Wehrpflicht-Debatte
Viele Länder finden keine Freiwilligen
23.01.2011
Dabei wird sogar in Pubs, Gefängnissen und unter Obdachlosen rekrutiert.
Auch wenn es Befürworter eines Berufsheeres oft bestreiten, die Abschaffung der Wehrpflicht hat in sehr vielen Ländern zu gravierenden Rekrutierungsproblemen geführt. In Folge dessen ist die Qualität der Rekruten gesunken. So wurden etwa in Spanien die geistigen Anforderungen für die Aufnahme in die Armee gesenkt, Großbritannien musste schon in Gefängnissen, unter Obdachlosen und in Pubs rekrutieren und die USA nehmen immer mehr Vorbestrafte auf. Um dieses Problem möglichst klein zu halten, muss die Armee sehr gut zahlen und sonstige Anreize bzw. Privilegien bieten.
Spanien: Intelligenzquotient gesenkt
Aber selbst das ist kein Garant dafür, dass sich genug Willige finden. So schafft es Spanien trotz hoher Arbeitslosigkeit nicht, genug Soldaten zu finden und senkte vor Jahren den notwendigen Intelligenzquotienten für Rekruten von 90 auf 70 - das ist die Grenze zur Debilität. Später wurde wieder auf 80 erhöht. Die Armee rekrutiert zusätzlich in südamerikanischen Staaten und bei arbeitslosen Frauen. Der Frauenanteil ist mit etwa 13 Prozent der höchste in Europa. Auch Luxemburg, Belgien und Großbritannien rekrutieren Soldaten aus dem Ausland. Die Briten etwa aus den früheren Kolonien.
Schweden: Erst die Hälfte aller notwendigen Rekruten angeworben
Auch in Schweden, dem Vorbildland von Verteidigungsminister Norbert Darabos (S) in Sachen Berufsheer, läuft die Rekrutierung von freiwilligen Armeesoldaten nach der Abschaffung der Wehrpflicht nur schleppend an. Von den bis zum Jahreswechsel benötigten 5.300 Freiwilligen konnte nur die Hälfte angeworben werden.
USA: 20.000 Dollar-Prämie
Besonders große Rekrutierungsprobleme bekamen Briten und Amerikaner infolge der Kriege im Irak und in Afghanistan. 2005 war in Großbritannien davon die Rede, dass die Territorial Army (TA) an ihrem Tiefstpunkt angelangt sei und die Bodentruppen nicht einmal die Hälfte der benötigten Rekruten bekommen. 2007 wurde in einem Parlamentsbericht sogar die Einsatzfähigkeit der britischen Armee infrage gestellt. Im gleichen Jahr war auch die US-Armee gezwungen, mit saftigen Prämien Soldaten anzuwerben. Wer innerhalb von 30 Tagen mit der Grundausbildung begann, bekam eine 20.000-Dollar-Prämie. Diese Summe überstieg in den meisten Fällen den gesamten Jahressold eines Rekruten.
Immer mehr Vorbestrafte in US-Armee
Das alleine scheint aber nicht gereicht zu haben, denn die US-Armee hat gleichzeitig auch immer mehr Vorbestrafte aufgenommen. Die Zahl der Ausnahmegenehmigungen, die für die Aufnahme von Rekruten mit Vorstrafenregister benötigt werden, ist 2007 nach Medienberichten um ein Viertel gestiegen. In Zusammenhang mit den Rekrutierungsproblemen werden auch die diversen Missbrauchsfälle im Irak und in Afghanistan gestellt. So bezeichnete etwa der ehemalige deutsche Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) die allgemeine Wehrpflicht als "Schutzwall gegen solche Vorkommnisse". Der Chef des deutschen Bundeswehrverbands, Bernhard Gertz, meinte gar: "Wer beim 'Schrott der Gesellschaft' Nachwuchswerbung betreibt und dann mit diesen Menschen in den Krieg zieht, braucht sich nicht zu wundern, wenn Exzesse beinahe zum Alltag gehören."
Österreich: Milizverband warnt vor Qualitätsverlust im Heer
Vor einem Abfall der Qualität der Soldaten durch die Abschaffung der Wehrpflicht hat in Österreich kürzlich der Milizverband gewarnt. Die Armee würde sich dann aus "Rand- und Unterschichten" rekrutieren, mit denen die jetzigen Milizsoldaten nichts zu tun haben wollen. Die Befürchtung, nur mehr Leute zu bekommen, die am Arbeitsmarkt nicht bestehen können, gibt es im Übrigen auch betreffend Zivildienst.
Eine bemerkenswerte Aussage traf in diesem Zusammenhang US-Verteidigungsminister Robert Gates im Vorjahr. Eine reine Freiwilligen-Armee berge immer die Gefahr der wachsenden Distanz zwischen Gesellschaft und Militär. "Mit der Zeit besteht das Risiko, das sich ein Kader von Militärführern herausbildet, der politisch, kulturell und geografisch immer weniger gemein hat mit den Leuten, auf deren Verteidigung sie ihren Eid abgelegt haben." In den USA beispielsweise kämen überdurchschnittlich viele Freiwillige aus konservativen ländlichen Gebieten und aus den ebenfalls konservativen Südstaaten. Zu wenige Soldaten kämen hingegen aus den moderneren Küstenstaaten oder aus Großstädten. Er rief daher die Absolventen von Elite-Universitäten in den USA auf, sich in größerer Zahl zum Armee-Einsatz zu melden. Eine Rückkehr zur allgemeinen Wehrpflicht, die in den 70-er Jahren nach dem Vietnamkrieg abgeschafft worden war, schloss Gates aber aus.