Vaclav Havel 1936–2011

Ikone der Freiheit ist tot

18.12.2011

Er ist die Ikone des Ost-Aufbruchs, Symbol der Freiheit: Vaclav Havel, 75, Autor, Dissident, Tschechiens Präsident.  Sonntag früh ist er gestorben.

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„Er ist einfach eingeschlafen“, sagt seine Frau Dagmar, eine Schauspielerin. Sie war bei ihm, saß an seinem Bett im gemeinsamen Gut nahe dem ostböhmischen Ort Hradecek: „Er hat nicht leiden müssen.“

Havel war ein Mann mit Mut, eine moralische Autorität von Weltrang. Als 1968 der Prager Frühling niedergeschlagen wurde und Truppen des Warschauer Pakts in Prag die Panzer rollen ließen, war es der Schriftsteller, der öffentlich gegen das Regime auftrat. Damit wurde er zur Schlüsselfigur im gewaltlosen Kampf gegen das Regime, doch der Preis dafür war hoch:  Er durfte in seiner Heimat nicht mehr publizieren, musste als Hilfsarbeiter schuften. Dreimal wurde er verhaftet, fünf Jahre saß er insgesamt im Gefängnis.
Im Westen ein Star, in seiner Heimat verfolgt
Havel wurde geschlagen, gedemütigt, doch brechen konnten die Kommunisten in der Tschechoslowakei (1948-1989) den Schriftsteller nicht. Im Westen wurden seine Stücke ausgezeichnet, Freunde wie Helmut Zilk und Erhard Busek (siehe Interview) halfen dem Dissidenten, ebenso der jetzige tschechische Außenminister Fürst Karl Schwarzenberg. Doch die feuchten Gefängniszellen haben ihn krank gemacht: chronische Bronchitis. Trotzdem blieb Havel ein Kettenraucher: 60 Zigaretten pro Tag.
1989, nach der friedlichen Revolution, spülten ihn die Rufe der Massen auf dem Prager Wenzelsplatz ins Präsidentenamt. Mit Anorak und speckiger Hose, der Kluft der Dissidenten, zog er auf dem Prager Hradschin ein, führte sein Land in die Freiheit. Vier Jahre war er  Präsident der Tschechoslowakei. Nach der Abspaltung der Slowakei blieb er bis 2003 Tschechiens Staatschef.
Schon damals war er schwer krank: 1996 wurde Lungenkrebs diagnostiziert. Ein Teil seiner Lunge musste entfernt werden. 1998 brach er mit einem Herzinfarkt zusammen, Ärzte in Innsbruck  retteten ihn. Havel: „Eigentlich wollte ich nie Politiker werden – nur Schreiben ist mein Lebensinhalt.“

 

Der ehemalige tschechische Staatspräsident und einstige Dissident Vaclav Havel ist im Alter von 75 Jahren gestorben. Dies bestätigte sein ehemaliger Pressesprecher Ladislav Spacek gegenüber dem tschechischen Nachrichtenserver "iDnes" (www.idnes.cz) am Sonntag.

Der Gesundheitszustand Havels, der seit langem unter schweren Lungen-Problemen litt, hat sich in den vergangenen Monaten sichtbar verschlechtert. Schon im März, als er wieder krank wurde, reduzierte Havel sein Arbeitsprogramm und erholte sich die meiste Zeit in seinem Wochenendhaus auf dem Lande in Hradecek in der Nähe der nordtschechischen Stadt Trutnov (Trautenau) im Beisein seiner Ehefrau Dagmar Havlova und einer Krankenschwester.

Im Schlaf gestorben
Laut seiner Sekretärin Sabina Tancevova starb Havel am Sonntag früh im Schlaf. Der frühere Oppositionelle und Schriftsteller hatte Anfang Oktober seinen 75. Geburtstag gefeiert. An der Spitze des tschechoslowakischen bzw. tschechischen Staates stand er in den Jahren 1989 bis 2003 - mit einer mehrmonatigen Pause 1992/1993, als der gemeinsame föderative Staat der Tschechen und Slowaken zerfiel. 1996 war Havel ein bösartiger Tumor aus der Lunge entfernt worden.

Ein großer Mann
Nur zwei Monate nach seinem 75. Geburtstag ist der frühere Dissident und ehemalige tschechische Staatspräsident Vaclav Havel am Sonntag früh im Schlaf gestorben. Seit mehreren Monaten war seine angeschlagene Gesundheit sichtbar. Nach einer neuerlichen Erkrankung der Atemwege Anfang 2011, mit denen der frühere Kettenraucher chronisch Probleme hatte, tauchte er nur mehr sehr selten in der Öffentlichkeit auf und beschränkte sein Arbeitsprogramm drastisch.

