Tiere aggressiv

Affenplage in Neu-Dehli außer Kontrolle

11.08.2018

Die Tiere verbreiten in der indischen Hauptstadt Angst und Schrecken.

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© Getty Images
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Affen im Haus, Affen in der Klinik. Affen im Gerichtssaal. Affen überall. In Indien gerät eine Affenplage zunehmend aus dem Ruder. Sogar am höchsten Gericht in der Hauptstadt Neu-Delhi schlagen die Juristen die Hände über dem Kopf zusammen: "Bis ihr einen Plan habt, werden die Affen die Kontrolle in Delhi übernommen haben", kritisierten die Richter kürzlich die Behörden.
 
Ein Polizist im Tis-Hazari-Gerichtsgebäude erzählt, er traue sich nicht mehr die Treppe hoch, seit mehrere der allgegenwärtigen Rhesusaffen - eine Makakenart - sich dort breitgemacht haben. "Sie verbreiten Angst und Schrecken unter den Anwälten und Richtern. Es ist absolutes Chaos."
 

Languren gegen Makaken

 
Einige Bewohner Neu-Delhis versuchten, Feuer mit Feuer zu bekämpfen und hielten Langurenaffen, um die Makaken zu vertreiben. Weil die Haltung dieser Affen in Gefangenschaft verboten wurde, müssen nun aber die Spezialisten ran: Professionelle Affenschreier ahmen die schrillen Schreie der Languren nach, um die Rhesusaffen zu vergraulen.
 
Ravi Kumar, der selbst ernannte Affenmann von Delhi, ist einer von ihnen. Er erklärt seine gewaltfreie - und religionskonforme - Lösung für das Affenproblem folgendermaßen: "Wir schlagen oder fangen sie nicht gerne, sie sind schließlich die Armee des Gottes Hanuman." Viele Hindus verehren diesen Affengott. Affen gelten als seine Nachkommen und werden von vielen gut behandelt und gefüttert. Sie zu verschrecken sei die beste Lösung, sagt Kumar. "Den Affen wird kein Schaden zugefügt, und es löst das Problem."
 

Massenumsiedelung hilft nichts

 
Mehr als 20.000 Rhesusaffen wurden in ein Schutzgebiet am Stadtrand umgesiedelt. Doch das hilft wenig. Die Makaken stiften auch in ihrer neuen Umgebung Chaos. Das Schutzgebiet ist überfüllt, und die dort gut versorgten Affen vermehren sich rasend schnell. Sie stehlen Essen, brechen in Häuser ein und verwüsten Geschäfte.
 
Die Affenplage ist aber nicht nur lästig, sie kann auch tödlich sein. Im Bundesstaat Odisha schnappte sich im April ein Affe vor den Augen von dessen Mutter ein Neugeborenes. Das Kind wurde später tot in einem Brunnen gefunden.
 

Lebensraum für Affen wird knapp

 
Die aggressiven Affen sind nur ein Aspekt des wachsenden Konflikts zwischen Mensch und Natur in Indien. Rasches Bevölkerungswachstum im 1,3-Milliarden-Einwohner-Land und die industrielle Entwicklung drängen die Tiere aus ihren angestammten Lebensräumen: Berichte von Tigern oder Leoparden, die in Dörfern Tiere reißen, sind nicht außergewöhnlich. Elefanten zertrampeln Ernten, Schlangen machen es sich im Badezimmer gemütlich.
 
Wildtiere und der Schutz der Wälder seien im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung hintangestellt worden, sagt Arinita Sandilya von der Umweltschutzorganisation Wildlife SOS. Diese Entwicklung hat einen hohen Preis: Elefanten und Tiger töten laut Mayukh Chatterjee vom Wildlife Trust of India jedes Jahr etwa 500 Menschen. Durch Schlangen sterben jährlich rund 55.000 Menschen.
 
Gleichzeitig werden jedes Jahr etwa hundert Elefanten getötet. Sie werden vom Zug überfahren oder sterben in Elektrozäunen. Lynchmobs töten Dutzende Leoparden. Die Großkatzen haben notgedrungen Zuckerrohrplantagen zum neuen Lebensraum erkoren. Von wilden Schweinen bis zu Nagetieren, überall scheinen Mensch und Tier aneinanderzugeraten. Versuche, die "Problemtiere" in den Griff zu bekommen, zeigen bisher wenig Erfolg.
 

Affen aktuell im Vorteil

 
In Neu-Delhi scheinen die Affen in diesem Konflikt obenauf zu sein. "Wir fechten hier nicht nur rechtliche Kämpfe aus, wir müssen auch gegen diese Viecher kämpfen", sagt der Anwalt Anees Taj. Er sei bereits gebissen worden. "Sie werfen unsere Akten runter, stehlen Brillen, verschmutzen die Tische und greifen Leute an, die etwas zu essen haben." Von der Regierung gebe es seit Jahren keine Hilfe, beklagt sich eine Anwältin. Seit 2001 wandere eine Petition durch die Institutionen, die Regierung habe aber bisher nicht entschieden, welches Ministerium für die Affen zuständig ist.
 
Nach Meinung von Suresh Chandra, dem Chef der Veterinärabteilung Delhis, gibt es einfach zu wenig Affenfänger, trotz guter Bezahlung. Umliegende Bundesstaaten weigerten sich, ausgesiedelte Affen aufzunehmen, sagt Tarun Johri von der Forstbehörde. Es bleibe nur die Möglichkeit, die Tiere zu sterilisieren.
 
Für Tierschützer wie Chatterjee ist es oft die Aggressivität der Menschen, die diesen Konflikt eskalieren lässt. Tiere würden für Konflikte in Gebieten verantwortlich gemacht, die bisher die ihren waren, meint er. "Wir sollten die Wälder wiederherstellen, damit die Tiere genug zum Fressen und Platz zum Leben haben", sagt auch Veterinär Suresh Chandra. "Die Lösung liegt darin, unser Handeln zu kontrollieren. Wir Menschen sind schuld."
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