise in den USA ist vorläufig beendet. US-Präsident Barack Obama hat in der Nacht auf Donnerstag den vom Kongress beschlossenen Finanzkompromiss unterzeichnet und so den drohenden Staatsbankrott abgewendet. Damit ist auch der seit 16 Tagen andauernde Verwaltungsstillstand der US-Bundesbehörden ("Government Shutdown") vorbei.
Demokraten und Republikaner hatten sich wenige Stunden vor dem Ablauf der Frist zur Anhebung der Schuldenobergrenze auf den Kompromiss verständigt. Dieser sieht ein Übergangsbudget bis 15. Jänner und eine neue Schuldenobergrenze bis 7. Februar vor. Der Kompromiss wurde dann am Mittwochabend von Senat und Repräsentantenhaus im Eilverfahren beschlossen. Kurz nach Mitternacht teilte das Weiße Haus mit, dass die Vorlage von Obama beurkundet wurde. Bereits zuvor hatte die US-Regierung die Anfang Oktober wegen des Budgetstreits auf Zwangsurlaub geschickten hunderttausenden Bundesbeamten wieder an ihre Arbeitsplätze beordert. Sie sollen bereits am heutigen Donnerstag zu arbeiten beginnen.
Die entscheidende Hürde nahm das Papier im Abgeordnetenhaus, wo der rechte Flügel der Republikaner tragfähige Kompromisse wochenlang blockiert hatte. Mit 285 zu 144 Stimmen gab die Kammer grünes Licht für den Kompromiss, der das Tauziehen um die Finanzen der weltgrößten Volkswirtschaft vorerst beendet. 87 Republikaner stimmten für das Papier, insgesamt waren 216 Ja-Stimmen notwendig. Wenige Stunden zuvor hatte der Senat den Entwurf mit klarer Mehrheit gebilligt.
Einigung in letzter Minute
Die Einigung kam wenige Stunden vor der Frist zur Anhebung des Schuldenlimits von derzeit 16,7 Billionen Dollar (12,3 Billionen Euro) am Donnerstag um 0.00 Uhr. Der Kompromiss sieht aber zwei neue Fristen vor. So wird das Schuldenlimit nur bis zum 7. Februar 2014 angehoben, damit das Land seine Rechnungen bezahlen kann. Der Übergangsetat gilt bis zum 15. Jänner. Bereits Mitte Dezember muss eine Kommission mit Vertretern beider Lager Vorschläge machen, wie die Schulden der USA abgebaut werden können.
Obama zeigte sich in einer kurzen Fernsehansprache am Mittwochabend erleichtert über den Beschluss, übte aber zugleich scharfe Kritik an den Abgeordneten, die nun "das in den vergangenen Wochen verlorene Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen" müssten. "Wir müssen aufhören, von Krise zu Krise zu regieren", sagte er. Obama forderte unter anderem den Beschluss eine "vernünftigen" Budgets. "Hoffentlich wird es nächstes Mal nicht wieder in letzter Sekunde sein."
Streit kostete 24 Milliarden Dollar
Für den eskalierten Finanzstreit haben die USA schon jetzt einen hohen Preis bezahlt. Der sogenannte "Shutdown" habe die Wirtschaft bereits 24 Milliarden Dollar (17,7 Milliarden Euro) gekostet, teilte die Ratingagentur Standard & Poor's mit. Die Unsicherheit über die Finanzpolitik der USA müsse nun unbedingt verringert werden, sagte IWF-Chefin Christine Lagarde laut einer Mitteilung. Der Kongress habe einen "wichtigen und notwendigen Schritt" unternommen. Weltbank-Präsident Jim Yong Kim teilte mit, dass mit dem Kongressvotum "die Weltwirtschaft einer möglichen Katastrophe entkommen" ist. Die Börse in Tokio reagierte erleichtert auf die Einigung.
Finanzminister Jacob Lew sagte, dass die USA durch den Finanzkompromiss weiterhin alle Verpflichtungen erfüllen könne. "Über 224 Jahre haben wir die Kreditwürdigkeit der USA als stärkste in der Welt etabliert." Die "Wolke der Unsicherheit", die über der Wirtschaft gehangen habe, sei nun endlich verflogen.
Republikaner geknickt
Katzenjammer gab es dagegen bei den oppositionellen Republikanern. Senator Lindsey Graham kritisierte, dass seine Partei zu hoch gepokert habe. "Das ist eines der peinlichsten Kapitel, die ich in meinen Jahren im Senat miterlebt habe", sagte der ehemalige Präsidentschaftskandidat John McCain. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, John Boehner, gab sich nach wochenlangem Tauziehen geschlagen. "Wir haben einen guten Kampf geliefert, wir haben einfach nicht gewonnen", sagte er in einem Radio-Interview. Die Republikaner wollten mit der Budgetblockade eine Revision der umstrittenen Gesundheitsreform Obamas erreichen, was bei den Demokraten auf erbitterten Widerstand stieß.
