Die Einwohner der Provinz Sichuan müssen sich in höhere Gebiete in Sicherheit bringen. Der Tangjiashan-See droht zu bersten.
In einem Rennen gegen die Zeit haben Soldaten im Erdbebengebiet in China einen Kanal für einen natürlichen Stausee fertiggestellt, der das Risiko eines Dammbruchs verringern soll. Die Gefahr durch eine Flutwelle war am Sonntag aber noch nicht gebannt, so dass sich mehr als eine Million Menschen flussabwärts im Gebiet der Stadt Mianyang für eine Evakuierung bereit halten mussten.
In Turbulenzen und dichtem Nebel in der Bergregion nahe Yingxiu stürzte am Samstag ein Militärhubschrauber des russischen Typs Mi-171 bei einem Hilfseinsatz ab. Neben vier Besatzungsmitgliedern waren zehn verletzte Erdbebenopfer an Bord, wie die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Rettungstrupps suchten nach Überlebenden.
Fast 70.000 Tote bestätigt
Drei Wochen nach dem Erdbeben
waren 69.016 Tote bestätigt. Weitere 18.830 Menschen werden vermisst, so
dass die Regierung mit weit mehr als 80.000 Erdbebentoten rechnet. Mehr als
22.000 Verletzte liegen in Krankenhäusern.
In dem mobilen Krankenhaus des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Dujiangyan kam am Samstag das erste Baby zu Welt. Der 3.650 Gramm schwere Bub wurde Zhongde genannt, was übersetzt "China- Deutschland" heißt.
Nach knapp einwöchigen Bemühungen wurde der Umleitungskanal an dem gefährlichen Damm im Jian-Fluss bei Tanjiashan bis Samstagabend fertig gebaut. Bei dem großen Beben am 12. Mai hatte ein Bergrutsch den großen Erdwall gebildet, an dem sich der Fluss seither aufgestaut hatte. Über eine zehn Meter breite Öffnung und einen 475 Meter langen Kanal soll das ansteigende Wasser des Stausees in den nächsten Tagen abfließen. Doch schien das Wasser die Öffnung am Sonntag noch nicht erreicht zu haben. Nach heftigen Regenfällen steigt der Wasserpegel täglich um 1,6 Meter, lag am Samstag aber noch sieben Meter unter der Oberkante des Dammes. Von einer ursprünglich geplanten Sprengung nahmen die Experten Abstand, um den Damm nicht aufzulockern.
Angst vor Flutwelle
Aus Angst vor einer Flutwelle sind
flussabwärts 200 000 Menschen aus der Gefahrenzone gebracht worden. Sollte
die Öffnung an dem Erdwall durch abfließendes Wasser aufbrechen und der
Stausee mit einem Mal zur Hälfte ablaufen, müssten weitere 1,2 Millionen
Menschen flüchten. Sirenen und Warnschüsse sollen die Bevölkerung zur
Evakuierung auffordern.
Xinhua berichtete, dass die Innenstadt von Mianyang am Samstagabend schon wie ausgestorben wirkte. Sandsäcke seien vor Türen und Gebäuden aufgeschichtet, um sich auf erwartete Überschwemmungen vorzubereiten. Rund 20 Soldaten blieben als Wache an dem Damm, um die Lage zu beobachten, berichtete Xinhua. Mehr als 600 Soldaten und Ingenieure sollten am Wochenende abgezogen werden.
In dem Erdbebengebiet haben Eltern am Sonntag den Behörden vorgeworfen, beim Bau von Schulen Pfusch zugelassen zu haben. Nach amtlichen Angaben kamen am 12. Mai 7.000 Kinder ums Leben, 16.000 wurden verletzt. Rund 7.000 Klassenzimmer stürzten ein und die chinesische Zentralregierung räumte ein, dass minderwertiges Material verbaut worden sei.
Der Ermittler des Bauministeriums, Chen Baosheng, sagte, in der Mittelschule Juyuan, in der 900 Kinder begraben wurden, seien die Stahlgitter zu dünn gewesen, mit denen Beton verstärkt wird. In Juyuan demonstrierten am Sonntag 100 Eltern.