Nach 17 Jahren
58-Jährige wegen Maultaschen gefeuert
16.10.2009
Die Altenpflegerin hatte das Essen von der Verpflegung der Heimbewohner abgezweigt. Ihre Klage auf Wiedereinstellung wurde abgewiesen.
Wegen der Mitnahme von sechs übriggeblieben Maultaschen im Wert von drei bis vier Euro hat eine Altenpflegerin in Deutschland ihren Arbeitsplatz verloren. Das Arbeitsgericht Radolfzell entschied am Freitag, die fristlose Kündigung der 58-Jährigen sei gerechtfertigt. Ihre Klage auf Wiedereinstellung in einem Altenheim in Konstanz wurde abgewiesen.
Entlassung nach 17 Jahren Betriebszugehörigkeit
Die Frau war
im April nach 17 Jahren Betriebszugehörigkeit entlassen worden, weil sie
mehrere Stücke der schwäbischen Spezialität für den eigenen Verzehr
verborgen in einer Stofftasche mit nach Hause nehmen wollte. Sie habe damit
in das Eigentum des Arbeitgebers rechtswidrig eingegriffen, urteilte das
Gericht. Die Altenpflegerin habe gegen das Verbot verstoßen, wonach
Essensreste der Bewohner nicht mitgenommen werden dürfen. Sie hätte ein
Personalessen zu einem Preis von 3,35 Euro in Anspruch nehmen können. Diese
Art der Verpflegung werde von Mitarbeitern auch genutzt, erklärte das
Arbeitsgericht.
Es handle sich bei sechs Maultaschen zwar noch um eine geringwertige Sache; der materielle Wert liege zwischen drei und vier Euro, urteilte das Gericht. "Dennoch bestimmt allein der Arbeitgeber darüber, wie mit seinem Eigentum verfahren wird und zwar selbst dann, wenn er die Reste der Entsorgung zuführt." Der einzelne Beschäftigte könne nicht seinen Willen nach Gutdünken und gegen ein bestehendes Verbot über denjenigen des Arbeitgebers stellen.
Arbeitgeber sprach von Diebstahl
Die Frau hatte erklärt, sie habe
nur vier Maultaschen mitgenommen. Und es sei üblich gewesen, dass Personal
Reste des Essens verzehre. Der Träger des Heims hatte von einem Diebstahl
gesprochen, der das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und der
Mitarbeiterin zerrüttet habe, der 58-Jährigen zuerst aber auch 18.000 Euro
als Abfindung angeboten. Ein vom Gericht vorgeschlagener Vergleich mit einer
Abfindung in Höhe von 25.000 Euro war von der Frau abgelehnt worden.
Die Altenpflegerin ist laut Mitteilung tariflich unkündbar gewesen. Eine Abmahnung als mildere Sanktion sah das Gericht als nicht ausreichend an. Das Interesse des Heims an der Beendigung der Beschäftigung wurde höher eingestuft als das der Klägerin an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Dies unter anderem auch, weil die Kammer es als erwiesen ansah, dass die Frau das bestehende Verbot gekannt habe und habe wissen müssen, dass ein Verstoß Konsequenzen auch ernster Art nach sich ziehen könne.
Der Anwalt der Frau will die Einlegung von Rechtsmitteln prüfen. Kündigungen wegen Bagatelldelikten sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Demnächst verhandelt das Bundesarbeitsgericht den Fall einer Berliner Kassiererin, der wegen zweier Leergutbons im Wert von 1,30 Euro gekündigt worden war .