Medizinmafia in D

Arzt sagt: "Wir kassieren Kopfgeld"

05.09.2009

Mediziner werden von Spitälern mit bis zu 800 Euro geschmiert. Auch in Österreich?

Zur Vollversion des Artikels
© TZ ÖSTERREICH / FIEDLER
Zur Vollversion des Artikels

Deutsche Krankenhäuser zahlen Ärzten großzügige „Kopfgelder“ für lukrative Überweisungen. Das berichtet einer, der es wissen muss: Der Augenarzt Ludwig A., der an dieser Praxis jahrelang gut verdient hat. Er will zwar anonym bleiben, aber er kann offen sprechen, weil er seine Ordination aufgibt.

800 Euro Provision/Überweisung
A. klagt an, dass Mediziner regelmäßig für Patienten Geld kassieren, wenn sie sie in bestimmte Krankenhäuser überweisen. Er spricht wörtlich von einer „Medizinmafia“ in deutschen Spitälern. „Wir machen das alle. Das läuft seit zehn Jahren so.” Die Spitäler würden sich um Patienten, die hohen Umsatz bringen, regelrecht reißen. „Ich habe als „Kopfgeld“ von der Klinik zehn Prozent der Operationskosten bekommen“, berichtet der Augenarzt.

Topverdiener
Topverdiener unter den Schmiergeld-Ärzten seien die Urologen, so der Aufdecker-Arzt. Denn: „Urologische Eingriffe dauern lange und bringen somit mehr Geld als zum Beispiel eine Operation gegen den Grauen Star“, so der Insider. Die Beträge reichen von 70 Euro für kleinere Eingriffe bis zu 800 Euro pro Patient. Diese Vorgehensweise wird geschickt vertuscht, indem die jeweiligen Beträge als „Nachbereitung“ oder als „Beobachtungspauschale“ ausgewiesen werden. „Da kann keiner was nachweisen“, meint der gesprächige Arzt. Es würde „Kopfgeld-Verträge mit Tausenden Ärzten geben.

ÖSTERREICH: Sind Ihnen in Österreich Provisionszahlungen an Ärzte bekannt?
Kurt Langbein: Im sehr großen Umfang wurden HNO-Ärzten Provisionen gezahlt - und zwar dafür, dass sie bestimmte Hörgeräte an Patienten verordnen. Das hat so große Ausmaße angenommen, dass einzelne Firmen, die da nicht mehr mithalten konnten, sich bei der Krankenkasse beschwert haben. Da geht es um sehr große Beträge.

ÖSTERREICH: Gibt es auch Prämien für Überweisungen wie in Deutschland?
Langbein: Es ist derzeit öffentlich nichts bekannt. Aber es gibt leider keinen Grund zur Annahme, dass es das bei uns nicht geben soll. Denn, überall dort, wo Ärzte zusätzlich privat abkassieren, dafür, dass sie Leistungen in Spitälern erbringen und gleichzeitig diese Geldflüsse völlig intransparent sind, muss man befürchten, dass das auch in Österreich passiert.

ÖSTERREICH: Wie könnte man das unterbinden?
Langbein: Das Problem ist, dass alles über eine leistungsorientierte Finanzierung läuft. Die Spitäler werden nach Fallzahlen bezahlt. Die Kliniken schauen, dass sie ihre Existenzberechtigung nachweisen können und auf genügend Patienten kommen. Und deshalb gibt es etwa in Österreich doppelt so viele Operationen bei der Gebärmutter und beim Blinddarm als im europäischen Durchschnitt.

Österreich: Doppelt so viele Operationen wie nötig
Dass dies auch in Österreich Praxis ist, ist für den Medizinjournalisten Kurt Langbein durchaus denkbar. „Denn, überall dort, wo Ärzte zusätzlich privat abkassieren, dafür, dass sie Leistungen in Spitälern erbringen und gleichzeitig diese Geldflüsse völlig intransparent sind, muss man befürchten, dass das auch in Österreich passiert“.

Hörgeräte
Konkretes Beispiel: HNO-Ärzten werden laut Langbein großzügige Honorare von Firmen gezahlt, wenn sie Patienten bestimmte Hörgeräte verordneten. Zudem werden in Österreich doppelt so viele Operationen wie im europäischen Schnitt durchgeführt. Langbein ist deshalb dafür, die gesamte Finanzierung des Gesundheitssystems auf den Kopf zu stellen. Doch im aktuellen Kassensanierungspaket der Regierung gebe es nur „Absichtserklärungen“.

Fakt ist: Trotz des Skandals hat sich auch in Deutschland die Ärztekammer schützend vor die Mediziner gestellt und spricht nur von „Einzelfällen“. Anderer Meinung ist die Staatsanwaltschaft: Sie hält diese Bestechungen für „relativ weit verbreitet“.

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel