Wikileaks hat Dokumente veröffentlicht, die zeigen, wie Amerika über die Welt denkt.
Schwarzer Tag für die US-Regierung: Das Internetportal Wikileads hat rund 250.000 kompromittierende Geheimdokumente des amerikanischen Außenministeriums im Internet veröffentlicht. Laut "Spiegel" stammen 90 Prozent der Dokumente von Wikileaks aus der Zeit seit 2005. Nur sechs Prozent seien als "geheim" eingestuft, 40 Prozent als "vertraulich". Das meiste Material stamme aus der Botschaft in Ankara, gefolgt von der US-Vertretung in Bagdad. 2.108 US-Depeschen haben Bezug zu Österreich. Rund 1700 diplomatische Schriftstücke kommen aus Wien, 405 davon sind "vertraulich" und 107 Depeschen "geheim".
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Die Enthüllungen
"Alpha-Rüde" und "Kaiser ohne Kleider"
So werde der afghanische Präsident Hamid Karzai als "schwache Persönlichkeit" beschrieben, der von "Paranoia" und "Verschwörungsvorstellungen" getrieben werde. Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin werde als "Alpha-Rüde" bezeichnet, der russische Präsident Dmitri Medwedew als "blass" und "zögerlich". Der deutschen Kanzlerin Angela Merkel bescheinigen die Amerikaner, "selten kreativ" zu sein und das Risiko zu meiden. Außenminister Guido Westerwelle wird als "aggressiv" charakterisiert. Den französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy bezeichnen die US-Diplomaten als "Kaiser ohne Kleider".
Kadyrow tanzt mit Pistole
Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow erscheint laut von Wikileaks veröffentlichten US-Dokumenten auf Partys mit vergoldeter Pistole und mit Haufen von Geldscheinen und Gold. In einer vom stellvertretenden US-Missionschef in Moskau, Daniel Russell, 2006 an Washington übermittelten Depesche findet sich eine detaillierte Beschreibung eines solchen Auftritts. Während einer Hochzeitsfeier in der nordkaukasischen Republik Dagestan habe Kadyrow tollpatschig getanzt - seine Pistole im Bund seiner Jeans.
Wenig Vertrauen in die Türkei
Diplomaten der Vereinigten Staaten hätten auch an der Verlässlichkeit der Türkei tiefe Zweifel. Geheime oder vertrauliche Depeschen der US-Botschaft in Ankara beschrieben islamistische Tendenzen in der Regierung Erdogan. "Ein hochrangiger Regierungsbeamter warnte in Gesprächen, aus denen die US-Diplomaten zitieren, (Außenminister Ahmet) Davutoglu würde islamistischen Einfluss auf Erdogan ausüben: 'Er ist besonders gefährlich.' Ein Berater der Regierungspartei AKP überspitzte es wohl ironisch nach einem US-Dokument so: 'Wir wollen Andalusien zurück und uns für die Niederlage bei der Belagerung Wiens 1683 revanchieren.'", zitiert "Der Spiegel".
Gaddafi und die Krankenschwester
Pikante Details werden über Libyens Machthaber Muammar Al-Gaddafi bekannt: So soll der umstrittene Staatschef vollkommen abhängig von seinem ihm umgebenden Netzwerk aus Vertrauten sein.Außerdem habe er Angst davor, übers Wasser zu fliegen, und ginge ohnehin nie ohne eine ganz bestimmte "üppige" blonde Krankenschwester aus der Ukraine auf Reisen.
Washington forderte US-Diplomaten zu Spionage auf
Im Namen von US-Außenministerin Hillary Clinton sei im Juli vergangenen Jahres eine Anordnung an mehr als 30 US-Botschaften und Konsulate verschickt worden, berichtete der britische "Guardian". Darin seien die Diplomaten aufgefordert worden, technische Informationen über die Kommunikationssysteme von hochrangigen UN-Vertretern zu sammeln, darunter auch Passwörter für Verschlüsselungen, persönliche Kreditkarteninformationen, Vielflieger-Kundennummern sowie E-Mail- und Telefonverzeichnisse.
