Kreml-Chef: Es gab keine Feindseligkeiten.
Genf. Das Genfer Gipfeltreffen von US-Präsident Joe Biden und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin ist am Mittwochnachmittag schneller als erwartet zu Ende gegangen, hat aber zumindest ein konkretes Ergebnis gebracht. Wie Putin im Anschluss mitteilte, vereinbarte er mit Biden die Rückkehr der jeweiligen Botschafter nach Washington beziehungsweise Moskau. Der Gipfel dauerte offiziell drei Stunden und 21 Minuten, weniger als von beiden Seiten zuvor in Aussicht gestellt.
Biden verließ die Villa La Grange oberhalb des Genfersees als erster. Er stieg in seine Limousine und streckte den Daumen nach oben. Gut 20 Minuten später verließ Putin die Villa zu Fuß und machte sich auf den Weg zu einer Pressekonferenz in einem dafür aufgebauten Zelt. Biden sollte sich in einem nahe gelegenen Hotel an die Presse wenden, und zwar nach der Pressekonferenz seines russischen Amtskollegen.
Putin nannte die Gespräche "konstruktiv"
Putin nannte die Gespräche in seinem Auftritt "konstruktiv" und "intensiv" und sagte, dass auch über die "atomare Stabilität" und regionale Fragen diskutiert worden sei. Beobachter sahen darin eine Anspielung auf den Iran-Atomkonflikt sowie die Lage in Belarus und der Ukraine. Biden habe auch die Menschenrechte angesprochen, fügte Putin hinzu. Es habe bei dem Treffen keine Feindseligkeiten gegeben. Beide Seiten hätten gezeigt, dass ihnen daran gelegen sei, einander zu verstehen, so Putin.
Die Botschafter-Rückkehr gilt als Zeichen einer Deeskalation zwischen Moskau und Washington. Russlands Botschafter Anatoli Antonow war vor drei Monaten aus Washington zu Konsultationen in die Heimat zurückgerufen worden. Dazu kam es, nachdem US-Präsident Joe Biden in einem Interview im März die Frage bejaht hatte, ob er Putin für einen "Killer" halte. Zudem verhängte die US-Regierung neue Sanktionen gegen Russland wegen eines Cyberangriffs und wegen der Einmischung in Wahlen. Moskau wies die Anschuldigungen zurück und bezeichnete die Strafmaßnahmen als Verstoß gegen internationales Recht. Im Gegenzug verhängte auch die russische Regierung Sanktionen und wies unter anderem US-Diplomaten aus. Außenminister Sergej Lawrow legte zudem dem US-Botschafter John Sullivan nahe, Moskau zu verlassen. Im April reiste Sullivan aus der russischen Hauptstadt ab.
Treffen in einer Villa am Genfer See
Biden und Putin trafen einander gegen 14.00 Uhr in einer Villa am Genfer See, wo sie sich zu Beginn für Fotografen kurz die Hände schüttelten. Es folgten zwei Gesprächsrunden. Die erste mit den beiden Außenminister Antony Blinken und Sergej Lawrow dauerte 90 Minuten, danach folgte ein Zusammenkunft im erweiterten Kreis der Delegationen.
Zu Beginn des Treffens in der Villa La Grange hatte der Schweizer Präsident Guy Parmelin beide Staatschefs einzeln begrüßt und dann noch einmal gemeinsam in der "Stadt des Friedens" willkommen geheißen. Er wünsche den Präsidenten einen fruchtbaren Dialog, im Interesse der beiden Länder und der gesamten Welt. "Alles Gute", sagte Parmelin und richtete danach noch kurze Worte auf Russisch und Englisch an Putin und Biden.
Putin sagte beim Fototermin in der Bibliothek der Villa zu Beginn: "Herr Präsident, ich möchte Ihnen danken für die Initiative zu dem heutigen Treffen." Er hoffe, dass die Gespräche produktiv würden. "Ich weiß, Sie hatten eine weite Reise. Viel Arbeit. Nichtsdestotrotz haben sich in den russisch-amerikanischen Beziehungen viele Fragen angestaut." Biden erwiderte: "Ich denke, es ist immer besser sich von Angesicht zu Angesicht zu treffen." Der US-Präsident versuchte öfter für die Fotografen zu lächeln, Putin schaute zumeist ernst nach unten.
Verhältnis zwischen Moskau und Washington zerrüttet
Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist seit längerer Zeit zerrüttet. Der Gipfel mit Putin ist das erste Treffen der beiden Präsidenten seit Bidens Amtsantritt Anfang des Jahres. Mit der Wahl der Villa La Grange bemühte sich die Schweiz als Gastgeberin, beide Teilnehmer gleich zu behandeln.
Zu den Knackpunkten in den russisch-amerikanischen Beziehungen gehören die Entwicklungen in der Ukraine sowie der Umgang der russischen Regierung mit dem Oppositionspolitiker Alexej Nawalny, der derzeit in Haft sitzt. Wie die Europäische Union fordern auch die USA ein Ende der Kämpfe in der Ostukraine sowie die Rückgabe der von Russland annektierten Halbinsel Krim. EU und USA setzen sich zudem für die Freilassung Nawalnys ein. Auch die Entwicklungen in Syrien und in Belarus (Weißrussland) sowie der Kampf gegen Cyber-Kriminalität entzweien die USA und Russland.
Zum Auftakt des Gipfels meldete sich in Österreich auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zu Wort. Sie wertete das Treffen auf Twitter als wichtigen Schritt, Konflikte zu überwinden. "Deeskalation im Nahen Osten, nukleare Abrüstung, Steuergerechtigkeit, Klimawandel. Die großen Themen der Zukunft brauchen einen Neustart in den internationalen Beziehungen", betonte die Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Nationalrat.
Biden seit Dienstagnachmittag in Genf
Der US-Präsident ist seit dem späten Dienstagnachmittag in Genf, Putin landete am Mittwochmittag. Biden hatte sich in den vergangenen Tagen bei Verbündeten bei der G7-Gruppe wichtiger Industriestaaten, bei der NATO und bei der EU der Unterstützung für sein Treffen mit Putin versichert. "Ich werde Präsident Putin zu verstehen geben, dass es Bereiche gibt, in denen wir zusammenarbeiten können, wenn er sich dafür entscheidet", sagte Biden nach dem NATO-Gipfel in Brüssel. "Und in den Bereichen, in denen wir nicht übereinstimmen, klarmachen, was die roten Linien sind."
Putin und Biden sehen das von zahlreichen Sanktionen überschattete Verhältnis ihrer Länder übereinstimmend auf einem "Tiefpunkt". Putins Sprecher Dmitri Peskow sagte am Mittwoch der Staatsagentur Tass: "Selbst in der Zeit der sowjetischen Geschichte haben wir nie einen solchen Mangel an Kontakten gehabt.". Diesen Mangel an Dialog gebe es nun "vor dem Hintergrund eines wachsenden Konfliktpotenzials in der Welt". Putins Sprecher verwies auf dringende weltweite Themen wie "regionale Konflikte, Abrüstungsprobleme, Probleme im Bereich der strategischen Stabilität, Rüstungskontrolle".