Trump & Putin
Deshalb zittert die Welt vor dieser Männerfreundschaft
12.11.2016
Vor allem gewisse Ländern fürchten nun um ihre Sicherheit.
Donald Trump und Wladimir Putin beim Bruderkuss: Mit einem Graffito in Vilnius hat ein litauischer Straßenkünstler schon Monate vor der US-Wahl die Sorge vieler Menschen im Baltikum zum Ausdruck gebracht.
Dass "The Donald" nun ins Weiße Haus einzieht, weckt in Estland, Lettland und Litauen die Angst vor einer unheilvollen Männerfreundschaft zweier Staatschefs, die ihre Länder groß machen wollen. Und durch deren mögliche Kumpanei die drei kleinen Baltenstaaten - wie so häufig in ihrer wechselvollen Geschichte - zum Spielball von Großmächten werden könnten.
Aufgekommen sind die Befürchtungen mit Trumps positiven Äußerungen im Wahlkampf über den russischen Präsidenten Putin. Auch seine Ansichten zur Ukraine-Krise werden in den Baltenstaaten aufmerksam registriert. Für Verstörung sorgt besonders, dass der künftige "Commander in Chief" der US-Streitkräfte die Beistandsgarantie für die drei NATO-Verbündeten von deren finanziellem Engagement abhängig machte.
Verteidigung als Geschäft, NATO-Schutz als bezahlte Dienstleistung. Diese Haltung des politischen Quereinsteigers Trump sei "gefährlich und unverantwortlich", kritisierte Ojars Kalnins, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des lettischen Parlaments. Sie widerspreche den Prinzipien sowohl der Republikaner als auch der Demokraten.
Baltikum setzt auf NATO
Niemals zuvor hatten die USA Zweifel an der Bündnistreue aufkommen lassen. Für Estland, Lettland und Litauen gilt die NATO als wichtigste Sicherheitsgarantie vor möglichen Machtansprüchen Moskaus. Seit ihrer wiedererlangten Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 suchen sie den Schulterschluss mit den USA. Auch in der Ukraine-Krise ging der Blick bisher immer stärker nach Washington als nach Brüssel.
Nun herrscht Unsicherheit über den künftigen außenpolitischen Kurs des neuen US-Präsidenten. Für den Politologen Andres Kasekamp von der Universität Tartu spielt Trumps unternehmerische Denkweise dem Kreml in die Hände. "Das ist etwas, was Wladimir Putin möchte: einen Führer, der nicht an Werten festhält und bereit ist, Einflusssphären aufzuteilen." Auch Jüri Luik von der estnischen Denkfabrik ICDS schreibt: "Es gibt keinen Zweifel daran, dass Russland bald die Grenzen des äußerst unerfahrenen Präsidenten auszutesten beginnt."
Regierungsvertreter wiederum beeilen sich, Trumps Aussagen als Wahlkampfgetöse abzutun und Zweckoptimismus zu verbreiten. Was der Kandidat Donald ankündigte, müsse nicht zwangsläufig eine politische Entscheidung des 45. US-Präsidenten werden, heißt es in Tallinn, Riga und Vilnius. Sein Sieg erwischte auch dort viele kalt - die Hoffnungen lagen auf Hillary Clinton, der Esten, Letten und Litauer in Umfragen den Vorzug gaben. "Wir vertrauen den Vereinigten Staaten, weil sie unser stärkster und engster Verbündeter sind", überspielt die litauische Staatschefin Dalia Grybauskaite die spürbare Unruhe.
USA rutsche in den Isolationismus
Andere äußern sich offener. "Dies ist ein dramatischer Tag für Lettland und ganz Osteuropa", schreibt die EU-Abgeordnete Sandra Kalniete auf Facebook. Die Wahl Trumps zeige, dass sich die USA dem Isolationismus hinwendeten, der die Beteiligung an der NATO schwäche.
Nur wenige halten es mit dem neuen Anführer der größten Wirtschafts- und Militärmacht der Welt. Darunter ist der lettische Zentralbank-Chef Ilmars Rimsevics. "Ich denke, Trump wird ein sehr guter Präsident sein. Er muss beweisen, dass er einige Neuerungen bringt", sagte er im Fernsehen mit Blick auf dessen Wirtschaftspläne.
Andere erinnern an Ronald Reagan. Dessen Wahl zum US-Staatsoberhaupt sei für viele anfangs ein Schock gewesen. Im Nachhinein habe sich der Schauspieler "als der nützlichste Präsident in der Geschichte Estlands" erwiesen, meint das Boulevardblatt "Ohtuleht". Schließlich sei es Reagan gewesen, der den Fall des Eisernen Vorhangs eingeleitet habe. Ähnlich habe nun auch Trump alle Möglichkeiten, Geschichte zu schreiben. Es komme nur darauf an, womit.
Vieles wird - da sind sich Tallinn, Riga und Vilnius einig - davon abhängen, wen Trump in seine Regierung beruft. Dass Newt Gingrich als Außenminister gehandelt wird, lässt die Sorgenfalten in den baltischen Hauptstädten nicht kleiner werden. Gingrich hatte Estland im Wahlkampf als "Vorort von St. Petersburg" bezeichnet und betont, die USA würden im Falle eines Ukraine-Szenarios in dem Baltenstaat keinen Nuklearschlag riskieren.