Nach einer Woche Dauerregen und einem gewaltigen Erdrutsch sind bis zu 2700 Menschen tot.
Der sechsjährige Abdul Maksud starrt noch entsetzt auf die Schneise der Verwüstung, die der Erdrutsch durch sein Dorf gezogen hat, als es schon wieder dumpf zu rumpeln beginnt. Der Bub steht vor dem Lehmhaus seiner Nachbarn und hat keine Ahnung, dass nach einer Woche Dauerregen in der afghanischen Provinz Badachschan über ihm gerade der Hang auf breiter Front abbricht und ins Rutschen kommt.
© AFP
Hilfe kommt aus anderen Dörfern.
© AFP
Ein junger Bursch hat seine Familie verloren.
© AFP
Männer schaufeln Schlamm weg.
© AFP
Kritik kommt an der fehlenden Hilfe.
© AFP
Dorfbewohner watten durch den Schlamm.
© Reuters
Überlebende beten für die Opfer.
© Reuters
Hunderte sind heimatlos.
© Reuters
Die Suche nach Toten geht weiter.
© Getty Images
300 Familien wurden verschüttet.
© AFP
Staunen und Entsetzen ob der Naturgewalt.
Die Erdmassen stürzen so rasch ins Tal, dass Abdul keine Chance zur Flucht bleibt. Die zweite Schlammlawine ist weit größer als die erste, sie reißt den Buben, das Haus seiner Eltern sowie weitere 300 Lehmbauten in der ohnehin bitterarmen Provinz Badachschan mit sich. Hunderte, vielleicht sogar Tausende Menschen sterben bei der schlimmsten Naturkatastrophe seit zehn Jahren am Hindukusch.
"Wie eine Bombe":
"Es klang wie eine Bombe, ich habe nach meinem Vater und meiner Mutter um Hilfe geschrien", erinnert sich Abdul am Sonntag, während er mit anderen Verletzten in einer Notklinik in einem Zelt behandelt wird. "Es war alles so dunkel und staubig. Ich wusste nicht, was geschehen ist", berichtet der Bub, der Verbände an Kopf und Bein trägt. Abdul hatte Glück. Als die zweite Schlammlawine ins Tal donnert, gräbt sein Vater schon mit der Schaufel nach den Verschütteten des ersten Erdrutsches. Er rennt sofort zurück, um seinen Sohn zu retten. Zwanzig Minuten später zieht er Abdul aus dem Dreck und Geröll. Auch die Mutter und der Bruder des Jungen überleben.
Bis zu 2700 Tote:
Badachschan ist das Armenhaus in einem der ärmsten Länder der Welt. Die meisten Menschen hier haben keinen Strom, es gibt so gut wie keine Straßen. Die Vereinten Nationen gehen nach dem Erdrutsch in der Grenzregion zu Tadschikistan von bis zu 500 Toten aus. Nach Einschätzung der Behörden vor Ort könnte die Zahl der Opfer sogar auf bis zu 2.700 steigen. Die konkrete Zahl wird aber wohl niemals bekanntwerden, da die Verschütteten unter einer 50 Meter dicken Schicht von Erde und Geröll begraben sind. Eine Bergung der Leichen ist nach Angaben der örtlichen Behörden unter diesen Umständen nicht möglich.
Evakuierungen in bitterarmen Gebiet:
"Wir können die Suche nicht fortsetzen, weil die Häuser meterhoch von Schlamm bedeckt sind", sagt der stellvertretende Gouverneur der Provinz, Gul Mohammed Bedaar. "Wir werden für die Opfer beten und das Gebiet zum Massengrab erklären." Aus Furcht vor einem weiteren Erdrutsch evakuierten die Behörden die verbleibenden 700 Familien des Dorfes mit rund 4000 Mitgliedern in ein sichereres Areal in der Nähe. Sie werden möglicherweise niemals wieder in ihrem Heimatdorf leben können.
Afghanische Militär-Hubschrauber brachten am Wochenende Wasser, Lebensmittel, Medikamente und Zelte zum Unglücksort. Nach und nach trafen vor Ort auch die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen ein, die eine schwierige Anreise über eine von Schlaglöchern übersäte Straße hinter sich hatten. Die meisten Obdachlosen kamen nach UN-Angaben bei anderen Familien unter, nur einige hätten in Zelten Unterschlupf suchen müssen.
Kritik an fehlender Hilfe:
Manche Dorfbewohner sind jedoch unzufrieden mit den Hilfsbemühungen und beklagen, viele Menschen hätten bereits zwei Nächte bei Temperaturen nahe dem Nullpunkt im Freien verbringen müssen. "Sie sollten uns zumindest eine Unterkunft zur Verfügung stellen", fordert Bibi Nauros, die durch die Naturkatastrophe nach eigenen Worten acht Verwandte verloren hat. "Tausende Familien benötigen dringend Hilfe und Hunderte weitere Häuser sind durch einen neuen Erdrutsch bedroht", warnt auch Bedaar. "Die Regierung und die Hilfsorganisationen müssen rasch handeln und uns mehr Hilfe und Ausrüstung schicken. Was wir bisher haben, reicht nicht aus."
Hilfsangebote der USA und anderer Nationen, die Truppen in Afghanistan stationiert haben, lehnt die afghanische Regierung bisher jedoch ab. Auch die Bundesregierung hat Unterstützung angeboten. Die deutsche Bundeswehr hatte in Badachschan bis Ende 2012 ein Feldlager betrieben.