Analyse

Wahl: Wie Le-Pen-Partei jetzt Macron zu demolieren droht

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Parlamentswahlen am Sonntag: Extreme Rechte könnte erstmals Premier stellen. 

Alarmstufe Rot. Über 2.000 französische Wissenschafter haben dazu aufgerufen, „die extreme Rechte zu verhindern“. Ehemalige Premierminister und Minister von Sozialdemokraten und Bürgerlichen appellieren ebenso, „nicht die Extremen zu wählen“.

Am Sonntag könnte es im ersten Durchgang der französischen Parlamentswahlen – Präsident Emmanuel Macron hatte sie in einem waghalsigen Poker am Abend der EU-Wahl ausgerufen – eine Rekord-Wahlbeteiligung geben. Und: Erstmals in der Geschichte der fünften Republik könnte das Rassemblement National von Marine Le Pen Erster werden. Umfragen prognostizieren sogar die Möglichkeit, dass die Le-Pen-Partei im zweiten Durchgang am 7. Juli die absolute Mehrheit erreichen könnte. Dann würde Jordan Bardella – 
Le Pens Parteichef und Schützling – Premierminister werden.

54 % Le-Pen-Wähler sehen sich als rassistisch

Zwei Gesichter. Wie es so weit kommen konnte? Die Wut der Franzosen wegen der multiplen Krisen – vor allem Teuerung und Migration – ist groß. Den Ausschlag für die derzeitigen Umfrageerfolge des Duos Le Pen
Bardella gibt aber die Landbevölkerung. Sie leiden unter Landflucht, hohen Preisen, Verdrängungsdruck von Multikonzernen im Agrarmarkt und träumen von einem Frankreich wie damals.

Erschreckend: In einer Umfrage von Ipsos – die persönlich durchgeführt wurde – antworteten 54 Prozent der Le-Pen-Wähler, dass sie sich als „eher bis ein wenig ­rassistisch“ ansehen.

Le Pen hatte freilich in den vergangenen Jahren – sie hatte sogar mit ihrem rechtsextremen Vater Jean-Marie Le Pen gebrochen – an der „dédiabolisation“ („Entteufelung“) ihrer nationalistischen Bewegung gearbeitet und sich von Begriffen der rechtsextremen Identitären wie „Bevölkerungsaustausch“ distanziert.

Aber: Gabriel Attal, der Premierminister von Macron, konfrontierte Bardella zuletzt in einer TV-Debatte mit „100 Kandidaten des RN, die mit Rassismus oder Antisemitismus“ aufgefallen waren. Am 28-jährigen Bardella scheinen alle Vorwürfe allerdings abzuprallen.

Extreme Linke spaltet das Linksbündnis

Der Faktor Mélenchon. In die Hände Bardellas spielt immerhin auch der Chef der extremen Linken Jean-Luc Mélenchon. Ihm wird Antisemitismus, Hamas- und Putin-Fantum vorgeworfen. Er ist freilich Teil des neuen Front Populaire (Linksbündnis), das derzeit in Umfragen auf Platz zwei hinter der Le-Pen-Truppe liegt. Der Haken: Mélenchons Partner – Sozialisten, Grüne, Kommunisten – distanzieren sich von ihm und haben sogar ein eigenes Papier gegen Antisemitismus unterzeichnet. Mélenchon beansprucht freilich im Fall des Sieges den Premierministersessel für sich. Was Le Pen und Bardella in jedem Interview und jedem Auftritt betonen.

Macron von Extremen zerrieben & vor Debakel

Verspielt. Bei all dem scheint Macron nur noch Zuschauer zu sein. Er droht am Sonntag zwischen den Extremen zerrieben zu werden. Seinem Land blühen massive Proteste – im Fall eines Wahlsiegs der extremen Rechten – und zerstörte Olympische Spiele in Frankreich, die Ende Juli in Paris starten.Im Hintergrund überlegen die Strategen von Macron – der 2017 als absoluter Shootingstar gestartet war – bereits, ob es selbst im Falle einer absoluten Mehrheit von Le Pen noch eine Möglichkeit gebe, ihren Kronprinzen Bardella zu verhindern. Sie liebäugeln mit einer Expertenregierung statt einer „Cohabitation“ mit der extremen Rechten. „Dann würde Frankreich wirklich brennen“, fürchten Polit-Analysten. Nur eines scheint am Tag vor der Wahl klar zu sein: Emmanuel Macron hat seinen Wahl-Poker so oder so verloren.

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