Er war der nette Junge von nebenan. Er liebte Waffen - und brutale PC-Spiele.
Tim K. hat seinen Amoklauf am Mittwoch in Winnenden womöglich doch nicht im Voraus im Internet angekündigt. Die Annahme der Ermittler, die Ankündigung der Bluttat in einem Internet-Chat sei auf dem Computer des 17-Jährigen geschrieben worden, habe sich als falsch herausgestellt, sagte die Polizei. Es gebe derzeit keinen Beweis, dass Tim K. diesen Eintrag selbst verfasst habe.
Noch am Nachmittag hatte der Innenminister von Baden-Württemberg erklärt, dass der Amokläufer von Winnenden seine Tat in der Nacht davor in einem Internet-Chatroom angekündigt habe.
In der Schule wurden über 80 Schüsse abgegeben, weitere 44 am Ende seiner Flucht in Wendlingen. Der Vater des Amokläufers habe in seinem Waffenschrank 4.600 Schuss Munition verwahrt.
Gefakte Internet-Ankündigung?
Dieser Eintrag wurde bisher
dem Amokläufer zugeschrieben:
"Scheisse Bernd, es reicht mir. Ich habe dieses Lotterleben satt, immer dasselbe - alle lachen mich aus, niemand erkennt mein Potential. Ich meine es ernst, Bernd - ich habe Waffen hier, und ich werde morgen früh an meine frühere Schule gehen und mal so richtig gepflegt grillen"habe ein Unbekannter gegen 2.45 Uhr in einem Internetportal geschrieben. Weiter habe es geheißen: Haltet die Ohren offen, Bernds, Ihr werdet morgen von mir hören. "Merkt Euch nur den Namen des Orts: Winnenden." Und jetzt keine Meldung an die Polizei, ich trolle nur. |
Sehen Sie hier den möglicherweise gefakten Eintrag:
Die Polizei gab inzwischen bekannt, dass es keinen Beweis gibt, dass dieser Eintrag tatsächlich von Tim K. stammt. Derzeit werden Zeugen einvernommen, die den Chat-Eintrag gesehen haben wollen. Entscheidend sei, wann genau sie ihn gesehen hätten, sagte der Polizeisprecher. Die Behörden haben nach eigenen Angaben außerdem eine Anfrage bei dem Betreiber der Servers in den USA veranlasst. Dadurch könnte womöglich geklärt werden, wann der Eintrag auf der Seite verfasst wurde.
Täter war in psychiatrischer Behandlung
Der Amokläufer von
Winnenden war seit 2008 wegen Depressionen in psychiatrischer Behandlung. Er
sei zeitweise auch stationär behandelt worden, sagte Baden-Württembergs
Innenminister Rech. Die Therapie sollte in einer Klinik in Winnenden
fortgesetzt werden, wurde vom Täter aber abgebrochen.
Der 17-jährige Amokläufer von Winnenden war nach Angaben des von Rech im Umgang mit Schusswaffen sehr geübt. Er war Gastschütze im Schützenverein seines Vaters. "Ob er selbst Mitglied war, wird abgeklärt.
Motiv noch unklar
Was den 17-Jährigen, der die Schule im
vergangenen Jahr nach dem Realschulabschluss verlassen hatte, zu der Bluttat
bewegte, ist nach wie vor unklar. Aus zahlreichen Aussagen ehemaliger
Mitschüler oder Freunde geht hervor, dass der 17-Jährige ein Einzelgänger
war. Er beschäftigte sich mit Waffen und liebte Compterspiele und
Horrofilme.
Der Präsident der Deutschen Stiftung für Verbrechensbekämpfung Hans-Dieter Schwind hat jetzt ein totales Verbot von Computer-Gewaltspielen sowie eine weitere Verschärfung des Waffenrechts gefordert. Der Professor für Kriminologie: "Dass der 17-Jährige auf der Flucht noch weiter um sich geschossen hat, ist ein Verhalten, das Jugendliche auch in Spielen wie Counter Strike oder Crysis lernen können." |
"Frustrierter Waffennarr"
Fest steht: In der
Realschule von Winnenden hatte der 17-Jährige am 11.Juli 2008 seinen
Abschluss gemacht. Ein ehemaliger Klassenkamerad berichtet, Tim K. sei ein
Einzelkind und „schwer frustriert“ gewesen. Während andere Schulkollegen auf
weiterführende Schulen gewechselt seien oder sich für Ausbildungen
entschieden hätten, wechselte Tim nur auf ein Berufs-Kolleg.