Als Havel dem derzeitigen Staatspräsidenten Vaclav Klaus im Juni schriftlich zu seinem 70. Geburtstag gratulierte, schrieb er unter anderem: "Heuer möchte ich Dir besonders Gesundheit wünschen. Glaub' mir, ich weiß, wovon ich rede." 1996 hatten Havel die Ärzte einen bösartigen Tumor aus der Lunge entfernt.

Für einen Termin nahm sich Havel aber doch Zeit - für die Premiere seines Films "Abgang" (auf Tschechisch "Odchazeni"), den er 2010 selbst als Regisseur, auf Basis seines gleichnamigen Theaterstücks in Szene setzte und sich damit einen alten Traum erfüllte. Die Kritiker warfen ihm zwar vor, das Theaterstück nicht an die Filmsprache angepasst zu haben, dies hielt ihn allerdings nicht von weiterer schöpferischer Arbeit ab.

Noch vor wenigen Tagen begrüßte er in Prag das Oberhaupt der Tibeter im Exil, den Dalai Lama. Dabei war Havel, der sich beim Gehen auf einen Stock stützte, sichtlich müde und abgemagert.

Ein weiteres Vorhaben schaffte Havel nicht mehr: "Schon ein bisschen im Kopf" hatte er die Idee für sein nächstes Theaterstück, das er noch schreiben und damit seine Literatur-Karriere beenden wollte. Über den Inhalt wollte er zunächst nicht sprechen. Nur den Titel verriet er: "Sanatorium". "Ich habe gern, wenn alles zusammen einen Sinn hat. Dem 'Abgang' folgt nur noch das 'Sanatorium'", sagte Havel.

An der Spitze des tschechoslowakischen bzw. tschechischen Staates stand er in den Jahren 1989 bis 2003 - mit einer mehrmonatigen Pause 1992/1993, als der gemeinsame föderative Staat der Tschechen und Slowaken zerfiel. Damals betrachtete er den Untergang der Tschechoslowakei als eine persönliche Niederlage, weil er sich als Staatsoberhaupt sehr für die Aufrechterhaltung des 1918 von seinem Idol Tomas Garrigue Masaryk gegründeten Staates einsetzte. Später korrigierte Havel jedoch seine Auffassung im Bezug auf die Teilung der Föderation. "Wie bizarr es auch immer passierte, ist es doch gut, dass es passierte", betonte er.

Auf die Prager Burg - den Sitz des Präsidenten - brachten Havel die Umbruchereignisse vom Herbst 1989. Noch im selben Jahr verbrachte er einige Monate im Gefängnis des kommunistischen Regimes. Im November 1989 wurde er zur Symbolfigur der "Samtenen Revolution", die er unter seinem Motto "Wahrheit und Liebe müssen siegen über Lüge und Hass" zu einem siegreichen Ende führte.

Gegen den Kommunismus kämpfte der am 5. Oktober 1936 in eine bekannte Prager Unternehmerfamilie hineingeborene Havel Jahrzehnte lang. Wegen seiner "bourgeoisen Herkunft und Gesinnung" konnte er seine Studienpläne nicht verwirklichen, so dass er gezwungen war, eine Ausbildung als Chemielaborant zu beginnen. Sein ursprünglicher Wunsch, Geschichte und Philosophie zu studieren, scheiterte wiederholt an den ideologischen Hürden des Regimes.

Mit seiner Selbstverwirklichung begann Havel Ende der 50er bzw. Anfang der 60er Jahre in den Prager Theatern, wo er zunächst als Bühnenarbeiter und später auch als Schauspielautor tätig war. Nach der Niederschlagung des "Prager Frühlings" 1968 fiel er noch stärker in Ungnade. 1977 gehörte er zu den Gründern der Untergrundinitiative für Menschenrechte, "Charta 77", was ihn später für mehrere Jahre ins Gefängnis brachte. Seine literarischen Aktivitäten setzte Havel trotz des Verbotes seiner Stücke und eines Lebens als Hilfsarbeiter und Dissident bis 1989 fort.

Im Jänner 1996 starb seine erste Ehefrau Olga, die ihn in den schweren Jahren der Aufenthalte in kommunistischen Gefängnissen moralisch gestützt hatte. Anfang 1997 heiratete er überraschend die populäre und um 17 Jahre jüngere Schauspielerin Dagmar Veskrnova. Das neue Lebensbündnis ermunterte ihn psychisch so weit, dass er mit Dagmar an ein Kind dachte. Dieser Wunsch blieb jedoch unerfüllt.

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