Im Budgetstreit hatte Umfragen zufolge besonders die konservative Tea-Party-Bewegung an Ansehen verloren. Lange hatte sie mögliche Kompromisse in dem Streit blockiert. Knapp die Hälfte aller Amerikaner hätten mittlerweile ein schlechtes Bild von der Tea Party, fand das Pew-Institut in seiner jüngsten Umfrage heraus. Das sind doppelt so viele wie im Februar 2010. Der Wortführer der Tea Party im US-Senat, Ted Cruz, zeigte sich jedoch unbeeindruckt und brandmarkte den Kompromiss als "fürchterliche Vereinbarung".
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Die Welt hielt den Atem an: Erstmals in ihrer Geschichte drohte den USA das Geld ausgehen. Die größte Volkswirtschaft der Welt vor der Pleite - die Folgen wären unabsehbar. Doch mit der Einigung zwischen führenden Senatoren aus Regierungslager und Opposition scheint die Katastrophe noch einmal abgewendet. Doch wie lange hält der Frieden? Gibt es Sieger, gibt es Verlierer?
- Was ist eigentlich los mit den USA, warum haben sie eigentlich so große Problem, ihre Finanzen in den Griff zu kriegen?
Im Grunde genommen hat sich die Krise seit Jahren angebahnt. Es handelt sich um einen regelrechten Showdown. Das Klima in Washington ist vergiftet, in wichtigen Fragen herrscht eine derartige ideologische Verhärtung zwischen Regierung und Opposition, dass pragmatische Lösungen immer schwieriger werden. Vor allem für die radikale Tea-Party-Fraktion im Republikanerlager ist das Wort Kompromiss zum Schimpfwort geworden. Ein solchen Ansatz passt schlecht zum demokratischen Prozess.
- Was steckt denn hinter dem Streit, geht es tatsächlich nur ums Geld?
Die oppositionellen Republikaner und die Demokraten um Präsident Barack Obama haben grundverschiedene Auffassungen von Haushalt und dem Umgang mit Geld. Obama setzt auf massive staatliche Investitionen, um die Konjunktur richtig in Fahrt zu bringen und die Schwächen in der Infrastruktur zu beheben. Dafür will er Steuern für Reiche erhöhen. Die Republikaner sind strikt gegen "Big Government", wollen nur so viel Staat wie unbedingt nötig. Höhere Steuern sind ihrer Meinung nach ein Gift, das die Wirtschaft abwürgt.
Doch es ging auch um mehr. Die Republikaner wollen Obamas Gesundheitsreform zu Fall bringen oder zumindest schleifen. Dazu ist ihnen fast jedes Mittel recht. Erst die Verbindung der Schulden- und Etatdebatte mit der Gesundheitsreform machte aus dem Streit ein echtes Drama. Auch hier sind die Fundamentalisten der Tea-Party die treibenden Kräfte.
- Und wie lange könnte eine Lösung denn Bestand haben?
Das ist der große Haken. Die jetzt erzielte Einigung dürfte nur von sehr kurzer Dauer sein. Sie reicht nur für ein paar Monate. Die Schuldengrenze muss demnach im Februar erneut verhandelt werden, der Etat hat nur bis Jänner Bestand. Die USA dürfen also bestenfalls eine kurze Atempause genießen. Dann droht das Theater von neuem loszugehen.
- Hat Obama gewonnen, sind die Republikaner Verlierer?
Natürlich wollen beide Seiten nicht von Siegern und Besiegten reden. Doch Obama hat mit seiner harten Haltung erreicht, dass sein wichtigstes Reformwerk Bestand hat. Er hat in den dramatischen Wochen immer wieder betont, "Obamacare" gehöre nicht zur Verhandlungsmasse. Und er hat sich durchgesetzt.
- Also haben die Republikaner verloren?
Vor allem John Boehner, einst "starker Mann der Republikaner" im Repräsentantenhaus, hat eine schwere Schlappe erlitten. Das Republikanerlager ist tief gespalten, er hat es nicht zusammenhalten können. Moderate, die eine Zahlungsunfähigkeit der USA unbedingt vermeiden wollen, stehen den fundamentalistischen Tea-Party-Vertretern unversöhnlich gegenüber, die bis zum Äußersten gehen wollen.
- Was werden die Republikaner jetzt tun?
Tatsächlich haben die Republikaner schon mehrfach in den vergangenen Jahren bei ähnlichen Finanzstreitigkeiten in letzter Minute nachgegeben. Boehner muss jetzt fürchten, als Präsident des Abgeordnetenhauses nicht wiedergewählt zu werden. Fraglich ist aber, ob die Republikaner nun von ihrem harten Kurs abrücken - und etwa "Obamacare" endlich akzeptieren. Auch die Zukunft der populistischen Tea-Party-Bewegung könnte schwierig werden.