Die Liebe zu Schusswaffen dürfte Tim von seinem Vater geerbt haben. Der ist erfolgreicher Geschäftsmann, leitet ein Unternehmen mit 100 Mitarbeitern, sein Hobby: der Schießsport. Tim selbst besaß 30 Softair-Waffen. Ein 19-jähriger Freund erzählt: Die Waffen hingen in seinem Zimmer an der Wand. Im Keller hatte sein Vater ihm dafür auch extra eine Schießbahn gebaut.“
Freundin verließ ihn
„Alle nannten Tim K. einen Loser.
Seine Freundin hatte gerade mit ihm Schluss gemacht“, so ein ehemaliger
Mitschüler. Tim soll bei Mädchen nicht allzu beliebt gewesen sein und in den
letzten Wochen deutlich zugenommen haben.
"Mitläufer" in der Schule
In der Schul- und
Klassengemeinschaft war der 17-Jährige offenbar nur ein Mitläufer. Er suchte
Anerkennung im Sport. Spielte Tischtennis, Fußball. Auch hier war er nur ein
Mitläufer. Immer zweite Reihe. Die wenigen Freunde, die er hatte, vergraulte
Tim K. mit seinem Waffen-Tick. Er schoss mit den Softguns immer wieder auf
seine Freunde, die sich schließlich von ihm abwandten.
Ein Freund gegenüber bild.de : „Er liebte Ballerspiele wie ,Counterstrike‘, schaute auf dem Computer auch Horrorfilme. Es würde mich nicht wundern, wenn er vor der Tat die ganze Nacht am PC geballert hat, morgens von dem Amoklauf in den USA gehört hat – und dann loszog zur Schule.“
Rektorin wusste nichts von Mobbing
Die Rektorin der
Albertville-Realschule, Astrid Hahn, hat nach eigenen Angaben nichts über
ein Mobbing an dem späteren Täter Tim K. gewusst. Sie sagte, ihr sei nicht
bekannt, dass der damalige Schüler "in irgendeiner Form gemobbt
wurde".
Eltern des Amokläufers verlassen Wohnort
Die Eltern des 17
Jahre alten Amokläufers von Winnenden haben ihren Wohnort zunächst
verlassen. "Die Eltern sind bereits am Mittwoch auf eigene Initiative
hin gegangen", sagte Polizeisprecher Klaus Hinderer in Waiblingen am
Donnerstag. Der Ort ihres Verbleibs werde nicht bekanntgegeben. Sie wollten
in Ruhe gelassen werden. "Sie werden nicht von der Polizei geschützt."
Verstoß gegen das Waffenrecht?
Unterdessen wird gegen den
Vater des Täters wegen Verstoßes gegen das Waffenrecht ermittelt. Nach
bisherigen Erkenntnissen hatte der ehemalige Schüler Tim K. die Tatwaffe aus
dem Schlafzimmer der Eltern entwendet. Alle anderen Waffen des Vaters lagen
sicher in einem Tresor. "Es deutet alles darauf hin, dass der Vater
hier nachlässig war, was das Verwahren dieser einen Waffe anbelangt",
sagte Michelfelder.
Kein Unterricht am Tatort
24 Stunden nach dem Massaker begannen
viele Schulen in Baden-Württemberg damit, das schreckliche Geschehen im
Unterricht aufzuarbeiten. Kultusminister Helmut Rau (CDU) rief alle
Schulleiter im Land dazu auf, in den Stundenplänen Freiräume für Gespräche
und Trauerarbeit zu schaffen. Am Tatort wird nicht unterrichtet: Die
Realschule bleibt bis auf weiteres geschlossen.