Plünderer machen Haiti unsicher. Dominikanische Helfer beklagen die schlechte Sicherheitslage.
Tag drei nach dem Erdbeben in Haiti haben Helfer 23 Menschen lebend aus den Trümmern eines Hotels geborgen. Ein chilenisches Rettungsteam sei in der Nacht auf Freitag mit Spürhunden in der Hauptstadt Port-au-Prince eingetroffen und habe dort zusammen mit anderen ausländischen Helfern am Hotel Montana nach Überlebenden gesucht, sagte der Leiter der chilenischen Einsatzkräfte, Juan Gabriel Valdes, dem Radiosender Cooperativa. Die Rettung der 23 Menschen sei "zweifellos ziemlich außergewöhnlich", sagte er.
Plünderer in Haiti unterwegs
Nur wenige internationale
Helfer sind in den verwüsteten Straßen von Port-au-Prince zu sehen.
Dominikaner, Franzosen und Mitarbeiter von US-Organisationen stehen vor
riesigen logistischen Hindernissen bei der Bergung von Opfern und der
Verteilung von Nahrungsmitteln. Vor allem erschweren bewaffnete Banden und
Plünderer ihre Arbeit. "Das größte Problem ist die Unsicherheit",
sagt Delfin Antonio Rodriguez, Chef des Zivilschutzes der Dominikanischen
Republik.
Helfer sind besorgt
"Gestern wäre uns fast ein Lastwagen
gestohlen worden", berichtet Rodriguez. Deswegen hätten die Helfer aus
dem Nachbarland im Ostteil der Karibikinsel Hispaniola heute an bestimmten
Orten nicht mehr arbeiten können. "Es gibt Plünderungen und
bewaffnete Menschen, weil Haiti ein sehr armes Land ist und die Menschen
verzweifelt sind", beschreibt Rodriguez die Situation. Weil die
wichtigsten Krankenhäuser zerstört oder beschädigt sind, müssten die Helfer
ein Feldlazarett unter freiem Himmel aufbauen. Doch wegen der schlechten
Sicherheitslage und möglicher Plünderungen sei das momentan unmöglich,
beklagt Rodriguez: "Wenn wir das Lazarett in der Nacht aufbauten, wäre
es am nächsten Morgen nicht mehr da", befürchtet er.
Fehlende Koordination
Der Stellvertreter von Rodriguez bemängelt
die fehlende Koordination der Hilfseinsätze mit den örtlichen Behörden. "Wir
können nicht unsere gesamte Ausrüstung hierher transportieren und in
Port-au-Prince gibt es nichts mehr", sagt Jose Cavallo. "Alles
braucht viel mehr Zeit." Durch das Erdbeben wurde praktisch die komplette
Infrastruktur zerstört, es gibt kaum Ansprechpartner für die
Helfer. Während es die beiden Dominikaner schafften, sehr schnell nach
Port-au-Prince zu kommen, sitzt ein Großteil der internationalen Helfer
derzeit am Flughafen der Hauptstadt fest. Der Luftraum über Haiti ist
angesichts der vielen Hilfslieferungen überfüllt.
Leichen werden geplündert
"Hilfe trifft ein, aber sie
kann nicht verteilt werden", sagt Rodriguez. Die Anweisungen für die
Helfer sind sehr strikt. Die Rettungskräfte müssen unbewaffnet sein und
können daher aus Angst vor Angriffen nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr
arbeiten. Das dominikanische Team wird zwar von bolivianischen Soldaten der
UN-Blauhelmmission in Haiti (MINUSTAH) geschützt. Die Blauhelmsoldaten
verhinderten auch, dass bestimmte Häuser oder gar Leichen geplündert würden,
sagt ein Blauhelmsoldat. Doch auch die MINUSTAH ist unbewaffnet - "manchmal
wäre es besser", Waffen zu haben, sagt der Bolivianer.
Unter widrigen Umständen bargen die Dominikaner am Donnerstag 17 Überlebende aus den Trümmern, Dutzende weitere Opfer konnten nur noch tot herausgezogen werden. Sobald die Helfer auftauchen, werden sie sofort von verzweifelten Männer und Frauen umringt, die Verletzte zu ihnen bringen. Andere wollen sie zu einer eingestürzten Schule führen, wo sie Hilferufe aus den Trümmern gehört haben. "Wir werden versuchen, morgen in aller Früh hierher zu kommen, aber jetzt ist es zu gefährlich", sagt ihnen ein dominikanischer Feuerwehrmann. Und rät den Menschen noch, sie sollten in der Zwischenzeit versuchen, den Verschütteten wenigstens ein bisschen Wasser zu reichen.