Urteil in Italien
Vier Jahre Haft: Berlusconi weint
01.08.2013
Polizei entzieht dem mächtigen Medienzar wegen Fluchtgefahr den Pass.
Italiens dreimaliger Premier Silvio Berlusconi bekommt die Auswirkungen seiner definitiven Verurteilung zu vier Jahren Haft wegen Steuerbetrugs sofort zu spüren. Schon am heutigen Freitag soll die Polizei dem Medienzaren seinen Pass entziehen, um ihm eine Flucht ins Ausland zu verhindern, berichteten italienische Medien. Auch Berlusconis diplomatischer Pass wird im Außenministerium abgegeben werden müssen. Berlusconis Urteil ist schon ab dem heutigen Freitag rechtskräftig. Die Mailänder Staatsanwaltschaft überreichte dem Senat eine Kopie des Urteils.
Der Kassationsgerichtshof in Rom hatte zuvor im Steuerprozess gegen den früheren italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi die verhängte vierjährige Haftstrafe am Donnerstag bestätigt. Damit ist Berlusconi rechtskräftig wegen Steuerbetrugs verurteilt worden. Seine Verurteilung zu einem fünfjährigen Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter wiesen die Kassationsrichter am Donnerstag indes zur erneuten Verhandlung nach Mailand zurück. So bleibt ihm der von seinen Anhängern befürchtete Bann aus der Politik erspart.
Es handelt sich um die erste definitive Verurteilung für Berlusconi nach unzähligen Prozessen. Ins Gefängnis muss der 76-Jährige wegen seines Alters jedoch nicht. Der Senat in Rom, in dem Berlusconi sitzt, wird sich über die Haftstrafe aussprechen müssen. Drei der vier Jahre, zu denen der Medienzar in zweiter Instanz verurteilt worden ist, werden ihm aus Altersgründen nach einer Amnestie von 2006 erlassen. Den Rest könnte er in Sozialstunden ableisten oder auch im Hausarrest in einer seiner Residenzen absitzen. Dazu muss der Senat jedoch das grüne Licht geben. Im Senat ist Berlusconis Mitte-rechts-Partei „Volk der Freiheit“ (PdL) die zweitstärkste Gruppierung.
Der "Cavaliere" kämpfte mit den Tränen
'Berlusconi hat sich inzwischen in einer von den italienischen TV-Kanälen gesendeten Videobotschaft vor dem Vorwurf des Steuerbetrugs verteidigt und eine heftige Attacke gegen die Justizbehörden gerichtet. „Ich bin Opfer einer Justizverfolgung ohne gleichen weltweit“, betonte der erschöpft wirkende Berlusconi, der mehrmals gegen die Tränen kämpfen musste.
Sein 20-jähriger Einsatz für Italien sei mit einer Verurteilung zu einer schweren Haftstrafen belohnt worden, protestierte der 76-Jährige. „So belohnt Italien die Opfer und das Engagement seiner besten Bürger“, protestierte Berlusconi. Er kündigte die Neugründung seiner Mitte-rechts-Partei „Volk der Freiheit“ an. Er werde die Gruppierung wieder „Forza Italia“ nennen, den Namen der politischen Kraft, mit der er 1993 in die Politik eingestiegen war.
Richter verurteilen Berlusconi-Attacken
Nach der scharfen Attacke des erstmals definitiv verurteilten Ex-Premiers Silvio Berlusconi gegen die Justiz reagiert der italienische Richterverband ANM empört auf die Angriffe des Medienzaren. Der Richterverband bezeichnete Berlusconis Worte als „unannehmbar und verantwortungslos gegenüber der Justiz".
„Ich begreife, dass es sich um die Reaktion einer soeben verurteilten Person handelt. Berlusconi bekleidet jedoch öffentliche Ämter, daher würde man sich von ihm ein respektvolleres Verhalten gegenüber der Justiz erwarten“, sagte ANM-Präsident Rodolfo Sabelli. Zwar könne das Urteil gegen Berlusconi politische Auswirkungen habe, niemand dürfe jedoch der Justiz Respektlosigkeit zeigen.
Ämterverbot wird neu verhandelt
Das mit dem zweitinstanzlichen Urteil verbundene Ämterverbot für Berlusconi muss neu unterdessen verhandelt werden, was über ein Jahr lang dauern könnte. Dieses Ämterverbot sollte wegen eines Formfehlers von fünf auf drei Jahre reduziert werden, hatten selbst die Staatsanwälte vor dem Kassationsgericht betont. Der Mitte-Rechts-Politiker ist mit seinem PdL wichtigster Koalitionspartner der Demokratischen Partei (PD) von Regierungschef Enrico Letta.
Das Urteil des Kassationsgerichts löste gemischte Gefühle in Berlusconis Lager aus. Vertrauensleute des Medienzaren bezeichneten Berlusconi als Opfer einer Justizverfolgung, sie zeigten sich jedoch erleichtert, dass das Ämterverbot vorerst annulliert worden sei. Die Berlusconi eigene rechtsorientierte Tageszeitung „Il Giornale“ wird am Freitag mit einem Trauerflor erscheinen.
