NSA-Skandal
Verdacht: Merkel- Anrufe an Faymann abgehört
24.10.2013
Fassungslosigkeit über die NSA-Abhöraffäre in Berlin. Auch Wien ist inzwischen alarmiert.
Die Handy-Abhöraffäre um Deutschlands Kanzlerin eskaliert, Angela Merkel kocht vor Wut. Obwohl die Amerikaner (noch) dementieren, ist man in Berlin inzwischen überzeugt: Der US-Geheimdienst NSA hat das alte Mobiltelefon der Kanzlerin angezapft.
Inzwischen wurde sogar die Bundesanwaltschaft eingeschaltet. Ebenso ist der US-Botschafter in Deutschland, John B. Emerson, ins deutsche Außenamt zitiert worden. Merkel rief sogar US-Präsident Barack Obama persönlich an und verlangte restlose Aufklärung.
Ausgelöst hat die pikante Affäre der simple Eintrag einer alten Merkel-Handy-Nummer in jenen NSA-Dokumenten, die Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden entwendet hat.
NSA knackte das Nokia-Handy der Kanzlerin
Handy-Freak
Demnach konnten die Amerikaner lediglich das alte Nokia 6260 slide der Kanzlerin knacken, nicht aber das aktuelle Smartphone. Laut Welt benutzt sie seit Juli 2013 eine abgewandelte Version des Blackberry Z10. Das Nokia-Handy verwendete sie zwischen Oktober 2009 und Juli 2013: „Es gilt als wahrscheinlich“, schreibt die Welt, „dass die NSA die verschlüsselte Kommunikation der Kanzlerin seit 2009 abgehört hat.“ Merkel gilt als SMS- und Handy-Freak. Die meisten ihrer Gespräche führt sie via Mobiltelefon. Auch mit Österreichs Kanzler Werner Faymann tauschte sie sich regelmäßig via Handy vor allen wichtigen EU-Gipfeltreffen aus. Faymann gilt als wichtigster Kontaktmann Merkels zu Ost-Staatschefs.
Vorsicht
Für Österreichs Ex-Geheimdienstchef Gert-René Polli scheint somit klar, dass auch Kanzler Faymann von den Amerikanern mitgeschnitten wurde: „Selbstverständlich ist er ein Ziel der NSA“, sagt er zu ÖSTERREICH (siehe Interview).
Kanzler Faymann ist derzeit beim EU-Gipfel in Brüssel. Zwangsläufig ist die Handyaffäre eines der Hauptthemen. Schließlich wurde neben Merkel auch Frankreichs Präsident François Hollande belauscht.
Manfred Matzka, Präsidialchef im Bundeskanzleramt und zuständig für die IT-Sicherheit Faymanns, versucht dennoch zu beruhigten: „In Österreich gibt es derzeit keine konkreten Hinweise, dass im Kanzleramt abgehört wurde – natürlich haben wir nur ein Ende in der Hand.“
Österreichs Ex-Geheimdienstchef Polli:
"Auch FaymannKanzler ist ein Ziel der NSA"
ÖSTERREICH: Ist auch Kanzler Faymann Ziel der NSA?
Gert-René Polli: Selbstverständlich ist er das. Ich würde das aber nicht nur auf die Amerikaner beschränken – wir haben russische und andere Dienste, die bei uns operieren. Die NSA hat aber die mit Abstand effektivsten Ressourcen.
ÖSTERREICH: Wäre Österreich technisch in der Lage, sich vor Lauschattacken der Amerikaner zu schützen?
Polli: Jedes Ministerium hat eigene Sicherheitseinheiten, dazu kommt eine eigene Abteilung im Bundeskanzleramt und im Innenministerium sowie das Abwehramt des Bundesheeres. Sie können aber nur dann gezielte Abwehrmaßnahmen setzen, wenn der Gegner technisch nicht exorbitant überlegen ist. Das aber ist die NSA zweifelsohne.
ÖSTERREICH: Kanzler Faymann tauscht sich regelmäßig mit Angela Merkel aus - via Handy ...
Gert-René Polli: Sollte Merkel tatsächlich abgehört worden sei, sind natürlich auch die Gespräche mit dem Kanzler mitgeschnitten worden, schließlich hat jede Verbindung zwei Enden. Die Frage ist lediglich, ob die österreichische Außenpolitik eine dementsprechende internationale Relevanz hat.
ÖSTERREICH: Können Handys abhörsicher gemacht werden?
Gert-René Polli: Jedes Handy ist abhörbar, das ist nur eine Frage des Aufwands.