Eine Agentur rekrutiere ukrainische Frauen mit niedrigem Einkommen, die die Kinder austrugen und nach der Geburt die Rechte abtraten.
Mindestens 30 Babys sollen in Tschechien seit 2019 illegal an Ausländer verkauft worden sein, nachdem die Babys von ukrainischen Leihmüttern in Prag geboren wurden. Das berichtete laut Kathpress das Wiener Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) am Montag unter Verweis auf das tschechische Medienportal "Seznam Zprávy". IMABE-Geschäftsführerin Susanne Kummer kritisierte Leihmutterschaft als "zutiefst unethische Praxis auf Kosten von Frauen und Kindern".
Im Fokus der tschechischen Ermittlungen steht demnach die ukrainische Agentur Feskov-Human Reproduction Group mit Standorten in Charkiw, Kiew und Prag. Klinikbetreiber Alexander Feskov ist laut IMABE seit vergangenem Jahr in der Ukraine wegen Menschenhandels angeklagt. Mittlerweile stünden auch sechs Mitarbeiter der Kinderwunsch-Klinik unter Verdacht, mit Kinderhandel 1,2 Millionen Euro verdient zu haben.
Die Feskov-Klinik werbe mit einem "Remote-Garantieprogramm": Kunden bzw. Auftragseltern müssten für ein Kind via Leihmutterschaft nicht extra in die Ukraine reisen. Sowohl das "Fortpflanzungsprogramm" als auch die Entbindung könnten je nach Wunschland stattfinden. Damit ließen sich national strengere Gesetze umgehen. Denn: Laut ukrainischem Gesetz seien nur unfruchtbare und verheiratete Paare für Leihmutterschaft zugelassen. Single-Männer mit Kinderwunsch und homosexuelle Paare aus aller Welt zählten jedoch auch zu Feskovs Kunden.
Frauen mussten sich als biologische Mutter ausgeben
Die Agentur rekrutiere daher ukrainische Frauen mit niedrigem Einkommen, die an einem Leihmutterschafts-Programm teilnehmen. "Die Frauen brachten ihre Kinder dann in Tschechien zur Welt. Anschließend wurden die Leihmütter gezwungen, sich als biologische Mütter auszugeben und ihre elterlichen Rechte zugunsten von Ausländern aufzugeben", zitierte IMABE aus einem Bericht des Innenministeriums in Kiew. Die Kosten für ein "abholfertiges" Kind betrugen demnach 60.000 bis 70.000 Euro. Die Leihmutter erhielt davon rund 10.000 Euro, was dem Dreifachen eines durchschnittlichen ukrainischen Jahresgehalts entspricht.
Die Tschechische Nationale Zentralstelle gegen Organisierte Kriminalität (NCOZ) dokumentierte zusammen mit Kollegen in der Ukraine, Großbritannien und Schweden die Fälle der Babys, die über Prag nach Norwegen, Deutschland, Griechenland, Bulgarien, Spanien, in die Vereinigten Staaten oder nach China "verkauft" wurden. Niemand prüfe, wer die Babys "bestellt" - ob diese Menschen ein Neugeborenes richtig versorgen können oder ob sie eine Gefahr für das Kind darstellen könnten, so Zdenek Kapitán, Direktor des Amtes für Internationalen Kinderschutz in Tschechien laut "Seznam Zprávy". Strenge Standards, wie sie bei Adoptionen eingehalten werden müssen, würden wegfallen.
So reisten etwa alleinstehende Männer nach Prag und hätten die Babys gegen Bezahlung mitgenommen. Manche hätten sogar angegeben, nicht zu wissen, wie sie sich um das Kind kümmern sollten. Andere wollten demnach ein Kind als "Ablenkung" oder um später nicht alleine zu sein und einmal versorgt zu werden. Einer der Kunden aus Nordeuropa sagte der Polizei auf Nachfrage, er habe das Kind gekauft, weil seine Mutter ein Enkelkind haben wollte, berichtet "Seznam Zprávy". Von einem Baby, das in die USA mitgenommen wurde, fehle zudem jegliche Spur.
Leihmutterschaft ist in Tschechien nicht verboten. Die Frau, die das Kind geboren hat, darf eine Aufwandsentschädigung erhalten und ist vorerst auch rechtlich Mutter des Kindes. Die Leihmutter kann eine Zustimmung zur Adoption sechs Wochen nach der Geburt nach persönlichem Antrag vor Gericht ausstellen lassen. Die Übergabe des Kindes an Bestell-Eltern erfolgt erst nach der gerichtlichen Entscheidung.
IMABE-Geschäftsführerin Kummer wies in ihrer Aussendung vom Montag auch auf die besorgniserregende Entwicklung in Deutschland hin, wo derzeit FDP, SPD und Grüne Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der "altruistischen" Leihmutterschaft prüfen würden.
Großbritannien als Negativbeispiel
Ein weiteres negatives Beispiel sei Großbritannien, so Kummer weiter: "Wir sehen schon jetzt, wie die Legalisierung der Leihmutterschaft Großbritannien verändert hat." Der Ruf nach kommerziellen Verfahren würde immer lauter. Summen im fünfstelligen Bereich würden an Frauen bezahlt, die "ihren Körper als lebenden Brutkasten zur Verfügung stellen". Die Herstellung von Babys sei ein "zutiefst unethischer Produktionsprozess - auf Kosten von Frauen und Kindern", kritisierte Kummer.
Sie verwies auch auf eine Resolution vom 5. Mai 2022 des Europäischen Parlaments. Leihmutterschaft werde dort als eine Form "reproduktiver Ausbeutung" verurteilt. Sie stelle eine Gefahr dar, insbesondere "für diejenigen, die ärmer sind und sich in vulnerablen Situationen befinden", so die Europaabgeordneten in ihrer Resolution.
Eine aktuelle US-Studie zeige zudem, so Kummer weiter, dass Leihmutterschaft mit größeren gesundheitlichen Risiken behaftet ist. Das Risiko für einen Kaiserschnitt sei bei einer Leihmutterschaft dreimal, jenes für eine Frühgeburt fünfmal so hoch wie bei Schwangerschaften mit natürlich empfangenen Kindern. Auch postpartale Depression seien bei Frauen nach der Geburt von Leihmutterkindern signifikant höher als nach der Geburt ihrer eigenen Kinder - unabhängig vom Alter der Mutter. Wirtschaftliche Nöte seien einer der Hauptfaktoren, um sich als Leihmutter zur Verfügung zu stellen, so die Studie.