ÖSTERREICH-Interview

Das neue Leben der 9/11-Frau

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Fast starb Marcy Borders im 9/11-Inferno, ihr Baby bringt sie ins Leben zurück.

Die Albträume und die Furcht sind geblieben: Gefangen im Inferno des lodernden World Trade Center, immer auf der Flucht. Schweißgebadet wacht Marcy Borders (35) Nacht für Nacht auf. Am 11. September 2001 stand sie im 81. Stock des Nordturms am Kopiergerät, als sich der erste Todesjumbo knapp über ihr in die Fassade bohrte. Die ehemalige Büroangestellte ist eines der Gesichter von 9/11. Das Foto, auf dem sie völlig staubverkrustet aus dem Tower flüchtet, steht noch heute für all die Trauer, Wut und Angst des Infernos. Doch auch das Leben von Marcy geht weiter. In den Armen hält sie Baby Zayden, gerade fünf Monate alt. Er soll ihr beim Start in ein neues Leben abseits des posttraumatischen Stress helfen. ÖSTERREICH traf sie sieben Jahre danach in ihrer neu renovierten Kleinwohnung in Bayonne, New Jersey.

ÖSTERREICH: Nach all den Jahren des Traumas: Beginnt mit Baby Zayden jetzt ein neues Leben?

Borders: Ich dachte, dass ich wieder mehr Würze für mein Dasein brauchte. Und dann kam das Baby. Ungeplant zwar, aber es war genau das Richtige: Der Süße gibt mir Kraft, einen neuen Lebenssinn. Und er hält mich auf Trab, lenkt mich ab, um nicht wieder in die alte Finsternis zu verfallen. Er ist ein wahres Geschenk Gottes.

ÖSTERREICH: Sie haben noch Angst?

Borders: Die Narben sind frisch, als wäre das alles gestern passiert: Die Geister von 9/11 spuken in meinem Kopf. Mein Leben wurde mir an diesem Tag gestohlen. Die Träume wiederholen sich: Ich will weg aus New York, doch sitze in der Falle. Und dann mischt sich auch der Irakkrieg hinein. Am Gedenktag weine ich mit den Kindern mit, die keine Eltern mehr haben. Ich war kein einziges Mal zurück in Manhattan. Ich steige in keinen Zug, keine U-Bahn. Aber mit Baby Zayden schaffe ich es wenigstens zum Spielplatz. Ich komme öfter raus aus meiner Wohnung. Und er zwingt mich zu mehr Selbstdisziplin: Ich muss jeden Tag früh auf, um für ihn zu sorgen. Es ist wie eine Therapie: Er lächelt mich an – und alles ist vergessen.

ÖSTERREICH: Was sind Ihre Pläne?

Borders: Ich starte vielleicht bald als unbezahlte Aushilfskraft in einer Kinderkrippe. Um mich wieder an den Arbeitsrhythmus zu gewöhnen. Ich würde gerne mit Kindern arbeiten. Eine Rückkehr in die Finanzwelt kann ich mir nicht mehr vorstellen. Die Hoffnung auf Regierungshilfe habe ich aufgegeben.

ÖSTERREICH: Haben Sie noch Ihre Kleider von damals?

Borders: Ja, natürlich. Es ist mein „lucky outfit“, die Kleider am Leib, mit denen ich wie ein Wunder in diesem Inferno überlebte. Man kann immer noch den penetranten Gestank riechen. Ich werde sie reinigen und an meinem ersten Arbeitstag wieder anziehen. Ein stolzes Comeback in ein neues Leben.

ÖSTERREICH: Wovon leben Sie jetzt?

Borders: Meine Mutter hilft mir – und auch Zaydens Dad.

ÖSTERREICH: Haben Sie Angst vor weiteren Attacken?

Borders: Es wird sicher wieder was passieren – ich hoffe diesmal, wirklich weit davon entfernt zu sein.

Foto: (c) Brigitte Stelzer

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