Die Witwe des "Landshut"-Pilots kritisiert das mangelnde Denken an die Opfer. Die Justizministerin verteidigt die Maßnahme.
Der Streit über die Freilassung des deutschen Ex-RAF-Terroristen Christian Klar geht weiter. Einen Tag nach der Entscheidung des Stuttgarter Oberlandesgerichts wandte sich der Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) gegen Richterschelte hauptsächlich aus den Reihen von CDU und CSU. Der Berliner CDU-Chef Frank Henkel kritisierte dagegen scharf das Angebot an Klar, ein Praktikum als Bühnentechniker in der Stadt zu absolvieren.
Keine Rückfallgefahr
Das OLG Stuttgart hatte entschieden,
Klar nach Verbüßung von 26 Jahren Haft Anfang Jänner auf Bewährung
freizulassen. Zu Begründung verwiesen die Richter darauf, dass bei dem wegen
neunfachen Mordes verurteilten Exterroristen keine Rückfallgefahr mehr
bestehe und er aktiv an der Auflösung der RAF mitgewirkt habe.
Der Grünen-Politiker Steffen sagte der "Berliner Zeitung", es stehe Politikern nicht gut an, die Entscheidung des Gerichts zu kommentieren. "Eine Vermischung ist verkehrt", sagte er, "es geht nicht darum, an einem Einzelnen ein Exempel zu statuieren". Entscheidend sei die Prognose des Gerichts im Einzelfall, ob der Verurteilte noch eine Gefahr darstelle.
Kritik an Berliner Theater
Der Berliner CDU-Fraktions- und
Parteichef Henkel wandte sich in der selben Zeitung scharf gegen das
Praktikums-Angebot des Berliner Ensembles an Klar: Das Theater sei "keine
Besserungsanstalt für reuelose RAF-Terroristen". Die juristische
Entscheidung, Klar freizulassen, müsse man zwar akzeptieren. Sie sei aber
gleichwohl eine schwere Belastung für die Hinterbliebenen der Opfer.
Schließlich habe sich Klar nie von den Verbrechen der RAF distanziert.
Witwe reagiert gelassen
Vergleichsweise gelassen reagierte die
Witwe des 1977 bei der "Landshut"-Entführung ermordeten Piloten Jürgen
Schumann auf die angekündigte Freilassung des früheren RAF-Terroristen. "Als
er begnadigt werde sollte, wurde einem klar, dass er jetzt irgendwann frei
kommt", sagte Monika Schumann am Montagabend in der ARD-Sendung "Beckmann".
Monika Schumann kommentierte auch die Entscheidung des Co-Piloten der "Landshut", Jürgen Vietor, als Reaktion auf Klars baldige Haftentlassung sein Bundesverdienstkreuz zurückzugeben. Das sei für ihn wahrscheinlich "eine Art von Protest, den er sonst verbalisieren müsste", sagte sie.
Korrekte Entscheidung aus Sicht der FDP
Der ehemalige
Innenminister Gerhart Baum (FDP) hält die Entscheidung des Stuttgarter
Oberlandesgerichts zur Freilassung Klars für korrekt. Im Bayerischen
Rundfunk sagte er, der Spruch stelle keine Verhöhnung der Opfer dar, er sei
"der Schuld angemessen". Er verstehe den Unmut der Angehörigen von
RAF-Opfern, "aber das Grundgesetz gilt auch für einen terroristischen
Straftäter", fügte Baum hinzu. Schließlich habe die Bundesregierung
RAF-Terroristen immer eine von diesen geforderte Sonderbehandlung verweigert.