Die andauernden Regenfälle haben das Erdreich rutschen lassen. Drei Menschen sind im Haus ums Leben gekommen.
Nachterstedt steht unter Schock: Ein Teil der Gemeinde im Harzvorland in der Größe von rund sechs Fußballfeldern ist wie vom Erdboden verschluckt, drei Menschen werden vermisst. Sie wurden am frühen Samstagmorgen von dem gewaltigen Erdrutsch in ihrem Doppelhaus mit in den Concordia-See gerissen, als sie noch schliefen.
Eine Straße, die von der Gemeinde zu einer Aussichtsplattform an den See führte, bricht plötzlich ab, darunter tut sich ein riesiger Abgrund auf: Auf mehr als 300 Metern Länge wurden Erdmassen in den Tagebausee gerissen. Die dabei entstandene Welle war so stark, dass das Ausflugsschiff "Seelandperle" am gegenüberliegenden Ufer an Land gespült wurde.
Bestürzung
"Alles weg." Karin Degen fasst sich immer wieder
ungläubig an die Stirn oder hält sich die Hand vor den Mund. "Das gibt es
doch nicht." Seit Jahren kommt sie einmal in der Woche mit ihrem Mann aus
dem nahe gelegenen Aschersleben an den idyllischen See, um zu sehen, wie der
Wasserspiegel steigt. Das Tagebaurestloch wird noch immer geflutet. "Mein
Vater war hier Bergmann. Wenn der das noch sehen könnte. Ganz schlimm."
Braunkohleförderung
Der ganze Ort scheint nach dem Unglück
auf den Beinen zu sein, auf den Gehwegen haben sich Grüppchen gebildet.
Mütter schieben ihre Kinderwagen und Frauen in Kittelschürzen ihre
Fahrräder. Die Menschen erzählen und gestikulieren. "Die Bergbaubehörde wird
schon wissen, was sie da gemacht haben", sagte eine Frau. Dass die Ursache
in der früheren Braunkohleförderung liegt, scheint für viele klar.
Überall im Ort stehen Rettungskräfte. Hinter den Büschen startet und landet immer wieder ein Polizeihubschrauber. "Dahinten am Ende der Straße geht es nur noch bergab", sagt ein Polizist. Ein junger Helfer des Technischen Hilfswerks ruft: "Ich geh da nicht mehr hin. Da bröckelt es immer noch."
Katastrophenstab
Im Rathaus ist der Katastrophenstab
untergebracht. Das Handy von Ursula Rothe klingelt minütlich. Die Sprecherin
des Salzlandkreises erzählt geduldig, was passiert ist. Auf einer
Digitalkamera zeigt sie Fotos von der Unglücksstelle und sie zeigt ein
gelbes Haus, von dem die linke Hälfte vollständig fehlt. "Das kann man sich
nicht vorstellen", sagt Rothe. "Wie abgeschnitten."
Für Heidrun Meyer ist es der erste Notfall in ihrer sehr jungen Karriere als Bürgermeisterin der Stadt Seeland, zu denen Nachterstedt gehört. Seit 15. Juli gibt es die Stadt, die fünf Gemeinden und etwa 7.000 Einwohner zählt. "Ich bin erschüttert", sagt die 51-Jährige mit fester Stimme. Um 6.00 Uhr klingelte ihr Telefon, 20 Minuten nachdem bei der Polizei der Notruf eingegangen war. Meyer zufolge war zuerst von "Bauschäden" die Rede. "Dass es so etwas Schreckliches ist, hat doch keiner gedacht."