Politischer Streit
Der Chef von Lettas PD-Partei Guglielmo Epifani verlangte, dass Berlusconi die Haftstrafe absitze. Die oppositionelle Linkspartei SEL betonte, dass die PD nicht mehr Verbündeter einer Partei sein könne, dessen Führer rechtskräftig verurteilt worden sei. Dieser Ansicht ist auch der Ex-Staatsanwalt und Mitte-Links-Politiker Antonio Di Pietro, der als erster im Jahr 1994 Ermittlungen gegen Berlusconi wegen Steuerhinterziehung aufgenommen hatte. „Ein Steuerbetrüger darf Italien im Parlament nicht vertreten“, so Di Pietro.
In dem seit 2006 laufenden Prozess ging es um den Vorwurf, der Konzern habe in den 90er-Jahren mithilfe von Briefkastenfirmen die Preise für Übertragungsrechte von Filmen künstlich in die Höhe getrieben. Durch solche Machenschaften soll Berlusconi laut den Staatsanwälten Schwarzgelder im Ausland angelegt und die Gewinne für Mediaset in Italien gesenkt haben, um weniger Steuern bezahlen zu müssen.
Auf der nächsten Seite der Live-Ticker zum Nachlesen!
22:52 Uhr: Berlusconi: "Bin Opfer"
Silvio Berlusconi hat sich in einer von den italienischen TV-Kanälen gesendeten Videobotschaft vor dem Vorwurf des Steuerbetrugs verteidigt und eine heftige Attacke gegen die Justizbehörden gerichtet. „Ich bin Opfer einer Justizverfolgung ohne gleichen weltweit“, betonte der erschöpft wirkende Berlusconi, der mehrmals gegen die Tränen kämpfen musste.
22:31 Uhr: Solidarität mit Berlusconi
Die Südtiroler Parlamentarierin und Staatssekretärin Michaela Biancofiore reichte aus Solidarität zum TV-Tycoon ihre Demission ein. "Wie ich bereits angekündigt habe, verzichte ich auf mein Mandat. Berlusconi, der mich zur Staatssekretärin in der Regierung Letta vorgeschlagen hat, wird über meine Demission entscheiden", sagte die Parlamentarierin.
22:09 Uhr: Präsident fordert Respekt
Staatschef Giorgio Napolitano rief die politischen Kräfte zu Respekt für die Justizbeschlüsse auf. Niemand dürfe die in der Verfassung verankerte Autonomie des Justizsystems in Frage stellen, meinte Napolitano.
21:47 Uhr: Anwälte erschüttert
Die Rechtsanwälte von Berlusconi haben empört auf das Urteil reagiert. Die drei Verteidiger Franco Coppi, Nicolo Ghedini und Piero Longo erklärten sich wegen des Urteils "erschüttert". Sie kündigten Rechtsschritte auch auf europäischer Ebene an, damit das Urteil widerrufen werde.
21:25 Uhr: Senat entscheidet
Der Senat in Rom wird sich über die Haftstrafe für den früheren italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi aussprechen müssen, der am Donnerstag rechtskräftig wegen Steuerbetrugs verurteilt worden ist.
21:03 Uhr: Berlusconi-Anhänger erfreut
Berlusconis Anhänger feierten, als das Gericht verkündete, dass das Ämterverbot vorerst ausgesetzt wurde.
20:41 Uhr: Der Moment der Urteilsverkündung
(c) EPA
20:25 Uhr: Urteil live im TV
Die Urteilsverkündung im sogenannten Mediaset-Prozess gegen Berlusconi wurde live von italienischen TV-Sendern übertragen. Hunderte Menschen warteten vor dem Kassationsgericht in Rom auf das Urteil.
20:12 Uhr: Bann aus Politik abgewendet
Mit dem Urteil der Kassationsrichter bleibt Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi vorerst ein Bann aus der Politik erspart. Das zweitinstanzlich gefällte Ämterverbot muss von einem Mailänder Gericht neu verhandelt werden, was auch ein Jahr lang dauern könnte. Bis zu diesem Urteil muss der Ex-Premier nicht in Haft, verlautete es in Justizkreisen in Rom.
19:59 Uhr: Berlusconi muss nicht ins Gefängnis
Da Berlusconi bereits 76 Jahre alt ist, muss er nicht ins Gefängnis. Die italienische Rechtslage sieht nämlich vior, dass man ab 70 Jahren zu alt für die Vollstreckung einer Haftstrafe im Gefängnis ist.
19:54 Uhr: Die Richter beschlossen die Annullierung eines zweitinstanzlich gefällten Verbots für den Medienzaren, fünf Jahre lang öffentliche Ämter zu bekleiden. Über dieses Verbot wird sich erneut ein Mailänder Gericht aussprechen müssen, urteilten die Richter.
19:50 Uhr: Vier Jahre Haft für Ex-Premier Berlusconi soeben bestäötigt.