Augenzeugen berichten von dem Horror-Beben in Italien. Die Bewohner wissen oft gar nicht was sie tun sollen, viele stehen vor dem Nichts.
"Lassen Sie mich durch, mein Sohn ist ganz allein zu Hause", bettelt eine Frau die Polizisten vor einem zusammengebrochenen Gebäude an. "Ich wohne dahinten, das Telefon funktioniert nicht!" Hinter den Beamten graben Rettungskräfte fieberhaft nach Überlebenden, Spürhunde sind im Einsatz. L'Aquila, die malerische Hauptstadt der bergigen Abruzzen-Region in Mittelitalien mit ihren 60.000 Einwohnern, ist nach dem schweren Erdbeben in der Nacht zum Montag Katastrophengebiet. Verstörte Bewohner sind mit dem Koffer in der Hand auf dem Weg aus der Stadt, andere sitzen mit leerem Blick und weißem Staub im Haar am Straßenrand und wissen nicht, was sie tun sollen.
Der Minuten-Ticker zum Erdbeben
"Komme mir vor wie im Film"
Eine Frau schaut auf die
Schuttmassen und weint: "Ich komme mir vor wie in einem Film, das kann
alles nicht wahr sein", klagt sie, bevor sie weitergeht, "zu einer
Freundin, die in einem nicht zerstörten Stadtteil wohnt". Eine
andere macht in ihrer Hilflosigkeit die Behörden für ihr Unglück
verantwortlich: "Das ist ein Skandal, seit drei Monaten schon hat
regelmäßig die Erde gebebt, die Behörden wissen das genau!"
schimpft Maria Francesco. "Heute Nacht war es die Apokalypse, 20
Sekunden die reinste Hölle, es hat sehr lange gedauert". Maria
Francescos Haus ist zerstört, "es gibt nichts mehr zu retten".
Flucht aus der Erdbeben-Stadt
Sie sitzt neben ihrem Auto, das
mit zerdelltem Dach und zerborstenen Scheiben am Straßenrand steht. Trotzdem
schiebt Maria Francesco ihre Koffer durch das Loch an der Stelle, wo einst
die Windschutzscheibe war - sie hofft, dass der Wagen noch fährt und will "so
schnell wie möglich" aus L'Aquila fliehen, weil sie Angst vor
Nachbeben hat.
Im Stadtzentrum von L'Aquila mit seinen historischen Gemäuern und steilen Gassen graben Dutzende Rettungskräfte in den Überresten eines komplett eingestürzten vierstöckigen Gebäudes. Sie haben schon mehrere Menschen lebend aus dem Schutt gerettet, jetzt hören sie die schwachen Hilferufe einer Frau aus den Trümmern. Mit einem Kran wollen sie das Dach heben, um die Frau zu retten. Weiter die Straße abwärts können vier Studenten nur noch tot aus den Trümmern eines teilweise eingestürzten Studentenwohnheims geborgen werden. Auch das Mittelschiff einer alten Kirche ist zerstört.
Menschen liefen in Panik auf die Straße
Marco und seine
Freundin Clara sind um 23.00 Uhr von einem ersten Erdstoß aufgeschreckt
worden, um 2.00 Uhr nachts folgte ein weiterer, und sie liefen auf die
Straße. "Wir haben eine Weile gewartet, dann sind wir wieder
reingegangen. Und das war der Moment, wo alles auf uns eingestürzt ist, ich
bin in Unterhosen rausgerannt", berichtet Marco.
Clara hat sich eine Jacke über den rosa Schlafanzug gezogen, Stunden nach dem Beben kann sie das Zittern ihrer Hände noch immer nicht kontrollieren. Sie und ihrer Verlobter sind noch einmal kurz in ihre Wohnung, um Wertsachen zu retten, "aber alles ist zerstört", berichtet sie. "Was uns gerettet hat, ist ein großer Schrank in unserem Schlafzimmer, der die umstürzende Mauer gehalten hat. Sonst wäre alles über uns zusammengebrochen."
Der Student Luigi D'Andrea schlief, "als plötzlich Ziegelsteine auf mich fielen und dann eine ganze Mauer meines Zimmers einstürzte". Eine zweite Wand stürzte ein, Luigi floh durch die Wohnung seiner Nachbarn ins Freie. Von seinem Zimmer bleiben nur noch zwei Wände, Fußboden und Decke sind weggebrochen. "Ich habe großes Glück gehabt, dass ich nicht verletzt wurde", sagt der Student. "Jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll, hierbleiben oder weggehen - ich warte."