Angreifer schleuderte Medienzar eine Schaumtorte ins Gesicht.
Für den erfolgsverwöhnten Rupert Murdoch glich der Auftritt im britischen Unterhaus einem Gang nach Canossa: "Dies ist der Tag größter Demut in meinem Leben", gab sich der 80-jährige Chef des Medienkonzerns News Corp vor dem Medienausschuss ob des Abhör- und Schmiergeldskandals um seine britischen Zeitungen zerknirscht. Doch für den Australier mit US-Pass sollte es noch dicker kommen. Mitten in seiner Vernehmung griff ihn ein Mann mit einer Schaumtorte an. Murdochs mit einem rosa Jackett bekleidete Frau Wendi Deng ging wie eine Löwin auf den Angreifer los. Die Sitzung musste für kurze Zeit unterbrochen werden.
Die Polizei führte einen jungen Mann in einem karierten Hemd ab. Berichten des TV-Senders "Sky News" und der Zeitung "The Guardian" zufolge handelte es sich bei dem Angreifer um einen Komiker, der die Tat offenbar über den Onlinedienst Twitter angekündigt hatte. "Was ich jetzt mache, ist eine deutlich bessere Sache, als ich jemals gemacht habe", heißt es in einer Kurzbotschaft, die kurz vor der Schaum-Attacke über das Twitter-Konto von Jonnie Marbles verschickt wurde.
Murdoch, der sich während seiner Vernehmung am Dienstag auch kämpferisch gab, blieb unverletzt. Auch ein Arzt wurde nicht konsultiert. Nach Wiederaufnahme der Sitzung erschien Murdoch ohne sein blaues Jackett. Es war nicht der einzige Zwischenfall in der Sitzung. Zum Beginn wurden mehrere Demonstranten aus dem Saal gewiesen. Sie hielten Plakate mit der Aufschrift "Murdoch wegen Nachrichtenverbrechen gesucht".
Er sei "schockiert, entsetzt und beschämt" gewesen, als er von den Praktiken von Journalisten seines Boulevardblatts "News of the World" erfahren habe, sagte Murdoch. Aus diesem Grund habe er die 168 Jahre alte Zeitung auch vor zehn Tagen eingestellt. Auf die Frage, ob er sich persönlich "für dieses Fiasko" verantwortlich fühle, antwortete der Konzernherr mit einem einfachen "Nein". Die Schuld trügen jene, "denen ich vertraut habe und möglicherweise die Leute, denen sie vertraut haben".
Er sei in die Irre geführt worden, was das massenhafte Abhören von Mobiltelefonen und Schmiergeldzahlungen an die Polizei angehe. Die Sonntagszeitung sei aber nur ein winziger Teil seines Medienimperiums gewesen. Er könne nicht jeden Mitarbeiter persönlich kontrollieren. "Das ist keine Entschuldigung. Vielleicht ist es eine Erklärung für meine Laxheit. Die 'News of the World' macht weniger als ein Prozent unserer Firma aus. Ich beschäftige weltweit 53.000 Menschen."
Seiner zurückgetretenen britischen Zeitungschefin Rebekah Brooks sprach Murdoch das Vertrauen aus. Brooks, die am Wochenende vorübergehend festgenommen wurde, war früher Chefredakteurin der "News of the World". Sie wurde nach Vater und Sohn Murdoch vernommen. Die 43-jährige mit der feuerroten Mähne bat wie der 38 Jahre alte James Murdoch um Entschuldigung für den Skandal.
Die Affäre zieht mittlerweile weite Kreise in die Politik und belastet auch den gesamten Konzern. Seit der Skandal Anfang Juli ins Rollen kam, sank der Börsenwert des an der Wall Street notierten Unternehmens um gut sechs Milliarden Dollar. Der Schaden ist noch größer, da Murdoch wegen des enormen politischen Drucks die zwölf Milliarden Dollar schwere Komplettübernahme des britischen PayTV-Senders BSkyB abblasen musste. Es wäre die größte Übernahme in der Geschichte des Murdoch-Konzerns gewesen.
Premierminister David Cameron rief zu einer raschen Aufarbeitung der Affäre auf. Zwar müsse man auf Fehlverhalten von Journalisten und Polizisten hinweisen, doch gehe es jetzt darum, sich mit den für das Land wichtigen Fragen wie der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Förderung von Exporten und der Bekämpfung der Kriminalität zu beschäftigen, sagte Cameron. Wegen einer für Mittwoch geplanten Sondersitzung des Parlaments hat der Regierungschef seine Afrikareise abgekürzt.
Cameron beschäftigte bis Jänner den früheren Chefredakteur der "News of the World", Andy Coulson, als Mediendirektor. Der konservative Politiker unterhielt zudem enge Kontakte zu Brooks und traf sich häufig mit Murdoch. Er sei nach der Parlamentswahl im vorigen Jahr über den Hintereingang zu Cameron vorgelassen worden, sagte der Konzernchef.
Der Londoner Polizeichef Paul Stephenson und sein Stellvertreter John Yates traten inzwischen wegen der Affäre zurück. Ein früherer Reporter von News Corp wurde am Montagabend tot aufgefunden. Der Journalist hatte Coulson schwer belastet. Der spätere Kommunikationschef Camerons habe ihm die Anweisung zum Knacken von Telefonen erteilt. Coulson gibt an, nichts von den Vorgänge mitbekommen zu haben.