Nordkorea belieferte Iran mit Raketen
Nach der Überzeugung von US-Geheimdiensten hat Nordkorea laut den von Wikileaks veröffentlichten Dokumenten den Iran mit modernen Raketen beliefert, die auch Europa treffen könnten. Wie die "New York Times" in ihrer Sonntagsausgabe unter Berufung auf eine Depesche ("cable") aus dem Jahr 2007 berichtete, erhielt Teheran aus Pjöngjang 19 Raketen, die mit Atomsprengköpfen hätten bestückt und eine Reichweite von mehr als 3.000 Kilometern hätten erreichen können. Theoretisch hätte eine solche Rakete je nach Abschussrichtung auch Berlin oder Moskau erreichen können.
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Die Reaktionen
Ausländische Regierungen haben mehrheitlich empört auf die jüngsten Enthüllungen des Internet-Portals Wikileaks reagiert. Weniger der Inhalt als vielmehr die Veröffentlichung teils geheimer Dokumente des US-Außenministeriums wurden verurteilt.
USA
Die amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton hat "aggressive Schritte" gegen jene undichte Stellen im US-Regierungsapparat angekündigt, die der Internetplattform Wikileaks hunderttausende vertrauliche Dokumente zuspielten. Die USA bedauerten zutiefst die entstandene Peinlichkeit, sagte Clinton am Montag in Washington. Die Veröffentlichung der Dokumente sei ein Angriff auf Amerika und die internationale Gemeinschaft.
Italien
Der italienische Außenminister Franco Frattini sagte, die Veröffentlichungen seien "der 11. September für die Weltdiplomatie". Wikileaks-Gründer Julian Assange wolle "die Welt zerstören".
Berlusconi hat "gut gelacht"
Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi jedoch, der laut Berichten der britischen Zeitung "Guardian" als "inkompetent, aufgeblasen und ineffektive" und mit einer Vorliebe für Partys beschrieben wird, nahm es mit Humor. Er habe "gut gelacht", meldete die italienische Nachrichtenagentur ANSA am Sonntag unter Berufung auf Vertraute Berlusconis.
Finnland empfindet Enthüllungen "widerwärtig"
Viele Politiker erachteten die Enthüllungen als "widerwärtig" (Finnischer Außenminister Alexander Stubb) und "ganz schlimm und unappetitlich" (Deutscher Finanzminister Wolfgang Schäuble). Weniger scharf urteilte die EU. Eine Sprecherin der EU-Außenpolitikbeauftragten Catherine Ashton sagte am Montag in Brüssel: "Wir nehmen das zur Kenntnis, aber wir haben dazu keinen Kommentar."
Israel: Iran ist Gefahr
Die israelische Regierung erklärte, die Veröffentlichungen zeigten, dass die arabische Welt ihre Einschätzung des iranischen Atomprogramms teile. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sagte: "Zum ersten Mal in der Geschichte herrscht Einigkeit in der Region (...), dass die Hauptbedrohung der Iran und seine Aufrüstung sind." Er bezog sich dabei auf Dokumente, nach denen mehrere arabische Länder den Iran als Gefahr bezeichneten und sogar US-Luftangriffe auf iranische Atomanlagen forderten.
Irans Ahmadinejad: Dokumente wertlos
Der iranische Staatspräsident Mahmoud Ahmadinejad seinerseits bezeichnete die veröffentlichten Dokumente als wertlos. "Diese Dokumente verfolgen bestimmte politische Ziele. Sie sind eine gewisse Art von Geheimdienst-Spiel und haben deshalb keine einzige legale Grundlage", sagte Ahmadinejad bei einer Presse-Konferenz in Teheran.
Irak: Veröffentlichung unpassend
Der irakische Außenminister Hoshiyar Zebari wollte sich am Montag nicht zu Einzelheiten äußern, sondern bezeichnete die Veröffentlichung lediglich als unpassend und nicht hilfreich. In den Dokumenten äußerten sich US-Vertreter unter anderem besorgt über den iranischen Einfluss im Irak.
Russland: Dokumente "nichts interessantes"
Zurückhaltend gab sich auch Russland. Der Kreml betonte am Montagnachmittag, in den Wikileaks-Dokumenten sei "nichts Interessantes" enthalten. "Erfundene Hollywood-Figuren verdienen kaum einen Kommentar", sagte Natalia Timakowa, Sprecherin des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew, laut russischer Nachrichtenagentur RIA Novosti. In den diplomatischen Depeschen wird der russische Regierungschef Wladimir Putin mit Batman und Medwedew mit Robin verglichen.
Türkei: Ernsthaftigkeit von Wikileaks fraglich
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete die Ernsthaftigkeit von Wikileaks als fragwürdig. Seine Regierung werde die Unterlagen aber prüfen, sagte Erdogan am Montag in Istanbul. Das Urteil der US-Diplomaten über den NATO-Partner mit der zweitgrößten Bündnis-Armee sei insgesamt verheerend, meldete der "Spiegel". Die türkische Führung sei zerstritten. Außenminister Ahmet Davutoglu würde islamistischen Einfluss auf Erdogan ausüben.
Afghanistan: Kritik "nicht neu"
Afghanistan bezeichnete die Veröffentlichung zwar als "unglücklich", gab sich aber wenig beeindruckt angesichts der Einschätzung von Präsident Hamid Karzai als "schwache Persönlichkeit", die von "Paranoia" getrieben werde. Derlei Kritik sei "nicht neu", sagte Präsidentensprecher Wahid Omer. Auf die Beziehungen Kabuls zu Washington hätten die Depeschen keinen Einfluss. Pakistan beurteilte die Enthüllungen als verantwortungslos, wie ein Sprecher des pakistanischen Außenministeriums sagte.
Große Sorge in Deutschland
Deutschland sieht die Veröffentlichung der Dokumente mit großer Sorge, fürchtet aber keine Beeinträchtigung der Beziehungen zu den USA. Die Enthüllungen zu bestimmten Weltregionen könnten "zu politischen Verwerfungen führen, die wichtige politische Prozesse stören", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Aussagen über deutsche Politiker seien indes "nicht sehr interessant".
Frankreich: Aussagen sind "Bedrohung"
Frankreichs Regierungssprecher Francois Baroin bezeichnete die Veröffentlichung als "Bedrohung der demokratischen Autorität und Souveränität". Frankreich sei "sehr solidarisch" mit der US-Regierung. Die Opposition sieht in den Depeschen, in denen etwa Präsident Nicolas Sarkozy als "empfindlich und autoritär" eingestuft wird, keine Enthüllungen. "Es gibt kein Geheimnis, das man nicht schon kannte," sagte Grünen-Chef Daniel Cohn-Bendit.
Großbritannien: Dokumente können der nationalen Sicherheit schaden
Großbritannien kritisierte die "nicht autorisierte Veröffentlichung" scharf. "Diese können der nationalen Sicherheit schaden, sind nicht im nationalen Interesse und können, wie von den USA angemerkt, lebensbedrohlich sein", erklärte das Außenministerium. Premierminister David Cameron sicherte den USA weiterhin eine enge Zusammenarbeit zu.
Schweden attackiert Wikileaks
Schwedens Außenminister Carl Bildt griff Wikileaks direkt an. Er befürchtet einen Schaden nicht nur für die US-Diplomatie sondern für die Diplomatie weltweit. Die schwedische Justiz lässt international nach Wikileaks-Gründer Assange fahnden. Gegen ihn wird dort wegen des Verdachts der Vergewaltigung und sexueller Nötigung von zwei Frauen ermittelt.
Australien nimmt Ermittlungen auf
Die australische Polizei nahm wegen der Veröffentlichungen Ermittlungen gegen den 1971 geborenen Australier Assange auf. "Wir glauben, dass es eine Reihe von Gesetzesverstößen gegeben haben könnte", sagte Generalstaatsanwalt Robert McClelland am Montag in Canberra. Wo sich Assange derzeit aufhält, ist nicht bekannt.