US-Wahl
Lange Wartezeiten für Wähler
06.11.2012
Chaos in sturmgeschädigten Regionen hält Wähler nicht ab.
"Die Wahl hat begonnen. Kommen Sie herein" - pünktlich um sechs Uhr früh (11.00 Uhr MEZ) bittet der Leiter eines Wahlbüros in Falls Church im US-Bundesstaat Virginia die wartenden Bürger an die Urnen. Wie in diesem Vorort von Washington reihen sich landauf, landab die Menschen schon früh morgens in Schlangen vor den Wahllokalen ein, um nach einem der härtesten und teuersten Präsidentschaftswahlkämpfe der US-Geschichte mitzuentscheiden, wer für die kommenden vier Jahre ihr Land regiert.
Anders als vor vier Jahren, als Barack Obama als klarer Favorit die Wahl gewann, muss der Demokrat in diesem Jahr um seinen Wiedereinzug ins Weiße Haus bangen. Nur eine hauchdünne Mehrheit trennt ihn laut Umfragen von seinem republikanischen Herausforderer Mitt Romney. Eine Spannung, die sich offenbar in einer hohen Wahlbeteiligung niederschlägt: Schon 20 Minuten nach Beginn des Urnengangs stehen im Norden Virginias dutzende Menschen vor den Wahllokalen.
"Die Beteiligung wird mit Sicherheit größer sein als sonst", sagt Romney-Anhänger Chris Redder, der vor dem Wahllokal in Falls Church auf einem Stimmzettel-Modell demonstriert, wo die Kreuzchen für die Republikaner hingehören. "Es ist eine wichtige Wahl. Es geht um zwei Visionen für Amerika - mehr persönliche Verantwortung gegen eine Regierung, die sich einmischt, und pro-Leben gegen pro-Abtreibung." Eine Wiederwahl Obamas würde "das Land beschädigen", ist Redder überzeugt.
Vor einem Wahllokal in Alexandria, Virginia, wird die Schlange eine halbe Stunde vor dem Öffnen länger und länger - trotz eines Kälteeinbruchs, der die vom Hurrikan "Sandy" bereits schwer geplagten Ostküstenregionen im Griff hält. "Es wird knapp, es ist wichtig, wählen zu gehen", sagt Robert Burgess, während er frierend von einem Fuß auf den anderen tritt.
Virginia gilt wie mehrere weitere Bundesstaaten als sogenannter Swing State mit wechselnden Mehrheiten. In diesen Staaten werden die US-Wahlen entschieden. Nach vielen Jahren aufseiten der Republikaner hatten die Menschen in Virginia 2008 für Obama gestimmt. Vor allem der Wahlausgang im Bundesstaat Ohio wird in diesem Jahr mit Spannung erwartet - er könnte bereits eine Aussage über den Sieger sein.
Wegen des erwarteten knappen Ergebnisses fürchten manche bereits eine ähnliche juristische Schlacht wie vor zwölf Jahren, als George W. Bush und Al Gore nur wenige Stimmen auseinanderlagen. Am Ende hatte damals der Oberste Gerichtshof über den Wahlausgang entschieden. Um den Wahlverlauf streng auf mögliche Unregelmäßigkeiten zu überwachen, haben Demokraten und Republikaner in diesem Jahr Heerscharen von Anwälten mobilisiert. In Florida etwa sind die Wahlautomaten den Juristen ein Dorn im Auge. Sie waren nach dem Chaos des Jahres 2000 zwar modernisiert worden, sollen aber noch immer fehleranfällig sein.
In New Jersey ist der Wahltag von den Folgen des Hurrikans geprägt. Der Bundesstaat vor den Toren New Yorks zählt zu den Regionen, die vor einer Woche am stärksten vom Sturm beschädigt wurden. In Hoboken stehen um sechs Uhr früh 60 Menschen frierend zwischen Schutt und stinkendem Müll vor einem verschlossenen Wahllokal. Als die Tür sich mit 40 Minuten Verspätung öffnet, sagt ein Helfer zur murrenden Menge: "Bitte entschuldigen Sie den Zustand des Wahllokals, es stand vor zwei Tagen noch 60 Zentimeter unter Wasser."