Landtagswahl

Wahl-Krimi in Brandenburg: SPD knapp vor AfD

22.09.2024

Bei der Landtagswahl im deutschen Bundesland Brandenburg hat sich die SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke knapp gegen die AfD behauptet und ist erneut stärkste Kraft geworden.

Zur Vollversion des Artikels
© APA/AFP/RALF HIRSCHBERGER
Zur Vollversion des Artikels

Nach Hochrechnungen von ARD und ZDF folgen dahinter das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die CDU. Grüne, Linke, FDP und BVB/Freie Wähler bleiben unter der Fünf-Prozent-Hürde und sind wahrscheinlich nicht im Landtag vertreten. Woidke könnte damit nach elf Jahren im Amt weiterregieren.

Seit der letzten Wahl 2019 führt er eine Koalition mit CDU und Grünen. Diese haben wohl kaum noch Chancen auf einen Wiedereinzug in den brandenburgischen Landtag, da Grünen-Politikerin Marie Schäffer ihr Direktmandat im Wahlkreis Potsdam I verlor, sie unterlag dort der SPD-Politikerin Manja Schüle. Die Grünen hatten vor allem deswegen auf das Direktmandat gehofft, weil es ihnen auch bei einem Verfehlen der Fünf-Prozent-Hürde einen Einzug ins Parlament mit ihrem landesweiten Wahlergebnis ermöglicht hätte. Doch laut ARD-Hochrechnung kommen die Grünen auf lediglich 4,2 Prozent. Die SPD liegt nun bei 30,7 Prozent, die AfD bei 29,5 Prozent. Danach folgt das BSW mit 13,3 Prozent, das nun deutlich vor der CDU mit 12,1 Prozent liegt. Die Linken scheitern mit 3,0 Prozent, die Freien Wähler mit 2,6 Prozent. Die Wahlbeteiligung liegt den Hochrechnungen zufolge bei 73 bis 74 Prozent und damit so hoch wie nie seit 1990. 2019 betrug sie 61,3 Prozent.

SPD kann etwas aufatmen

Die SPD kann nach zuletzt schlechten Ergebnissen bei der Europawahl und den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen nun etwas aufatmen - auch im Bund. Kanzler Olaf Scholz darf auf leichten Rückenwind für die Bundestagswahl in einem Jahr hoffen. Er reagierte zufrieden auf das Ergebnis und will sich erst am Montag ausführlicher äußern. SPD-Chef Lars Klingbeil stellte sich angesichts des Erfolgs hinter Scholz als Kanzlerkandidaten.

Seit der Wiedervereinigung 1990 haben die Sozialdemokraten in Brandenburg durchgängig den Ministerpräsidenten gestellt. Im Wahlkampf hatte der 62-jährige Woidke bewusst nicht auf große gemeinsame Auftritte mit Scholz gesetzt - wohl auch wegen der schlechten Umfragewerte der Berliner Ampel. Zur Wahl aufgerufen waren rund 2,1 Millionen Menschen - es gibt in dem Bundesland weniger Wahlberechtigte als in Berlin.

Schwierige Regierungsbildung

Vor der Wahl hatte Woidke angekündigt, dass er nur dann weiter Regierungsverantwortung tragen will, wenn die SPD stärkste Kraft wird - das hat er nun geschafft. Eine Fortsetzung der Koalition aus SPD, CDU und Grünen ist aber voraussichtlich nicht möglich. Denkbar wäre eine Zweierkoalition aus SPD und BSW oder ein Dreierbündnis aus SPD, CDU und BSW.

Woidke kündigte an, voraussichtlich zuerst mit der CDU über die Bildung einer Regierungskoalition zu sprechen. "Wir haben eine Aufholjagd hingelegt, wie es sie in der Geschichte unseres Landes noch niemals gegeben hat." Wie so oft in der Geschichte seien es Sozialdemokraten gewesen, "die Extremisten auf ihrem Weg zur Macht gestoppt haben", sagte er mit Blick auf die AfD.

Linnemann, sprach von einer "bitteren Niederlage"

Der Generalsekretär der Bundes-CDU, Carsten Linnemann, sprach von einer "bitteren Niederlage". Woidke habe mit seiner Rücktrittsdrohung alles auf eine Karte gesetzt - und gewonnen. "So sieht Glaubwürdigkeit aus." Der CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann will nach der Wahlschlappe nicht vom Landesvorsitz zurücktreten. "Das wäre das ganz falsche Signal", sagte er.

Linke-Spitzenkandidat Sebastian Walter nannte das Ergebnis seiner Partei "desaströs". Viele Menschen hätten SPD gewählt - "aber nicht aus Überzeugung". Grund sei der aus seiner Sicht "Panikwahlkampf des Ministerpräsidenten" gegen die AfD.

AfD: Keine Aussicht auf Regierungsbeteiligung

Die AfD hat trotz ihres guten Abschneidens keine Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung: Keine andere Partei will mit ihr zusammenarbeiten. Bundesparteichef Tino Chrupalla sagte, man habe das Ziel verpasst, Woidke "in die Rente zu schicken". Doch seien die ostdeutschen Wahlen in Thüringen, Sachsen und jetzt Brandenburg erfolgreich verlaufen: "Wir haben einmal Gold und zweimal Silber geholt." Das Erstarken der AfD hat zuletzt auch im Ausland Sorgen vor einem Rechtsruck in Deutschland ausgelöst, etwa bei EU- und NATO-Partnern.

Der Zentralrat der Juden äußerte sich besorgt. "Wenn erneut fast ein Drittel der Wähler eine zerstörerische politische Partei wie die AfD an der Macht sehen will und eine populistische Kraft wie das BSW wieder zweistellig wird, dann darf uns das nicht unberührt lassen", sagte Zentralratspräsident Josef Schuster.

Besonderheit in Brandenburg

Eine Besonderheit in Brandenburg, die es in keinem anderen deutschen Bundesland gibt, ist die Deckelung der Sitze im Landtag - maximal 110 dürfen es sein. Sollte die AfD bei dieser Wahl mehr Direktmandate gewinnen, als ihr nach dem Zweitstimmenanteil Mandate zustehen, könnte es Experten zufolge dazu kommen, dass die anderen Parteien wegen der Begrenzung der Landtagssitze nicht genug Ausgleichsmandate bekommen.

Sollte die AfD sogar mehr als ein Drittel der Sitze bekommen, hätte sie eine Sperrminorität: Bei Entscheidungen und Wahlen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, müsste sie zustimmen. Verfassungsrichter werden beispielsweise vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit gewählt.

Zur Vollversion des Artikels