Liverpool
Alle Verdächtigen wieder frei
23.08.2007
Nach dem Mord an dem elfjährigen Rhys Jones aus Liverpool hat die britische Polizei alle Verdächtigen freigelassen.
Die Polizei hat nach dem Mord an einem Elfjährigem in Liverpool alle Festgenommenen wieder frei gelassen. Zwei Burschen im Alter von 15 und 19 Jahren und die beiden 15 und 18 Jahre alten Mädchen seien ohne Beschuldigung entlassen worden, teilte die Polizei Montagfrüh mit. Ein 16- und ein 19-Jähriger seien gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt worden.
Die Polizei erklärte, sie habe mit einer Schlüsselzeugin gesprochen, die in der Nähe des Tatorts unterwegs war. Rhys Jones war am Mittwoch auf dem Heimweg vom Fußballspielen erschossen worden. Der Täter entkam auf einem BMX-Fahrrad.
15 Kinder beobachteten Mord
Mindestens 15 Kinder und Jugendliche
haben einem Zeitungsbericht zufolge den Mord an dem elf Jahre alten Rhys
Jones aus Liverpool gesehen. Die Bluttat sei nur wenige Meter von einer
Gruppe Buben und Mädchen geschehen, die einen "kristallklaren Blick"
auf den Mörder hatte, sagte ein Zeuge der Zeitung "Daily Mirror"
am Samstag.
Bandenkrieg unter Teenagern
In der Gegend, in der Rhys am
Mittwoch getötet wurde, herrschte nach Angaben von mehreren Zeitungen ein "Bandenkrieg"
unter den Teenagern der Viertel Croxteth und Norris Green. Dabei ginge es
vor allem um Drogengeschäfte und Fragen von Respekt und Ehre, schreibt die "Times".
Waffen seien sehr leicht zu besorgen und einzusetzen, sagte ein Gangmitglied
dem "Guardian". Die Polizei geht davon aus, dass Menschen in der
Nachbarschaft wissen, wer der Täter ist.
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Große Trauer in Liverpool
Am Tatort legten Angehörige,
Freunde und Anwohner Blumen, Stofftiere und Botschaften nieder. Die Eltern
erklärten, ihr Sohn habe nie einer Jugendbande angehört, sein ganzes
Interesse habe dem Fußball gegolten. Vor dem Spiel von Rhys' Lieblingsclub
Everton gegen die Blackburn Rovers am Nachmittag sollte zudem eine
Schweigeminute gehalten werden. Die Spieler beider Teams wollen mit
schwarzen Armbinden aufs Feld laufen. Auch die Familie des
fußballbegeisterten Teenagers wird zu dem Spiel erwartet. Am Tag zuvor
hatten Mutter und Vater am Tatort im Viertel Croxteth Blumen niedergelegt,
mit dem Schriftzug "Gute Nacht und Gott segne Dich, bis wir uns
wiedersehen. All unsere Liebe und Küsse, von Mami, Papi und Owen (Rhys'
Bruder)".
Kommissarin Patricia Gallan rief die Öffentlichkeit zur Unterstützung auf: "Wir brauchen die Mithilfe von jedem in unserer Gemeinde, damit wir erfahren, wer für dieses Verbrechen verantwortlich ist."
Bewegender Appell
Die Eltern des kleinen Rhys Jones riefen die
Öffentlichkeit in einem bewegenden Appell zur Mithilfe bei der Suche nach
dem Täter auf. Die steigende Zahl von Verbrechen bewaffneter Jugendbanden
war am Donnerstagabend Thema einer Krisensitzung unter Leitung von
Premierminister Gordon Brown.
Die beiden zunächst vernommenen tatverdächtigen Jugendlichen im Alter von 14 und 18 Jahren ließen die Ermittler gegen Kaution frei. Der kleine Rhys Jones war am Mittwochabend in Liverpool beim Fußballspielen auf dem Parkplatz eines Pubs mit einem Schuss in den Hals schwer verletzt worden. Der Bub erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen.
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Schrecklicher Moment
Die Mutter des Kindes, Melanie Jones,
berichtete vor Journalisten über den schrecklichen Moment, als sie ihren
Sohn im Liverpooler Stadtteil Croxteeth auf dem Parkplatz fand. "Er lag
nur dort in einer Lacke von Blut." Eine Stunde lang hätten die
Rettungskräfte im Krankenwagen versucht ihn wiederzubeleben, "aber
er hatte schon zu viel Blut verloren". Die 41-Jährige rief die
Bevölkerung zur Hilfe bei der Suche nach dem Mörder auf. "Er
war unser Baby. Das hätte nicht passieren dürfen, das darf nicht
weitergehen. Bitte, helfen Sie uns."
Rhys Vater Stephen betonte, sein Sohn habe niemals einer Jugendbande angehört. "Er hat wahrscheinlich noch nicht einmal gewusst, was das eigentlich ist", sagte der 44-Jährige. Sein Sohn habe seine Freunde gehabt, mit denen er aufgewachsen sei und Fußball gespielt habe.
Wachsende Jugendkriminalität
Der Tod des Buben hat die seit
Monaten schwelende Debatte um die wachsende Jugendkriminalität in
Großbritannien neu angefacht. In Browns Sitz in der Downing Street 10
befasste sich am Donnerstag ein kurzfristig einberufener Sondergipfel mit
dem Thema Jugend- und Bandengewalt. Brown verurteilte den Mord in Liverpool
als "hinterhältiges Verbrechen, dass das gesamte Land schockiert hat".
In Großbritannien wurden in den vergangenen Monaten mehrere Jugendliche bei
Schießereien getötet, allein in London starben mindestens sechs Teenager.
Auch in Manchester waren Jugendliche in eine Reihe von Angriffen mit
Schusswaffen verwickelt.
Im vergangenen Dezember hatte das britische Innenministerium in einer Studie festgestellt, dass der Erwerb illegaler Waffen nirgendwo so einfach ist wie in London und Manchester. Diese würden dort schon ab umgerechnet 75 Euro unter der Hand auf der Straße verkauft.