Tundren voll Lachgas
Forscher warnen vor neuer Klima-Zeitbombe
15.02.2009
Jüngsten Studien zufolge steckt in den gefrorenen Böden der Tundren in Sibirien und Kanada eine Treibhaus-Zeitbombe. Und die Erderwärmung geht schneller voran als gedacht.
Wissenschafter haben neue alarmierende Erkenntnisse zum Klimawandel gewonnen. Einem am Sonntag in der Zeitschrift "Nature Geoscience" veröffentlichten Bericht zufolge könnten aus den auftauenden Permafrostböden Milliarden Tonnen klimaschädlicher Gase entweichen, die dort bisher sicher gespeichert waren.
Lachgas birgt Gefahren
Laut Wissenschaftern aus Finnland und
Russland entweicht aus den so genannten Torf-Zyklus-Ökosystemen neben
Kohlendioxid auch das etwa 300 Mal klimawirksamere Distickstoffoxid, das
auch als Lachgas bekannt ist. Pertti Martikainen von der Universität Kuopio
fand gemeinsam mit russischen Kollegen bei Studien bei Workuta in Sibirien
heraus, dass das Gas bei der Kryoturbation freigesetzt wird, einem Prozess,
der beim Auftauen und Wiedergefrieren der Böden stattfindet. "Es gibt
Beweise, dass die Erwärmung der Arktis die Kryoturbation beschleunigt, was
zu mehr Torf-Zyklen in der Zukunft führen wird", heißt es in dem Papier.
Dies würde dann zu gestiegenen Lachgas-Emissionen führen und dadurch den
Klimawandel begünstigen.
1.000 Mrd Tonnen Treibhausgase
Erkenntnissen des Weltklimarats
IPCC zufolge sind in den Tundren deutlich höhere Mengen am Treibhausgasen
gespeichert, als bisher bekannt. Jüngste Schätzungen gingen laut Chris Field
vom IPPC von etwa 1.000 Milliarden Tonnen aus. Seit Beginn des
Industriezeitalters wurden durch das Verbrennen fossiler Stoffe etwa 350
Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) freigesetzt. "Tauende Permafrostböden
werden bei der CO2-Konzentration in der Atmosphäre stark aufs Gaspedal
drücken", sagte Field am Samstag
Französischen Wissenschaftern zufolge ist auf der Südhalbkugel der Erde die Fähigkeit der Ozeane gesunken, CO2 zu binden. Laut Nicolas Metzl vom Französischen Nationalen Forschungsinstitut wühlen die durch den Klimawandel hervorgerufenen starken Winde die Meere auf und wirbeln dadurch mehr CO2 an die Oberfläche. Jährlich würden derzeit zehn Milliarden Tonnen des Treibhausgases durch menschliche Aktivitäten freigesetzt, während es in den frühen neunziger Jahren nur sechs Milliarden Tonnen gewesen seien. Damals konnte jedoch etwa ein Drittel davon durch die Meere gebunden werden, also etwa zwei Milliarden Tonnen. Heute sei das nur noch ein Fünftel.
Erderwärmung schneller als erwartet
Die Erde erwärmt sich
einem Klimaforscher zufolge schneller als erwartet. Grund sei der stark
angestiegene Ausstoß von Treibhausgasen in Schwellenländern wie Indien oder
China, sagte Chris Field, Mitglied des internationalen Gremiums zum
Klimawandel des Weltklimarats IPCC, am Samstag (Ortszeit). Daten von 2000
bis 2007 zeigten einen weitaus stärkeren Anstieg der Treibhausgase als
erwartet. "Wir sehen uns jetzt mit einem Klima konfrontiert, das über das
hinausgeht, was wir je ernsthaft in Betracht gezogen haben", sagte Field.
Die Erderwärmung könnte verheerende Großflächenbrände in tropischen Regelwäldern oder Eisschmelze in der Antarktis auslösen. Dies wiederum setze weitere Treibhausgase frei und treibe die Temperaturen weiter in die Höhe, erläuterte Field.